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LGBTIQ-News sind für Facebook neuerdings Spam

Wie der Meta-Konzern die tägliche Arbeit von MANNSCHAFT.com torpediert

Facebook
Foto: Onur Dogman/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa

«Deine Seite ist in Gefahr!», lesen wir jetzt immer, wenn wir auf unseren Account MANNSCHAFT Magazin bei Facebook zugreifen. Die Gefahr geht dabei eindeutig vom Meta-Konzern selber aus, schreibt Kriss Rudolph in seinem Kommentar*.

«Wenn du noch ein paar Mal öfter gegen die Gemeinschaftsstandards verstösst, könntest du MANNSCHAFT Magazin für immer verlieren», lässt uns Facebook wissen. «Wenn es auf deiner Seite innerhalb kurzer Zeit zu viele Verstösse gegen unsere Gemeinschaftsstandards gibt, wird sie möglicherweise dauerhaft deaktiviert.»

Man schickt den guten Rat hinterher: «Da dies weder in deinem noch in unserem Interesse ist, hilf uns bitte, indem du Einspruch einlegst bei Verstössen, die du nicht für solche hältst.» Das machen wir, jedes Mal. Früher hat das auch etwas gebracht, wenn die Zensor*innen bei sich küssenden Männern zuschlugen (MANNSCHAFT berichtete) oder beim Zeigen von zuviel nackter Haus (immer über der Gürtellinie). Letzteres machen wir mittlerweile gar nicht mehr. Die Selbstzensur funktioniert schon ganz gut.

Zuletzt wurde uns bei einem Einspruch immer mitgeteilt, es könne länger dauern, wegen der Corona-Pandemie. In einigen Fällen sind viele Wochen vergangen. Im täglichen Nachrichtengeschäft vergisst man solche Dinge natürlich irgendwann. Darauf spekuliert Facebook vermutlich – und meldet sich nie zu einem erfolgten Einspruch.


Worum geht es? Um mehrere Artikel, die wir gepostet haben, die von CSD-Paraden in Deutschland berichten. In den Augen von Facebook ist das Spam.

Foto: Screenshot

Klar, wir haben in der Pride-Hochsaison häufig über CSDs berichtet und uns somit in der Facebook-Logik sehr oft Verstösse geleistet. Nur wogegen? Fest steht, es läpperte sich.

Solche Spam-Anklagen kamen jedenfalls so oft zustande, dass Facebook nun droht, unseren Account abzuschalten.


Auch den folgenden Post hat man u.a. beanstandet. Einen Artikel mit Buchtipps – Spam!

Facebook definiert Spam u.a. so: «Sowohl manuell als auch automatisch übermässig häufig Inhalte zu posten, zu teilen oder damit zu interagieren; oder übermässig häufig Konten, Communitys, Seiten, Veranstaltungen oder sonstige Assets zu erstellen.» Wer definiert eigentlich «übermässig häufig»? Natürlich kommt es vor, dass wir zeitlose Artikel ein zweites oder mit zeitlichem Abstand auch ein drittes Mal posten. Aber gewiss nicht «übermässig häufig». Und Spam ist es gewiss nicht. Es sind redaktionelle Angebote.

Spam ist ein weiter Begriff. Wortreich wird er bei Facebook auch so definiert: «Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Vergeben von Gefällt-mir-Angaben, zum Teilen, zum Folgen oder zu Klicks oder zur Nutzung von Apps oder Websites auffordern, wie zum Beispiel in folgenden Fällen: Anbieten falscher oder nicht existierender Dienste oder Funktionen (z. B. Hol dir einen ,Gefällt-mir-nicht-Button!)» etc. Haben wir nicht getan.

Wir nutzen auch weder täuschende noch irreführende Verwendungen von URLs und posten auch keine irreführenden Inhalte. Dennoch: Der Begriff Spam wird von den Zensor*innen bei Facebook vorgeschoben, um offenbar unliebsame Themen zu verbannen. Und dazu gehören wohl auch LGBTIQ-Themen.


Mehr zum Thema: Facebook sperrt Peter Fässlacher nach einem Post zu seinem Buch «Die schwule Seele»


Kürzlich erhielten wir die Meldung: «Kriss Rudolph hat im Namen der Seite einen Beitrag geteilt, der gegen unsere Regeln gegen sexuellen Missbrauch und Nacktdarstellungen von Kindern verstösst.»
Man glaube es oder nicht: Das hat der Autor dieses Textes ganz gewiss nicht getan. Nur: Beweisen kann man es nicht, da Facebook den Post, der ein Jahr zurückliegt, kürzlich entfernt hat.

Hier wird angeklagt, ohne Belege und ohne die Möglichkeit, dass der Angeklagte seine Unschuld beweisen kann. Franz Kafka lässt grüssen.

Am 5. August haben wir an die Pressestelle von Facebook geschrieben. Wir wollten wissen: «Wie kann es sein, dass solche Posts, die Regenbogenflaggen zeigen und CSDs ankündigen oder bei denen es um die Rechte für LGBTIQ geht, beanstandet werden?»

Keine Antwort. Bis heute nicht. Meta ist offenbar nicht interessiert, das, vorsichtig gesagt, fragwürdige Bild, das der Konzern in Sachen Pressefreiheit abgibt, zu korrigieren.

Nicht nur das. Unter Meta for Media erklärt das Unternehmen sogar: «Journalisten spielen eine wichtige Rolle, indem sie uns stets mit Informationen versorgen und mit unserer sozialen Umgebung vernetzen. Sowohl in der echten Welt als auch online sind Pressemitglieder in Ausübung ihrer Tätigkeit oft Bedrohungen ausgesetzt. Wir wissen, dass ihr als Journalisten und Medienschaffende aufgrund eures Berufs online einem höheren Risiko ausgesetzt seid.»

Klingt gut, und zugegeben: Körperlich bedroht wird die MANNSCHAFT-Redaktion nicht. Aber ihre Arbeit wird erheblich eingeschränkt. Unsere Posts werden kaum noch bei Facebook angezeigt und entsprechend schlecht geklickt. Man bremst uns aus. Das bedroht uns dann natürlich doch.

Um eins klarzustellen: Es gibt keine Ansprüche, die wir an den Meta-Konzern stellen können und wollen. Ausser diesen: Alle Medien müssen gleichberechtigt werden. Und ihre Arbeit darf nicht wegen vorgeschobenener Verstösse behindert werden.

Was der Konzern hier mit dem MANNSCHAFT-Account macht, ist ein Verstoss gegen die Pressefreiheit und verzerrt den Wettbewerb, da unsere queeren Mitbewerber-Medien dieses Problem nicht haben. Oder nicht darüber sprechen.

Sich beschweren oder Nachfragen bei Mitarbeitenden des Konzerns kann man auch nicht mehr, seit Facebook mal wieder seine Seite umgebaut hat. Will man in der Business-Suite einen Termin mit einem Berater vereinbaren, erhält man eine Fehlermeldung.

Man sieht: Facebook tut alles, um zu verhindern, dass sich User*innen beschweren oder Einspruch einlegen oder Hilfe bekommen können. Klingt, wie gesagt, arg nach Kafka. Nach einem System, wie man es aus anonymen Diktaturen kennt, die nach absolut intransparenten Regeln arbeiten und sich selber für unfehlbar halten.


*Die Meinung der Autor*innen von Kommentaren spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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