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Helfer bei Eurogames: «Über 100 Stunden Arbeit für 1 Stunde Rennen»

Queere Menschen 2023 – unser Jahresrückblick

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Jürgen Barth von den Frontrunners Bern war beim Pride Run für die Strecke zuständig. (Bild: Anthony Walker)

2023 war ein grosses Jahr für die Berner LGBTIQ-Community. Jürgen Barth war Freiwilliger im Organisationskomittee (OK) der Eurogames und wollte den Pride Run nicht nur mitorganisieren, sondern auch mitlaufen. Er sagt: «Ohne Helfer*innen geht gar nichts.»

Vom 26. bis 29. Juli fand mit den Eurogames Europas grösster LGBTIQ-Sportevent in Bern statt. Über 2300 Athlet*innen aus der ganzen Welt reisten in die Bundesstadt, um in 20 Sportarten gegeneinander anzutreten. Es ging um Spiel, Sport und Spass, aber auch um Inklusion: Trans und inter Menschen hatten die Möglichkeit, in Wettkämpfen mitzumachen, von denen sie im Mainstream-Sport teilweise ausgeschlossen sind (MANNSCHAFT berichtete).

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Hinter der Organisation des Pride Run steckten das Team der Frontrunners Bern und rund 50 Freiwillige. (Bild: EuroGames Bern 2023 / Daniel Bürgin)

Mit über 400 Teilnehmenden und rund 50 freiwilligen Helfer*innen war der Pride Run die grösste Sportart. Organisiert wurde der Lauf von den Frontrunners Bern, einer Berner LGBTIQ-Laufgruppe mit knapp 50 Mitgliedern. Jürgen Barth war Teil des achtköpfigen Organisationskomitees und sowohl für die Strecke als auch für die damit verbundene Koordination der Freiwilligen zuständig.

«Ich bin gern Gastgeber und habe Bern als wunderschönen Ort kennengelernt», sagt Jürgen, der ursprünglich aus Schwäbisch-Gmünd in Deutschland stammt. «Das wollte ich anderen Personen aus der LGBTIQ-Community zeigen.»


Die gewählte Strecke für den 5- und 10-Kilometer-Lauf wurde von den Frontrunners sorgfältig ausgewählt und hatte viel zu bieten: flache Start- und Zielgeraden, Asphalt im Villenquartier Kirchenfeld und Naturboden im Wald, eine anspruchsvolle aber keine mörderische Steigung sowie mit dem Bundeshaus und der Aare eine abwechslungsreiche Kulisse. «Die Vermessung bereitete uns schlaflose Nächte», sagt Jürgen. «Es ist gar nicht so einfach, eine Strecke zu finden, die auf 5 und 10 Kilometer aufgeht.» Schliesslich entschied sich das OK für ein gemeinsames Zielgelände mit unterschiedlichen Startbereichen für die 5- und 10-Kilometer-Läufer*innen.

Ich war überrascht, wie reibungslos alles funktionierte.

Fast anderthalb Jahre im Voraus traf sich das OK regelmässig für Sitzungen. Wenige Wochen vor dem Pride Run führte Jürgen mehrere Videocalls durch, um die rund 30 Freiwilligen in die Streckensicherung einzuführen. Sämtliche Zufahrtsstrassen mussten für die gesamte Dauer des Laufes von Helfenden blockiert und «bewacht» werden, damit keine Autos unerlaubt auf die Strecke fuhren. Briefings im Vorfeld eines solchen Megaevents seien ein Muss, sagt Jürgen. «Die Helfenden waren wirklich extrem zuverlässig und ich war überrascht, wie reibungslos alles funktionierte.»

Jürgen hatte ein ambitioniertes Ziel: Er wollte den Pride Run nicht nur mitorganisieren, sondern auch mitlaufen. Ob’s dafür auch reichte, würde er erst wenige Minuten vor dem Start erfahren, sofern alles nach Plan lief. Jürgens Einsatz begann am frühen Nachmittag mit einem Briefing der Polizei, die den Event begleitete. Mit dem Fahrrad begleitete er die Helfenden an ihre Posten und kontrollierte die Absperrbänder an den wichtigsten Stellen. Die Zeit verging wie im Flug und plötzlich war es 18:30 abends. «Weil ich die Strecke zigmal abgefahren bin, habe ich selbst fast den Start verpasst», erinnert sich Jürgen. Voller Energie absolvierte er die 10-Kilometer-Strecke und genoss das anfeuernde Publikum mit ihren vielen Regenbogenfahnen.


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Alles musste nach Plan gehen, damit Jürgen beim Pride Run auch mitmachen konnte. (Bild: Anthony Walker)

Kaum hatte er die Ziellinie übertreten, streifte sich Jürgen wieder die Leuchtweste über und unterstütze das OK und die Freiwilligen bei den Aufräumarbeiten. Das Fahrrad überlebte die Aufregung jedoch nicht und streikte mit einem Platten, als er gerade dabei war, die letzten Müllreste im Wald zu sammeln. Als er das Fahrrad zu Fuss ins Zielgelände brachte, erhielt er eine Nachricht auf dem Handy: Jürgen hatte in seiner Alterskategorie die Bronzemedaille gewonnen ­– und musste noch einmal sputen. «Also nichts wie los ins Eurogames-Village zur Rangverkündigung», erinnert er sich.

Für Jürgen war das gesamte Engagement für den Pride Run und die Eurogames ehrenamtlich. «Über 100 Stunden Arbeit für 1 Stunde Rennen. Aber diese eine Stunde war super!», sagt er. Sowohl ein funktionierendes OK als auch genügend Helfer*innen seien für einen solchen Megaevent unerlässlich. «Ich war so eine Art Ober-Freiwilliger, aber ohne die ganzen Helfer*innen geht gar nichts.»


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Die Arbeit der Frontrunners zahlte sich aus. Nach den Eurogames konnte die Laufgruppe einen regelrechten Boom an Neuanmeldungen verzeichnen. «Wir alle haben auf den Pride Run hingearbeitet und das Ziel, Sichtbarkeit im Alltag zu zeigen», sagt Jürgen.

Was ihm vom Anlass in positiver Erinnerung bleibt? «Die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen war wirklich sehr, sehr schön. Es war Community im besten Sinne.»


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