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«Die U-Bahn ist ein Ort orthodox-muslimischer Aggression»

Seyran Ateş über Anfeindungen gegen LGBTIQ und Frauen in Berlin

Seyran Ates
Seyran Ates (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Seyran Ateş will auch diesen Sommer vor der Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin-Moabit die Regenbogenflagge hissen. Letztes Jahr gab es viele Anfeindungen, aber auch Zuspruch.

Vor dem Berliner CSD, der am Wochenende stattfindet (MANNSCHAFT berichtete), will die offen bisexuelle Frauenrechtlerin, Rechtsanwältin und Autorin Seyran Ateş wieder die Regenbogenflagge an der Moschee hissen, einen Tag vor der grossen Parade. Letztes Jahr gab es viel Hass und Drohungen, das dürfte sich in diesem Jahr wiederholen.

«Meine Gemeinde steht nach wie vor zu dem Hissen der Fahne», so Seyran Ateş gegenüber MANNSCHAFT. «Wir haben aus vielen islamischen Ländern auch positive Nachrichten bekommen. Aus der Community haben sich viele bei uns bedankt. All denen, die ihre Stimmen nicht erheben können, sind es schuldig, die Fahne zu hissen. Denn noch leben wir privilegiert in einem freien Land. Wir bleiben dabei, auf den Hass mit ‹Liebe ist halal› zu reagieren. Wir geben nicht auf.»

In islamischen Ländern wäre eine liberale Moschee wie die von ihr gegründete Ibn Rushd-Goethe Moschee undenkar. Aber auch in Deutschland sieht Ates ein Problem: Die meisten Moscheegemeinden hätten vor den Wahlen in der Türkei in ihren Freitagsgebeten dafür plädiert, Erdoğan zu wählen. «Es gab also wieder Wahlkampf in den Moscheen – unfassbar!»


Was die Integrationspolitik in Deutschland betrifft, beklagt Ateş, seit mindesten 40 Jahren werde «eine heuchlerische und unehrliche Politik» betrieben. «In Wirklichkeit sind alle sogenannten demokratischen Parteien nur daran interessiert, ob und von welchen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sie gewählt werden. Die vermeintliche Mehrheit gewinnt. Egal, ob diese Mehrheit wirklich eine Mehrheit darstellt. Hauptsache, sie sind laut und sichtbar, wie auf der Sonnenallee in Neukölln», so Ates weiter. «Für Wählerstimmen verzichten Parteien in diesem Fall durchaus auf Frauenrechte und LGBTIQ Interessen.»

Die U-Bahn ist ein Ort orthodox-muslimischer Aggression.

Zur Situation in Neukölln sagte Ateş weiter: «Auf der Sonnenallee kannst Du kaum noch als junge locker und frei gekleidete Frau unterwegs sein, es gibt unfassbar schreckliche Zustände an Schulen. Die U8 ist ein Ort testosterongeladener orthodox–muslimischer Aggression und Kontrolle geworden. Ständig hören wir von Geschichten, dass Mädchen und junge Frauen wegen ihrer ‹nicht anständigen›, ‹unislamischen› Kleidung angemacht werden. Trans Menschen und Schwule werden beleidigt. Die Zahl der Übergriffe nimmt zu.»

Auch im benachbarten Kreuzberg kommt es immer wieder zu LGBTIQ-feindlichen Übergriffen (MANNSCHAFT berichtete).


 


Dominik Barta

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