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Neues russisches Gesetz: LGBTIQ-Liebesfilme mit Pornos gleichsetzen?

Der notorisch homophobe Parlamentarier Witali Milonow kündigte in einem Interview entsprechende Pläne an

Brokeback Mountain
Heath Ledger (links) und Jake Gyllenhaal als Liebhaber in «Brokeback Mountain» (Bild: Focus Features)

Das russische Parlament will scheinbar demnächst über ein neues Gesetz entscheiden, wonach Filme mit homosexuellen Inhalten wie Pornografie behandelt werden sollen – und nur über «Sonderzugangsregelungen» zu sehen wären.

Der Duma-Abgeordnete der Putin-Partei «Einiges Russland», Witali Milonow, sprach kürzlich zur staatseigenen Nachrichtenagentur RIA Novosti über das Thema. Laut Einschätzung von LGTBIQ-Medien wie Pink News habe Milonow eine «aggressiv-bösartige Einstellung» zu queeren Themen. Entsprechend habe er nun verlangt, dass alle Filme mit queeren Inhalten «verbannt» werden müssten aus dem Fernsehen, von Streamingportalen sowie im Kino. Und er ergänzte: «Die rechtliche Grundlage dafür steht quasi vor der Tür.» (MANNSCHAFT berichtete über die Kritik der EU an bisherigen russischen Anti-LGBTIQ-Gesetzen.)

Vitaly Milonov
Der russische Parlamentarier Witali Milonow (Foto: duma.gov.ru / Wiki Commons)

Milonow wurde unlängst vom Menschenrechtsrat des Landes wegen Äusserungen abgemahnt. Dieser Rat untersteht Putin, der nicht gerade für seine Pro-LGBTIQ-Haltung bekannt ist. Es handelte sich bei Milonows Äusserungen also um eine ziemlich eklatante Menschenrechtsverletzung.

Und in der Tat: Der Parlamentarier hatte laut Medienberichten im August gefordert, dass alle Homosexuellen «sterilisiert» und wie Katzen in Heimen gehalten werden sollten. Jetzt sagt er: «Wenn jemand entsprechende Filme schauen will, braucht er einen Sonderzugang für solche Videos, genau wie bei Pornografie.»


80 Prozent gegen homosexuelle Sexszenen
Einer Umfrage des Allrussischen Meinungsforschungszentrums (WZIOM) zufolge, deren Ergebnisse diese Woche veröffentlicht wurden, sehen es 80 Prozent der Menschen in Russland als «nicht akzeptabel» an, wenn Filme homosexuelle «Sexszenen» enthalten, nicht mal wenn die entsprechenden Filme eine «18+» Klassifizierung haben.

Der gleichen Umfrage zufolge seien 57 Prozent der Russ*innen dafür, dass jeglicher Inhalt, der «sexuell abweichendes Verhalten» zeige, verbannt werden sollte. (MANNSCHAFT berichtete übers Verbot eines neuen Verhoeven-Films über eine lesbische Nonne in Russland.)

Das passt zum offiziellen Verbot von «Homopropaganda», das seit 2013 gesetzlich verankert ist. Diesen Monat wurde ein russischer Fernsehsender deswegen mit einem Bussgeld von einer Million Rubel (zirka 11.700 Euro) abgestraft, weil er bei der Übertragung der russischen Muz-TV Awards einen Beauty-Blogger im Kleid gezeigt hatte sowie den Rapper Dava mit Filipp Kirkorov, die beide zusammen aus einer Limousine stiegen und dann umringt von halbnackten Bodybuildern posierten.


Russland
Der Rapper Dava und Filipp Kirkorov bei den Muz-TV Awards im November 2021 (Foto: Instagram / @fkirkorov)

Daraufhin hatte der «Föderale Dienst für die Aufsicht im Bereich der Kommunikation, Informationstechnologie und Massenkommunikation» (Roskomnadsor) gemahnt, die Sendung hätte als «18+» ausgewiesen werden müssen. (MANNSCHAFT berichtete darüber, dass Russland bei Fragen zu Homosexualität zunehmen gespalten ist.)

«Besessene»: Skinheads jagen Schwule
Im Frühjahr 2021 wurde derweil beim Internationalen Filmfestival in Moskau (MIFF) der Kurzfilm «Fanaty» («Besessene») – der die Jagd von Skinheads auf Schwule zeigt – nach Protesten aus dem Programm genommen.

Der 25-minütige Film hatte wegen seines queeren Themas für Empörung gesorgt. Er werfe Fragen auf zur «Krise der Männlichkeit, zu sozialer Spaltung, konservativen Ideologien und der politischen Desinformation in Russland», sagte Regisseur Wsewolod Galkin, der auch Chefredakteur des russischen LGBTIQ-Online-Magazins Tguy.ru ist.

Der Film weckt Erinnerungen an Gruppen von Skinheads, die unter dem Schlachtruf «Occupy Pedophilia» 2013, als die «Homopropaganda»-Gesetze verabschiedet wurden, über Dating-Seiten Schwule in Fallen lockten, sie demütigten und Filmaufnahmen in sozialen Netzwerken veröffentlichten. Ihr Anführer, der Neonazi Maxim Martsinkewitsch, hatte sich Ende 2020 im Gefängnis das Leben genommen.

Wann genau das neue Gesetz, von dem Milonow spricht, im Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden soll, ist bislang nicht bekannt.


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