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«Queers Kampf ist einer, der dem des Sisyphos gleich kommt»

Ob beim Adoptionshilfegesetz oder der Blutspende – die Diskriminierung von LGBTIQ hält an

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Symbolbild: AdobeStock

Die christlich-konservativ-reaktionären Kräfte haben längst nicht resigniert, wahrscheinlich würden sie am liebsten die Ehe für alle wieder tilgen. Mit kleinen infamen Herabsetzungen muss man immer rechnen, schreibt Jan Feddersen in seinem Samstagskommentar*.

Kampf ist eigentlich kein schönes Wort. Jüngere mögen ihn nicht, Leute meiner, der älteren Generation mochten ihn ebenso wenig. Es klingt nach Verdruss, nach Entschlossenheit und, ja auch dies, Unbequemlichkeit. Unsereins, also Schwule, Lesben, bisexuelle, trans und inter Menschen hatten obendrein nicht umsonst früher das Gefühl: Kampf – der lohnt sich nicht. Die Leidenschaft, sich für die eigenen Interessen einzusetzen, musste auch zäh sein.

Ehe für alle – Nachholtermin für Abstimmung steht

Kampf – das klang nach Mühsal und Mut. Das sind, anders als es aktuell bei Fragen der Klimapolitik ist, oft auch ernüchternde Umstände, die einem im Wege stehen: Homos, nichts so sehr fürchten denn als solche erkannt zu werden. Ein Gift der Erziehung unserer Umwelten, ob in Familien, in den Schulen oder im Beruf.

Und doch war ich tüchtig stolz, als vor fast drei Jahren erstens der Bundestag die Ehe für alle beschloss (MANNSCHAFT berichtete), kurz darauf die Entschädigung für die Opfer des Paragraphen 175 in den demokratischen deutschen Jahren durchgesetzt wurde, ebenfalls im Bundestag. Ich dachte: Kämpfen lohnt sich doch, die Jahrzehnte Aufklärung und Lobbyismus waren nicht vergebens.


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Ich hätte gewarnt sein können: Schon die Entschädigungsregelung hatte in den Fussnoten des Gesetzes kleine fiese Fussangeln (MANNSCHAFT berichtete): In letzter Minute wurde die Moral der früheren Zeit ins Gesetz eingeflochten wie ein Faden mit ätzender Flüssigkeit in ein schmuckes Gewebe – denn in Anspruch nehmen sollten die Entschädigungszahlung nur jene, die nicht beim Sex mit Unvolljährigen vom homophoben Staat erwischt wurden. Wer in flagranti damals als, beispielsweise, 22-Jähriger mit einem 17-Jährigen erwischt wurde und angeklagt wurde, sollte nicht wieder in Ehre gesetzt werden.

Das war die konservativ-christliche Union; ihr war zu verdanken, dass die klassische deutsch-bürgerliche Homophobie spürbar und kenntlich wurde.

Dieser gar nicht mal alte Fall fiel mir ein, als ich davon hörte, dass nach wie vor schwule Männer, gleich ob HIV-positiv oder nicht, auch weiterhin nicht als Blutspender akzeptiert werden. Sie müssten zwölf Monate keinen Sex gehabt haben, dann wäre dies möglich, aber in schwuler Hinsicht, das machte ein CDU-Abgeordneter im Bundestag sehr deutlich, sei das ganz unwahrscheinlich. Das war und ist eine eindeutige, verblüffend offenkundige Diskriminierung: Schwulen wird monströs-riskanter Sex – um was auch immer es sich handeln könnte – angedichtet. Heterosexuelle können Blut spenden, wie sie möchten, ob sie ein ausschweifendes Datingleben führen oder nicht. Der Antrag der FDP auf Gleichstellung bei der Spende des kostbaren Lebenssaftes wurde abgelehnt. (Eine neue Petition fordert die Abschaffung des Blutspendeverbotes.)


Schliesslich hat der Bundestag das neue Adoptionshilfegesetz verabschiedet. Es ging auch um die Beseitigung, dachte ich, um die Tilgung von Unrecht: Wir heiraten, die Ehe für alle muss und soll ja wörtlich genommen werden. Aber anders als in heterosexuellen Verhältnissen, wo ein Paar ein Kind adoptieren kann, auch wenn es nicht verheiratet ist, soll es miteinander verheirateten lesbischen Frauen nicht gestattet werden, dass das Kind der einen auch das der anderen ist. Auch dann nicht, wenn die Schwangerschaft der biologischen Mutter nach der Verehelichung der beiden begonnen hat. CDU/CSU waren strikt dagegen, die SPD und ihre Familienministerin Franziska Giffey fügten sich.

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Ich nenne das Diskriminierung, und zwar fortlaufende. Wenn man dachte, mit der Ehe für alle werde alle bürgerrechtliche Gleichstellung, auch die Reste wie das Adoptionsrecht, das nicht direkt an der Ehegesetzgebung hängt, möglich – und so dachte ich auch –, dann war das ein Irrtum. Die konservativ-reaktionären Kräfte haben längst nicht resigniert, wahrscheinlich würden sie am liebsten die Ehe für alle wieder tilgen. Das wird ihnen verfassungsrechtlich – zur Wahrung des Rechtsfriedens – nicht gelingen. Aber die kleinen infamen Herabsetzungen von unsereins, mit ihnen muss man immer rechnen.

Queers Kampf ist einer, der dem des Sisyphos gleich kommt: Nie scheint es zu gelingen, den Stein auf den Gipfel des Bergs zu schaffen. Machen wir weiter, so bitter dies ist: Noch ist längst nicht gelungen, was gelingen kann. Oder nur: könnte?

*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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