Überlebender des Dresden-Anschlags: Bin nicht Opfer homophober Gewalt
Was bedeutet das für den geplanten Gedenkort?
Bald ist es zwei Jahre her: Eine Städtereise nach Dresden endet für ein schwules Paar in einer Tragödie. Ein islamistischer Gefährder ersticht einen der Männer. Der andere überlebt traumatisiert (MANNSCHAFT berichtete), sieht sich aber nicht als Opfer homophober Gewalt
«Plötzlich kam ein Schlag, völlig überraschend, in den Rücken», erzählte L. ein halbes Jahr später noch traumatisiert in einer Videobefragung dem Staatsschutzsenat im Oberlandesgerichts (OLG) Dresden. Das Danach liegt im Dunkel. «Ich kann mich an nichts erinnern und bin, ehrlich gesagt, auch froh drüber», sagte der 54-Jährige (MANNSCHAFT berichtete).
Eigentlich sollte dem Stadtrat bis zum Ende März ein Vorschlag zur Gestaltung des Erinnerungsortes vorliegen. Das kam lange nicht voran: Die Verwaltung in Dresden sei überlastet, hiess es im Frühjahr (MANNSCHFT berichtete).
Der Partner des Mord-Opfers sieht sich ausdrücklich nicht als Opfer homophober Gewalt, sondern ordnet die Tat selbst als radikal islamistisch motiviert ein.
Nun hat die Verwaltung eine neue Vorlage zu dem Thema eingestellt, wie MANNSCHAFT aus der Dresdner FDP-Fraktion erfuhr. Allerdings soll die geplante Gedenktafel oder -stele nicht ausdrücklich auf Homophobie Bezug nehmen. Grund: Der Überlebende sieht sich ausdrücklich nicht als Opfer homophober Gewalt.
Über die Opferschutzbeauftragte des Landes NRW wurde der Stadt Dresden ein Schreiben des überlebenden Opfers des Anschlages übermittelt. Darin lege der Mann legt dar, dass er sich ausdrücklich nicht als Opfer homophober Gewalt sieht, sondern die Tat selbst als radikal islamistisch motiviert einordnet. «Zudem sieht er sich wohl nicht als Teil der Community und möchte daher auch nicht als Teil dieser auftreten bzw. dargestellt werden», hiess es aus der FDP.
In der neuen Vorlage schlägt die Verwaltung darum nun vor, dass anstatt der bisher geplanten Konzeption nunmehr einfach eine Gedenktafel bzw. -stele errichtet wird, die nicht ausdrücklich auf Homophobie Bezug nimmt.
Über die Vorlage soll Ende des Jahres im Stadtrat entschieden werden. Darin heisst es zur konkreten Aufgabenstellung des Amtes für Kultur und Denkmalschutz an die Künstler*innen: «Der Erinnerungsort soll aufzeigen, dass jeder Einzelne in seiner Individualität unabhängig von Geschlecht, Religion, Herkunft und Hautfarbe ein fester Bestandteil unserer vielfältigen, weltof- fenen und toleranten Stadtgesellschaft ist. Der Erinnerungsort soll also ein Bekenntnis gegen Hass und Gewalt, für Respekt, Demokratie, Toleranz und ein friedliches Miteinander sein. Der Erinnerungsort Rosmaringasse soll nicht primär die Verfolgung der LGBTQ-Community in den Vordergrund rücken, sondern auch deren Emanzipation um gleiche Rechte gegenüber anderen Minderheiten akzentuieren.»
Der Gestaltungsentwurf soll eine Inschrift beinhalten, deren Botschaft und Formulierung Teil der künstlerischen Arbeit sei. An welcher Stelle und in welcher Form diese Inschrift positioniert wird (physisch vor Ort oder etwa via QR-Code), dies sei Bestandteil des jeweiligen gestalterischen Konzeptes.
In der FDP geht man davon aus, dass in den nächsten Wochen in Dresden noch Diskussionen zu dem Thema geführt werden. Die Wünsche des Opfers sollten auf jeden Fall berücksichtigt werden. Einige Stimmen in der Stadt betonten aber auch, dass es bei der Frage des Erinnerungsortes nicht nur um die Selbstwahrnehmung des Opfers gehe, sondern auch darum, dass in Dresden ein furchtbares Verbrechen begangen wurde, mit dem irgendwie umgegangen werden müss. Es sollten daher auch die Anliegen der Dresdner Bürger*innen und insbesondere der Community berücksichtigt werden.
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