Russland stuft «Internationale LGBT-Bewegung» als Terrorgruppe ein
Queere Organisationen fordern die EU und alle Mitgliedsstaaten zum sofortigen Handeln auf
Während in Russland am Freitag der reale IS-Terror zuschlug, im Veranstaltungszentrum Crocus City Hall nahe Moskau, setzte die Regierung am gleichen Tag die «LGBT-Bewegung» auf ihre Liste der vermeintlichen terroristischen und extremistischen Organisationen.
Die entsprechende Liste wird von der Behörde Rosfinmonitoring geführt, die Präsident Putin unterstellt ist. Sie überwacht Finanzströme und kann u.a. die Konten von Personen und Organisationen einfrieren, die sie als Terrorist*innen bzw. Extremist*innen einstuft.
Kreml-Kritiker Alexej Nawalny war vor zwei Jahren auf die Liste gesetzt worden, ausserdem finden sich dort Al-Qaida neben dem US-amerikanischen Technologieunternehmen Meta, zu dem Facebook und Instagram gehören.
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur RIA gelte der neue Listeneintrag «der internationalen LGBT-Bewegung und ihren Strukturen»; was vage formuliert ist und entsprechend vielfältig angewendet werden kann.
Zehn Jahre Haft Bereits Ende 2023 hatte das Oberste Gericht Russlands – auf Antrag des Innenministeriums – die nicht genauer definierte «internationale LGBT-Bewegung» als «extremistisch» verboten (MANNSCHAFT berichtete). Das bedeutet, dass seither jede*r, der oder die Aktivitäten organisiert, die als «LGBT» eingestuft werden können, nach dem Extremismusparagrafen des Strafgesetzes zu maximale zehn Jahren Haft verurteilt werden kann.
Für die «Verbreitung» von entsprechenden Materialien drohen bis zu fünf Jahre Haft. Nach Inkrafttreten des Gesetzes im November 2023 kam es zu verstärkten Razzien, verschiedene noch verbleibendende Szeneeinrichtungen wurden geschlossen (MANNSCHAFT berichtete).
Etliche LGBTIQ-Organisationen waren in den letzten Jahren bereits ins Ausland geflüchtet, weil gegen sie der Vorwurf erhoben wurde, sie seien «internationale Agent*innen», die entsprechend verfolgt wurden. Sogar den beiden russisch-ukrainischen Autorinnen des – vergleichsweise harmlos erscheinenden – Erfolgsromans «Du und ich und der Sommer» mit seiner bewegenden schwulen Liebesgeschichte wurde dieser Vorwurf gemacht (MANNSCHAFT berichtete), sie flüchteten bereits 2022 nach Rostock bzw. in die Ukraine.
«Nie dagewesene Steigerung der systemischen Unterdrückung» Verurteilungen nach dem Gesetz vom November kann es schon geben, wenn man nunmehr einen Regenbogenohrring trägt. Eine Frau wurde laut Medienberichten deswegen zu fünf Tagen Haft verurteilt. Nun ist mit der Einstufung der «internationalen LGBT Bewegung» als «Terrorgruppe» die nächste Eskalationsstufe erreicht.
Als Reaktion darauf veröffentlichte die Organisation Forbidden Colours in Brüssel am Freitag ein Statement. Darin drückt sie ihre «tiefe Empörung» darüber aus, was gerade in Russland passiert.
Laut Rémy Bonny, dem Direktor von Forbidden Colours, markiere diese Aktion der russischen Regierung «eine nie dagewesene Steigerung der systemischen Unterdrückung von LGBTIQ+ Personen in dem Land», was eine «himmelschreiende Verletzung von grundsätzlichen Menschenrechten» sei.
«Die Zeit der diplomatischen Zurückhaltung ist vorbei» Indem die russische Regierung jetzt die queere gesamte Community mit terroristischen Organisationen gleichsetze, werde die Tür «weit geöffnet», um noch mehr Diskriminierung, Gewalt und Verfolgung zu ermöglichen.
Bonny spricht von «abscheulichen und unbegründeten Massnahmen» und fordert die EU und alle ihre Mitgliedsstaaten auf, «stark und gemeinsam» auf diese «Provokation» zu reagieren. Russland müsse für diese staatlich vorangetriebene Homo- und Transphobie zur Verantwortung gezogen werden, heisst es.
Laut Bonny stelle Forbidden Colour derzeit ein Liste russischen Agent*innen zusammen, die innerhalb der EU bewusst Anti-LGBTIQ-Desinformationen verbreiten würden. Solche Aktionen seien, so Bonny, gedacht, um die EU und westliche Demokratien zu destabilisieren.
«Die Zeit des Schweigens und von diplomatischer Zurückhaltung ist vorbei», sagt Bonny.
Sean Gunn wurde 1993 in Simbabwe geboren, für sein Land trat er 2016 bei den Olympischen Sommerspielen in Rio an. Nun erzählt er von seinem Coming-out (MANNSCHAFT berichtete).
Das könnte dich auch interessieren
Kommentar
Europa darf Uganda nicht für seinen rigiden Anti-LGBTIQ-Kurs belohnen!
Die niederländische Regierung hat mit Uganda vereinbart, abgelehnte Asylsuchende in das afrikanische Land abzuschieben. Auch Deutschland und Österreichen hegen Sympathien für die Idee. Für queere Menschen ist es eine Horrorvorstellung, schreibt unser Autor in seinem Kommentar.
Von Kriss Rudolph
Queerfeindlichkeit
Politik
Österreich
Deutschland
News
Dresden erhält Gedenkort nach homofeindlichem Anschlag von 2020
Bei dem Angriff am 4. Oktober 2020 hatte der Täter in Dresden auf zwei schwule Touristen eingestochen, einer der Männer starb kurz darauf. Nun wurde eine Gedenktafel am Tatort eingeweiht.
Von Newsdesk Staff
Deutschland
Queerfeindlichkeit
Politik
News
Erneute Attacke auf schwules Anti-Gewalt-Projekt Maneo
Erst am Sonntag früh wurde in Schöneberg eine Fensterscheibe des schwulen Anti-Gewalt-Projekts Maneo beschädigt. Nun gibt es einen neuen Angriff.
Von Newsdesk/©DPA
Deutschland
Queerfeindlichkeit
Schwul
Deutschland
Teenager verprügelt: Zusammenhang mit CSD Görlitz?
Nach dem CSD in Görlitz wird ein 14-Jähriger attackiert. Die Polizei prüft, ob der Angriff mit der Demo oder den Gegenprotesten zusammenhängt.
Von Newsdesk/©DPA
Pride
Queerfeindlichkeit
News