Netflix-Hit «Baby Reindeer» – Trans Schauspielerin erhebt Vorwürfe

Achtung, Spoiler!

Richard Gadd (li.) und Nava Mau (Foto: Netflix)
Richard Gadd (li.) und Nava Mau (Foto: Netflix)

Reece Lyons, eine trans Schauspielerin, erklärt, sie sei eingeladen worden, für eine Rolle in der Netflix-Hitserie «Baby Reindeer» vorzusprechen. Gleichzeitig habe der Schöpfer der Serie sie um ein Date gebeten.

Die Netflix-Serie «Baby Reindeer» ist einer der Überraschungserfolge des Jahres. In vielen Ländern ist sie die Nummer eins in den Netflix-Charts, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz war sie es schon.

Innerhalb von gut dreieinhalb Wochen (bis Sonntag, 5.5.) kam der britische Siebenteiler weltweit schon auf 56,5 Millionen Abrufe (Views), allein 18,6 Millionen davon vergangene Woche, wie der Streamingdienst am Dienstagabend preisgab.

Die Fans lieben die emotionale Ehrlichkeit und Verletzlichkeit der Charaktere, den schwarzen Humor und die Handlung, an der auch eine trans Frau beteiligt ist. Teri wird beeindruckend gespielt von Nava Mau, einer trans Schauspielerin aus Mexiko.

In der Serie geht es um Comedian Richard Gadd, um seine tatsächlichen Erfahrungen mit einer Stalkerin und dem Missbrauch durch einen Mann. In der Netflix-Produktion erzählt er seine Geschichte, fragt sich, ob er selbst schuld sei, und legt offen, wie die Polizei ihn und seine Familie nicht vor der Stalkerin geschützt habe, wobei er sich selber nicht immer korrekt verhält.

«In ‹Rentierbaby› geht es um das innerliche Chaos in meinen frühen Zwanzigern», sagte Gadd dem britischen Magazin GQ. «Ich hatte mich in eine Person verliebt, die trans war, aber das brachte eine Menge Fragen mit sich und all diese Scham, die man hat, wenn man jung ist.» Damals sei noch nicht viel über Transidentität gesprochen worden. Die Serie beschönige nichts, betont Gadd. Er habe schon vor langer Zeit gelernt, dass Scham einem nichts nütze. «Die einzige Möglichkeit, diese negativen Emotionen zu überwinden, ist, sie direkt anzugehen.»

Die Serie behandlet Themen wie Scham und das Hadern mit der eigenen Sexualität. Zunächst verheimlicht Gadd die Tatsache, dass er mit einer trans Frau zusammen ist, und weigert sich, sich an ihrer Seite in der Öffentlichkeit zu zeigen oder sie anderen gegenüber zu verteidigen. Die Missbrauchserfahrung verdrängt er bis zu einem Zusammenbruch auf offener Bühne.

Kürzlich berichtete deadline.com, dass sich eine andere trans Schauspielerin zu Wort gemeldet habe und sagte, dass sie ebenfalls für die Rolle vorsprechen durfte, aber von den Macher*innen der Serie abgelehnt wurde. Reece Lyons twitterte bei X über ihre Erfahrungen mit Gadd, ohne jedoch seinen Namen zu nennen.

«Er fing an, mir von der bevorstehenden Netflix-Serie zu erzählen, die er geschrieben hatte. Die Rolle, um die es ging, war seine Ex-Freundin, eine trans Frau. ‹Ich habe sie nicht gut behandelt›, sagte er. Ich habe mich gefragt, was das bedeutet», schrieb sie in einem Post auf X über ihr erstes Treffen in einer Bar nach einer ihrer Shows.

Als Lyons sagte, sie würde gerne für die Rolle vorsprechen und ihm die Kontaktdaten ihres Agenten geben, gab Gadd zu, dass er sie attraktiv fand und mit ihr ausgehen wollte.

Lyons sagte, sie fühle sich von der Vorstellung beunruhigt, für die Rolle seiner trans Ex-Freundin, die er nicht gut behandelt hätte, vorzusprechen und gleichzeitig im wirklichen Leben mit ihm auszugehen. Doch sie sprach weiter mit ihm.

Als sie andeutete, dass er möglicherweise auf trans Frauen stehe, sei Gadd «sehr defensiv und abweisend» gewesen, so Lyons. «Ich sagte ihm, dass ich es nicht für klug halte, das bevorstehende Vorsprechen mit einem Date zu verbinden, und er sagte, er verstehe das», twitterte sie. «Aber zwei Wochen später rief er mich spontan an und sagte, er wolle es noch einmal mit einem Date versuchen.»

Lyons schrieb, sie habe Angst gehabt, dass sie keine Chance zum Vorsprechen bekomme, wenn sie ablehne. Die beiden trafen sich dann zwischen Oktober und November 2021 zu vier Dates und trennten sich im Dezember.

Als Lyons im März 2022 zum Vorsprechen erschien, wurde ihr mitgeteilt, dass Netflix jemand anderen ausgewählt hatte.

Nachdem sie klargestellt hatte, dass sie in keiner Weise in einer Beziehung missbraucht worden war, schloss sie mit einer Botschaft an junge Schauspieler*innen «Wenn ihr jemals in einen Casting-Prozess involviert seid, in dem jemand eine Arbeitsmöglichkeit mit einer Dating-Dynamik verbindet, setzt Grenzen. Wenn sie Eure Grenzen nicht respektieren oder versuchen, euch zu überreden, sie zu ändern, nachdem ihr sie gesetzt habt, dann sagt es jemandem».

Wenn sie eure Grenzen nicht respektieren oder versuchen, euch zu überreden, sie zu ändern, nachdem ihr sie gesetzt habt, dann sagt es jemandem

Clerkenwell Films, die Produktionsfirma der Serie, untersuchte die Behauptungen von Lyons und kam zu dem Schluss, dass «die Casting-Entscheidungen nicht beeinflusst wurden» und Gadd sich professionell verhalten habe.

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