Eurogames in Wien: «Ich durfte als Mädchen nicht Fussball spielen»
Sieben Sportarten feiern Premiere: Darts, Flag Football, Padel, Racketion, Rollerderby, Roundnet und Tischfussball
Bianca Gebhart ist Sportverantwortliche bei den Eurogames 2024 in Wien. Sie will Europas grössten LGBTIQ-Sportevent zugänglicher für Frauen, inter, trans und nicht-binäre Personen machen. Diese haben bis Ende April Rabatt auf die Registrationsgebühr.
Vom 17. bis 20. Juli steht Wien ganz im Zeichen des queeren Amateursports. Die Organisator*innen erwarten bis zu 4000 Teilnehmende, die sich in 34 Sportarten messen. Darunter gibt es klassische wie Badminton, Fussball oder Leichtathletik, aber auch weniger verbreitete wie Bogenschiessen, Darts oder Pickleball.
Bei den Eurogames mitmachen dürfen alle Erwachsenen, ungeachtet ihrer Leistungsklasse, sexuellen Orientierung oder ihre Geschlechtsidentität. Im Gegensatz zum Mainstream-Sport dürfen Teilnehmende in der Geschlechtskategorie starten, mit der sie sich identifizieren (MANNSCHAFT berichtete).
Bianca Gebhart ist Sportverantwortliche bei den Eurogames in Wien. Sie hat sieben neue Sportarten im Programm aufgenommen, die es in der über dreissigjährigen Geschichte der Eurogames noch nicht gegeben hat: Darts, Flag Football, Padel, Racketion, Rollerderby, Roundnet und Tischfussball. Wie sie im Interview gegenüber MANNSCHAFT erklärt, möchte sie den Event zugänglicher für weibliche, trans, inter und nicht-binäre Teilnehmende machen.
Bianca, wieviele Teilnehmende haben sich bisher für die Eurogames in Wien registriert? Bis heute sind etwas über 2504 registriert, davon 790 nicht cis-männliche Personen. Das sind zirka 32% und wir hoffen, diesen Trend weiterhin fortführen zu können, beziehungsweise nochmal etwas zu erhöhen.
Warum ziehen die Eurogames vor allem männliche Teilnehmende an? Zum einen ist es ein tiefverwurzeltes, gesellschaftliches Problem hinsichtlich Einkommen und dass es hier noch lange keine Gleichstellung gibt. Daher können sich Frauen, Lesben sowie trans, inter und nicht-binäre Personen eine Teilnahme oft nicht leisten. Des anderen war es bis in die Neunzigerjahre für Frauen oft gar nicht möglich, den Lieblingssport auszuüben. Ich, zum Beispiel, durfte als Mädchen nicht Fussball spielen, weil es keine Struktur dafür gab.
Hingegen habe ich aufgrund meiner sexuellen Orientierung als lesbische cis-Frau nie eine Diskriminierung im Sport erlebt. Ich denke, da geht es vor allem den schwulen Männern und trans, inter und nicht-binären Personen wieder anders.
Welche Massnahmen setzt ihr ein, um vermehrt weibliche und nicht-binäre Teilnehmende anzuwerben? Einerseits haben wir ein diverses Angebot zusammengestellt mit Sportarten, die für diese Fokusgruppe attraktiv sind, wie zum Beispiel Flag Football, Martial Arts, Mini-Golf, Padel, Pentanque oder Pickleball.
Andererseits reduzierten wir die Teilnahmegebühr um 20 Euro für Frauen und Nicht-Binäre im Rahmen des feministischen Kampftags am 8. März (MANNSCHAFT berichtete) und wiederholen die Kampagne vom 15. bis 28. April für die Woche der lesbischen Sichtbarkeit. Des Weiteren setzen wir auf Events und Aktivitäten, die sich exklusiv an Frauen, Lesben sowie an trans, inter und nicht-binäre Personen richten. Darüber hinaus bieten wir eine Kinderbetreuung an und unterstützen bei der Hundeaufsicht.
Bei den Eurogames in Wien stehen 34 Sportarten auf dem Programm, darunter 7 neue, die früher noch nie angeboten wurden. Auf welche freust du dich besonders und warum? Ich finde alle sehr spannend. Über Rollerderby freue ich mich besonders, da die Sportart auf der einen Seite ein Vorbild für den modernen Sport ist hinsichtlich Inklusion und Vielfalt. Auf der anderen Seite passt das Eurogames-Format nur suboptimal für Rollerderby. Mit ein paar guten Gesprächen konnten wir allerdings diese Hürden klären und eine tolle Lösung finden.
Welche Sportart kannst du einer Person empfehlen, die etwas Neues ausprobieren möchte? Roundnet, besser bekannt als Spikeball. Das ist ein lustiger Sport, bei dem ein etwas grösserer Tennisball auf eine Art Trampolin geschlagen wird.
Wie nehmen Mainstream-Medien in die Trans-Thematik im Sport auf? Bis jetzt sind die Reaktionen der Medien überraschend positiv und breit gestreut. Einige Kinos spielen unser Promovideo regelmässig im Vorspann ab, darüber sind wir auch ein bisschen stolz. Drei Viertel der Kooperationsvereine im Sport sind Mainstream – auch hier wurden die Eurogames schon während der Akquisephase sehr positiv aufgenommen und wir erhalten grossartigen Support. Hoffen wir, dass es dabei bleibt.
Wie sieht dein jetziger Alltag als Sportverantwortliche aus? Aktuell blicke ich täglich auf die Anmeldezahlen und diskutiere mit dem OK-Team und den Kooperationsvereinen, welche Aktionen und Kampagnen wir setzen müssen. Wir haben auf der einen Seite bereits Sportarten, wo wir Wartelisten führen und auf der anderen Seite noch ein paar Sportarten, die noch deutlich unter den Erwartungszahlen sind. Wir haben zum Glück noch etwas Zeit und hoffen natürlich, dass auch die unbekannteren Sportarten auf mehr Interesse stossen. Im kleinen Team besuchen wir unsere Sportstätten, tüfteln an inklusiver Gestaltung vor Ort, suchen akribisch nach Volunteers und Möglichkeiten, die Eurogames weiterhin zu bewerben und Teilnehmende zu gewinnen.
Gibt es einen Programmpunkt, der typisch Wienerisch sein wird? Die Sportart Tischfussball würde ich als typisch Wienerisch bezeichnen, wir nennen sie umgangssprachlich auch «Wuzeln». Es ist ein typischer «Beisl»-Sport und Tische stehen in so gut wie jeder Bar und in jedem Café. Zum Programm darf ich noch nichts verraten, aber auch dort ist definitiv etwas typisch Wienerisches dabei! Für diejenigen, die sich noch nicht registriert haben: Newsletter abonnieren und sich überraschen lassen. Mehr: «Ohne Helfer*innen geht gar nichts», sagt Jürgen Barth. Er war ehrenamtlicher Helfer bei den Eurogames 2023 in Bern und wollte den Pride Run nicht nur mitorganisieren, sondern auch mitlaufen (MANNSCHAFT berichtete).
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