«Zami» von Audre Lorde als Neuauflage – ein Geschenk!

Eine sinnliche Herausforderung der schwarzen Aktivistin, Feministin und Lesbe

Fotos: Audre Lorde Papers/Spelman College & Promo
Fotos: Audre Lorde Papers/Spelman College & Promo

Audre Lorde starb 1992 an einer Krebserkrankung. Bei Hanser erschienen zuletzt «Sister Outsider» (Essays, 2021) und nun: «Zami – Eine neue Schreibweise meines Namens».

1984 beendet Audre Lorde ihre Lesung in Berlin mit der Aufforderung, dass alle weissen Frauen den Raum verlassen sollen und dass keine schwarze Frau den Raum verlassen dürfe, bevor sie nicht mit einer anderen schwarzen Frau gesprochen habe. Für viele Women of Colour, die in Berlin in den 80er Jahren in der Frauenbewegung engagiert waren, war dies ein Schlüsselmoment, sich zusammenzuschliessen und eine Auseinandersetzung mit Rassismus auch unter Feministinnen zu fordern. In ihrem Roman «Zami» beschreibt sie den langen und harten Weg, ihre eigene Stimme zu finden.

Audre Lorde, die zwischen 1984 bis zu ihrem Tod 1992 immer wieder als Dozentin an die Freie Universität Berlin zurückkehrte, war vielen schwarzen und auch weissen Frauen ein Denk- und Handlungsanstoß, gegen rassistische Strukturen bei sich selbst und innerhalb der Frauenbewegung vorzugehen.

In der Chronik ihrer frühen Jahre «Zami – Eine neue Schreibweise meines Namens» lässt uns die Autorin, die 1934 in New York geboren wurde, teilhaben an ihrem harten und steinigen Weg, bis sie sich selbstbewusst als Afro-amerikanerin, Feministin, Lesbe, Kriegerin, schwarze Aktivistin, Dichterin und Mutter bezeichnen konnte.

Ihre Familie war aus Grenada nach New York eingewandert. Wenn ihre Mutter von «Heimat» spricht, dann meint sie Die Insel Carriacou in der Karibik. Ihre Eltern erziehen sie streng und sie wird auf katholische Schulen geschickt. Rassismus begegnet ihr, aber ihre Eltern haben beschlossen, diesen zu ignorieren oder durch andere Erklärungen vor ihren Kindern zu verbergen. Die starken Frauen in ihrer Familie sind ihr Halt: Zami. «Auf Carriacou ein Name für Frauen, die als Freundinnen und Liebende zusammenhalten.» Für das Kind Audrey bedeutet das Schweigen ihrer Eltern zum alltäglichen Rassismus eine Ursache ihr Einsamkeit, da sie nicht bennen kann, was sie zur Fremden macht. Das kluge Mädchen mit der dicken Brille findet im überwiegend weissen Umfeld ihrer Schulen keine Vorbilder für sich.

Mit 17 Jahren verlässt sie die engen Grenzen ihres Elternhauses und schlägt sich allein durch, um auf ein College zu gehen und schreiben zu können. Sie ändert ihren Namen in Audre. Da gute Jobs für schwarze junge Mädchen rar sind, lebt sie häufig am Rande der Armut oder muss harte, schmutzige Arbeit für wenig Geld leisten. Die Liebe entdeckt sie zögerlich, denn lesbisch zu sein in den 50er Jahren spielt sich in einer gefährlichen Tabuzone ab – erst recht als schwarze Frau. Ihre ersten Geliebten sind weiss, schwarze Frauen meiden sich schweigend, weil sie keine Stimme für sich gefunden haben.

In der McCarthy-Ära, in der Denunziantentum und die Jagd auf Kommunisten das politische Leben bestimmt, ist der Alltag in liberalen Kreisen von Misstrauen und Vorsicht geprägt. Das betrifft auch die homosexuelle Szene in New York. Audre geht für eine Zeit nach Mexiko, wo sie neue Perspektiven für ihr Leben und eine intensive Liebe findet. Doch sie kehrt nach New York zurück, schließt ihr Studium zur Bibliothekarin ab. Immer mehr findet sie ihre Stimme als schwarze Feministin und sucht nun auch die Nähe zu anderen schwarzen Frauen. Sie findet langsam ihren Weg, baut neue Netzwerke auf.

Es ist ein Geschenk, dass das Buch «Zami» eine Neuauflage erfährt. Audre Lorde hat als eine der ersten Autorinnen den schwarzen lesbischen Frauen der 50er Jahre eine Stimme gegeben. Ihre sinnlich-poetische Sprache wählt die Bilder aus der Erfahrungswelt ihrer Ahn*innen genauso wie aus ihren eigenen Erfahrungen im New York der 50er Jahre. Sie findet neue Wörter und Bilder für die Sinnlichkeit unter Frauen. Für viele WoC in Deutschland ist die Poetin Vorreiterin gewesen, sich selbst eine Stimme innerhalb der Frauenbewegung zu geben. Sie gründen Mitte der 80er Jahre ADEFRA e. V. Schwarze Frauen, ein kulturpolitisches Forum in Deutschland von und für schwarze Frauen.

Audre Lorde hat aber auch immer freundlich aber bestimmt weisse Feministinnen herausgefordert, die eigenen rassistischen Strukturen anzugehen. Ihre Chronik «Zami» macht auf poetisch-intensive Weise deutlich, warum es immer wieder notwendig ist, sich mit rassistischen Strukturen auseinanderzusetzen. Damit ist und bleibt «Zami» zeitlos aktuell und in dieser neuen, überarbeiteten Übersetzung von Karen Nölle auch in ihren eigenen, intensiven Bildern lesenswert.

Audre Lorde, «Zami – Eine neue Schreibweise meines Namens», aus dem Englischen von Karen Nölle, Carl Hanser Verlag 2022  (ISBN 978-3-446-27406-8)

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