Rebell gegen Russland: Arte zeigt Tanz-Thriller über Rudolf Nurejew
Rudolf Nurejew war ein Tanzweltstar. Sein Leben verlief hochdramatisch zwischen Ost und West. Ralph Fiennes hat den klugen Film «Nurejew – The White Crow» über ihn gedreht, den Arte nun zeigt.
Von Gregor Tholl, dpa
Rudolf Nurejew war eine Art Maria Callas des Balletts. Ein Ausnahmetänzer und «in erster Linie ein riesiges Arschloch», sagt Oleg Iwenko im MANNSCHAFT+-Interview, der im Film «The White Crow» den Balletttänzer spielt.
So wie die Callas im 20. Jahrhundert für Oper und Diva par excellence stand, so war der Ballett-Star tatarischer Herkunft der charismatische Tänzer schlechthin. Die Filmbiografie «man – The White Crow» ist ein vielschichtiges Drama mit beeindruckenden Tanzszenen. Es geht um den Mut, Neues zu wagen und um die Kraft, den Glauben an sich selbst zu behalten. Der Film, dessen Hauptrolle der ukrainische Tänzer Oleg Iwenko übernahm, kam im September 2019 ins Kino. Am kommenden Mittwoch (20.4., 20.15 Uhr) ist das hauptsächlich in Serbien gedrehte Werk von gut zwei Stunden bei Arte zu sehen.
Russland, im März des Jahres 1938: In einem Waggon der Transsibirischen Eisenbahn wird ein Baby geboren. Ein dramatischer Lebensbeginn für den kleinen Rudi, der die Welt in Erstaunen setzen wird als gefeierter Tänzer und Rebell in Ballettschläppchen.
Mit «The White Crow» (Weisse Krähe als Redewendung für einen Aussenseiter) setzt der britische Regisseur und Schauspieler Ralph Fiennes, der aus Filmen wie «Der englische Patient» und «Grand Budapest Hotel» bekannt ist und als 007-Chef «M» in den neuesten James-Bond-Filmen, dem Ausnahmetalent ein filmisches Denkmal. Er selber mimt Nurejews Tanzlehrer Alexander Puschkin. Fiennes zeigt ein Stück Zeitgeschichte aus dem brisanten Kalten Krieg, der derzeit mehr zurückgekehrt ist als es vor drei Jahren die meisten ahnten.
Der eigentlich unpolitische Nurejew setzte sich 1961 in Paris bei einer Auslandstournee seiner Compagnie in den Westen ab, um die Freiheit leben zu können, die er – wie viele andere Künstler – in der strengen Sowjetunion mit Drill und Planwirtschaft vermisste.
Erzählt wird auf mehreren Zeitebenen, die Drehbuchautor David Hare («The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit», «Der Vorleser») geschickt verwebt. Beruhend auf einem Sachbuch von Julie Kavanagh geht es um Nurejews bitterarme Kindheit, in der das Ballett wie ein ferner Traum erscheint, und seine Aufnahme am Choreographischen Institut Leningrad (heute wieder St. Petersburg), einer Talentschmiede von Weltrang.
Gezeigt wird sein Aufstieg, vorangetrieben durch den Wunsch, mit kraftvollen Sprüngen und neuer Technik das Männerballett zu revolutionieren. Es mündet alles im Aufenthalt in Frankreich im Frühling ’61.
Trotz seines Ruhms fühlt sich Nurejew gefangen in der engen sowjetischen Welt, auch bei der Tournee. Begeistert durchstreift er Paris, stiehlt sich in Museen, Bars und Jazzclubs und lernt mit Hilfe von Clara Saint (Adèle Exarchopoulos) neue Leute kennen, zum Leidwesen der KGB-Spione, die ihn rund um die Uhr verfolgen.
Spannender Höhepunkt: Der wohl spontane Entschluss, im Westen zu bleiben, fast widerwillig zum Rebell zu werden und sich dem Befehl der Regierung zu widersetzen, die ihn am Flughafen Le Bourget wie einen Gefangenen nach Moskau zurückfliegen will, notfalls mit Gewalt.
«Das war eine klare Opposition gegen ein ideologisches Regime, das glaubt, dass die Gemeinschaft alles ist und das Individuum gar nichts», hatte Fiennes beim Kinostart zu Journalist*innen gesagt. Der Brite zeichnet ein interessantes Bild des umjubelten Tänzers, zeigt ihn als ehrgeizigen und oft auch egozentrischen Mann, erzählt ausserdem einfühlsam, wie Nurejew seine Liebe zu Männern entdeckt. Als ein Freund und Sexualpartner ist «Die Mitte der Welt»-Star Louis Hofmann zu sehen.
Nurejew führte ein intensives, internationales Leben. In den 80ern infizierte er sich mit HIV und starb als österreichischer Staatsbürger am 6. Januar 1993, mit gerade mal 54 Jahren, in Levallois-Perret bei Paris.
Im weltberühmten Bolschoi Theater brachte Kirill Serebrennikow 2017 den Ballettabend «Nurejew» auf die Bühne, ohne Nurejews Homosexualität und seinen AIDS-Tod zu verschweigen (MANNSCHAFT berichtete)
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