So demontiert Judith Butler J.K. Rowling und die TERFs
TERF steht für Trans-Exclusionary Radical Feminism (Trans-ausschliessender radikaler Feminismus)
Im kürzlich erschienenen Interview mit der britischen Publikation New Statesman stellt die US-amerikanische Philosophin Judith Butler klar, dass sie für Feministinnen, die trans Frauen ausschliessen, absolut kein Verständnis aufzubringen bereit ist. (Text und Übersetzung: Stephenie Vee)
Butler, führende Feministin und Intellektuelle, deren Arbeit zu Gender, Sexualität und Philosophie sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt, identifiziert sich selbst als nicht-binär (Pronomen: she/they). 1990 gelangte sie mit dem Buch «Gender Trouble – das Unbehagen der Geschlechter» zu allgemeiner Bekanntheit.
In dem via E-Mail Austausch geführten Interview, lehnt Butler die Darstellung ab, dass es sich bei trans ausschliessenden Feministinnen, die sich selbst lieber als «gender-kritisch» bezeichnen, um ein populäres Phänomen innerhalb des Feminismus handelt. Butler bezeichnet die TERFs explizit als Randbewegung.
Butler schreibt: «Ich möchte zunächst die Frage stellen, ob trans-exklusionäre Feministinnen wirklich dasselbe sind wie Mainstream-Feministinnen. Wenn Sie Recht haben, das eine mit dem anderen zu gleichzusetzen, dann ist eine feministische Position, die sich gegen Transphobie wendet, eine marginale Position. Ich glaube, das könnte falsch sein. Ich wette, dass die meisten Feministinnen Trans-Rechte unterstützen und gegen alle Formen der Transphobie sind. Daher finde ich es beunruhigend, dass plötzlich die trans ausschliessende radikal-feministische Position als allgemein akzeptiert oder sogar als Mainstream verstanden wird. Ich denke, dass es eigentlich eine Randbewegung ist, die versucht, im Namen des Mainstreams zu sprechen, und dass es unsere Verantwortung ist, dies nicht zuzulassen.»
Beispielhaft für das, was im öffentlichen Diskurs im Fokus steht, nennt die Interviewerin die im Vereinigten Königreich im Raum stehende Frage, ob man den Menschen die Möglichkeit geben sollte, sich in Bezug auf das Geschlecht selbst identifizieren zu dürfen.
J.K. Rowling war öffentlich in die Kritik geraten, als sie in einem offenen Brief die Befürchtung äusserte, dass dadurch «die Türen von Badezimmern und Umkleideräumen für jeden Mann geöffnet würden, der glaubt eine Frau zu sein oder sich als eine fühlt», wodurch Frauen dem Risiko von Gewalt ausgesetzt würden. (Zuletzt hatte die Autorin damit Schlagzeilen gemacht, dass sie einen Online-Shop mit u. a. transfeindlichem Sortiment Werbung machte – MANNSCHAFT berichtete).
Butler führt in ihrer Antwort darauf aus, dass es sich bei diesen Bedenken nicht um eine exakte Beschreibung der Realität handelt, sondern um eine Fiktion, die mehr über die Person aussagt welche diese Angst äussert als über die tatsächliche Realität der trans Personen.
Butler schreibt «Sie [Anm. d. Übers: die Feministin] geht davon aus, dass der Penis eine Bedrohung darstellt oder dass jede Person mit einem Penis, die sich als Frau identifiziert, eine niederträchtige, betrügerische und schädliche Form von Verkleidung anwendet.»
Dies sei eine reichhaltige Phantasie, die von starken Ängsten herrührt, aber sie beschreibt keine soziale Realität. Und Butler setzt hinzu, dass es genau umgekehrt sei, denn trans Frauen würden sehr oft auf Männertoiletten diskriminiert.
Erneut nach J.K. Rowling befragt, sagt Judith Butler, dass sie zwar offensichtlich «gegen Online-Beschimpfungen aller Art» sei, einschliesslich der «gewalttätigen oder beleidigenden Sprache, die online gegen Menschen wie J.K. Rowling verwendet wird», dass sie aber offensichtlich auch nicht mit J.K. Rowlings Ansichten über trans Personen übereinstimmt.
Zuletzt war bei Twitter der Hashtag #RIPJKRowling beliebt; auch gab es im Netz Aufrufe, Bücher der Autorin zu verbrennen. Judith Butler fügt im New Statesman hinzu:
«Ich gebe zu, dass es mich verblüfft, dass Sie auf die gegen J.K. Rowling gerichteten Beleidigungen hinweisen, aber Sie zitieren nicht die Beschimpfung von Transsexuellen und ihren Verbündeten, der online und persönlich geschieht. Wenn wir gegen Belästigungen und Drohungen Einspruch erheben, was wir sicherlich tun sollten, sollten wir auch sicherstellen, dass wir ein umfassendes Bild davon haben, wo dies geschieht, wer davon am stärksten betroffen ist und ob es von denjenigen toleriert wird, die sich dagegen wehren sollten. Es reicht nicht zu sagen, dass Drohungen gegen die einen Menschen tolerierbar sind, aber gegen die anderen unerträglich.»
Butler weist auch auf die Tatsache hin, dass durch den Kampf gegen die «Gender-Ideologie» und den Rückfall auf ausschliesslich biologische Definition von Geschlecht trans ausschliessende Feministinnen zusammen mit Donald Trump gemeinsame Sache zu machen scheinen (MANNSCHAFT berichtete).
Die Philosophin schreibt: «Es ist schmerzlich zu sehen, dass Trumps Position, wonach Geschlecht [Anm. d. Ü.: einer Person] allein durch biologisches Geschlecht definiert werden sollte, und dass die evangelikalen und rechtskonservativen katholischen Bemühungen, das soziale Geschlecht aus dem Bildungswesen und der öffentlichen Politik zu entfernen, mit der Rückkehr der trans ausschliessenden radikalen Feministinnen zur ausschliesslich biologischen Definition von Geschlecht übereinstimmt. Es ist ein trauriger Tag, an dem einige Feministinnen die geschlechtsfeindliche Ideologie der reaktionärsten Kräfte unserer Gesellschaft vertreten.»
Butler stellt klar, dass es bei diesem Diskurs nicht um etwas geht, das zwischen Feminist*innen und trans Aktivist*innen stattfindet und bekräftigt: «Es gibt trans affirmative Feministinnen, und viele Transsexuelle sind auch engagierte Feministinnen.»
Laut Butler habe sich der Feminismus immer für die These eingesetzt, dass es noch nicht klar festgelegt sei, was es tatsächlich bedeute, ein Mann oder eine Frau zu sein.
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