Fussballer und das Coming-out: Unsere schwule Elf
In Deutschland startet wieder eine EM ohne geoutete Profis
An diesem Freitag startet die Fussball-EM mit dem Eröffnungsspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Schottland. Tschechien hat zwar einen offen schwulen Nationalspieler, aber Jakub Jankto wurde nicht nominiert.
Dass der Männerfussball ein Problem mit dem Thema Homosexualität hat, ist nicht neu. Nachdrücklich werden die Hintergründe dafür in der Dokumentation «Das letzte Tabu» dargelegt, die aktuell in der ZDF-Mediathek steht.
Mit dem Tschechen Jakub Jankto hätte erstmal ein offen schwuler Spieler auf dem Platz stehen können, doch der erklärte schon im April im Interview mit L’Equipe: „Ich weiss schon, dass ich nicht dabei bin, aber das hat nichts mit meinem Coming-out zu tun.“. Er sei schon vorher beim damaligen Nationaltrainer Jaroslav Silhavy in Ungnade gefallen.
Von Jankto abgesehen gibt es bisher nur wenige aktive Spieler, die sich in der Öffentlichkeit geoutet haben. MANNSCHAFT hat eine Liste zusammengestellt:
# Justin Fashanu Justin Fashanu war Grossbritanniens erster offen schwuler Profifussballer. Im Oktober 1990 outete sich der damals 29-Jährige in einem Interview mit The Sun, da er fürchtete, sonst zwangsgeoutet zu werden. Weil sein Umfeld nicht mit seinem Coming-out umgehen konnte, nahm er sich 1998 das Leben. 2020 wurde der gebürtige Londoner posthum in die Hall of Fame des National Football Museum in Manchester aufgenommen (MANNSCHAFt berichtete).
# Josh Cavallo «Ich bin Fussballer und ich bin stolz, schwul zu sein», erklärte der australische Jugendnationalspieler Josh Cavallo 2021 in einem Videostatement. Der Kicker vom australischen Erstligisten Adelaide war mit seinem Statement derzeit der erste und einzige aktive geoutete Fussballer auf seinem Kontinent. «Ein öffentliches Coming-out kann negative Auswirkungen auf deine Karriere haben», schrieb der Australier auf Instagram. Seither setzt er sich aktiv gegen Hetze im Netz ein und stellte jüngst auch seinen Verlobten vor (MANNSCHAFT berichtete).
# Oliver Egger Oliver Egger ist der der erste offen schwule Fussballer Österreichs. Er outete sich 2016 bei seiner Geburtstagsfeier in Graz vor seinen Teamkollegen, indem er seinen damaligen Freund küsste. Dies sei für ihn wie eine Befreiung gewesen; niemand habe ablehnend reagiert. Eggers Geschichte war auch Gegenstand einer 25-minütigen ORF-Dokumentation mit dem Titel «Der Tag wird kommen» (MANNSCHAFT berichtete).
# Jakub Jankto «Ich bin homosexuell – und ich möchte mich nicht länger verstecken», erklärte der 27-Jährige Jakub Jankto in einem im Februar 2023 geposteten Video. Er wolle sein Leben in Freiheit führen, «ohne Angst, ohne Vorurteile, ohne Gewalt, aber mit Liebe». Der tschechische Nationalspieler erhielt viele positive Reaktionen auf sein Coming-out – auch von seiner Ex (MANNSCHAFT berichtete).
# Pascal Erlachner Im Dezember 2017 gab der Schweizer Pascal Erlachner als erster offen schwuler Schiedsrichter der Super League sein Coming-out. Homosexualität und Profifussball passen auch heute noch nicht zusammen, sagte er damals gegenüber der MANNSCHAFT und: «Das Thema Homosexualität wird komplett tabuisiert.» (MANNSCHAFT berichtete).
# Collin Martin Anlässlich der Fussball-WM 2018 gab Mittelfeldspieler Collin Martin bekannt, dass er schwul ist. Der damals 23 Jahre alte US-Amerikaner postete auf Twitter einen Brief, in dem er sein Coming-out ankündigt. Nach Ex-Nationalspieler Robbie Rogers war Martin erst der zweite Spieler der US-Profiliga, der sich geoutet hat – und der erste aktive. «Es ist ein überwältigendes Gefühl zu wissen, dass ich so sein kann wie ich bin», sagte Martin gegenüber MANNSCHAFT.
# Thomas Hitzlsperger «Ich äussere mich zu meiner Homosexualität. Ich möchte gern eine öffentliche Diskussion voranbringen – die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern», sagte Thomas Hitzlsperger im Januar 2014 in einem Interview mit Die Zeit. Er war damit – vier Monate nach seinem Rücktritt als Profi – der erste prominente deutsche Profifussballer, der öffentlich erklärte, schwul zu sein. Sein Coming-out war ein Meilenstein für den Kampf gegen Homophobie im Fussball. «Bei manchen gesellschaftlichen Entwicklungen muss man sich Sorgen machen», erklärte der 42-Jährige jüngst gegenüber MANNSCHAFT+.
Für die ARD ist Hitzlsperger als Experte im Einsatz, neben Almuth Schult, Bastian Schweinsteiger und Thomas Broich.
# Jake Daniels Im Mai 2022 erklärte Jake Daniels: «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, das zu tun. Ich fühle mich bereit, den Leuten meine Geschichte zu erzählen. Ich will einfach nicht mehr lügen» und machte als zweiter aktiver Fussballer überhaupt seine Homosexualität öffentlich. Der damals 17-Jährige hatte zu dieser Zeit gerade seinen Profivertrag beim FC Blackpool in der zweiten englischen Liga unterschireben. Über sein Coming-out lernte er wenig später auch seinen Partner kennen (MANNSCHAFT berichtete).
# Zander Murray Profikicker Zander Murray hat im September 2022 seine Homosexualität öffentlich gemacht. In einem Interview auf der Website seines Vereins, den schottischen Gala Fairydean Rovers, sagte der damals 30-Jährige: «Es fühlt sich so an, als fiele die Last der Welt von meinen Schultern.» Murray, dessen Verein südöstlich von Edinburgh in der 5. Liga spielt, erklärte, dass schwule Fussballer in Grossbritannien mehr Vorbilder bräuchten (MANNSCHAFT berichtete).
# Phuti Lekoloane Der südafrikaner Phuti Lekoloane ist der erste aktive Profifussballspieler auf dem afrikanischen Kontinent, der sich als geoutet hat. Der 33-Jährige hatte im Dezember 2015 seine Homosexualität publik gemacht. Danach hatte er jedoch mit zahlreichen Anfeindungen zu kämpfen, stand mehrmals vor Gericht, weil er von Klubs angezeigt worden war – obwohl Homosexualität nicht kriminalisiert ist, sind schwulenfeindliche Ansichten weit verbreitet (MANNSCHAFT berichtete). «Mein Lebensziel ist es, der LGBTIQ-Gemeinschaft im Fussball den Weg zu ebnen und für Inklusion und Gleichberechtigung zu kämpfen», erklärte Lekoloane.
# Robbie Rogers
«Ich sass in meinem Zimmer und dachte: ‚Ich bin schwul, kann mich aber nicht outen, weil ich Fussball so liebe. Was soll ich machen?’» Mit diesen Worten erklärte Robbie Rogers 2013 sein Coming-out . «Ich konnte es keinem sagen, während der Pubertät können Teenager so grausam sein», erzählte er. «Ich hatte noch Glück, weil meine Schwester cool war und ich der Fussball-Typ. Das machte das Verstecken einfacher.»
Der frühere US-Nationalspieler, der als erster offen schwuler Fussballprofi in der Major League Soccer Geschichte schrieb, hat 2017 seine Karriere beendet (MANNSCHAFT berichtete).
Auf der Bank: # Marcus Urban Der schwule Ex-Jugendnationalspieler der DDR, Marcus Urban, wollte zum diesjährigen IDABOBIT gemeinsam mit Kollegen ein Gruppen-Coming-out im Profifussball organisieren (MANNSCHAFT berichtete). «Wir gehen mit der nötigen Geduld, Lockerheit und mit Spass an die Sache heran. Klar ist: Es wird passieren», sagte er vorab. Passiert ist: nichts.
Schwuler Fussball-Profi berichtet von Angst vorm Coming-out: 2020 wurde ein anonymer, offener Brief eines britischen Spielers veröffentlicht, indem er um mehr Unterstützung bat (MANNSCHAFT berichtete).
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