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Neue Stolpersteine für zwei schwule NS-Opfer – die Brüder Billmann

Auch ihr Onkel wurde von den Nazis verfolgt

Berlin Stolperstein
Der deutsche Künstler Gunter Demnig bei der Verlegung eines Stolpersteins (Archivbild/Jürgen Wenke)

Am Freitag nächster Woche werden in Karlsruhe zwei Stolpersteine für zwei Brüder verlegt, die beide als Homosexuelle verfolgt wurden.

Max (1907-1937) und Valentin (1906-1936) Billmann wurden beide von den Nazis in den Tod getrieben: Sie nahmen sich aufgrund der Verfolgung nacheinander und jeweils 29-jährig in Karlsruhe das Leben.

Der Stolperstein für Valentin Billmann wird am 17. März gegen  9.30 Uhr verlegt in der Kaiserstrasse 163, der für seinen Bruder Max eine halbe Stunde danach in der Viktoriastrasse 7.

Die Verfolgung begann mit zahlreichen Festnahmen im Sommer 1936 in Karlsruhe und Stuttgart, mit Hausdurchsuchungen und der Beschlagnahme eines Liebesbriefes (von 1934) von Max Glass aus Stuttgart-Uhlbach an Max Billmann in Karlsruhe. Die Verfolgungsgeschichte hat Jürgen Wenke recherchiert, wie so viele andere Schicksale schwuler Männer in der Nazi-Zeit auch (MANNSCHAFT+)



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Auch für Max Glass, den Verfasser des Briefes, endete die Verfolgung als Homosexueller tödlich: Er wurde 39jährig im Jahr 1942 im KZ Buchenwald ermordet. An ihn erinnert bereits seit 2021 ein Stolperstein in Konz bei Trier.

Max Glass hatte u.a. geschrieben: «Lieber Max, habe Heimweh nach dir. Ich komme am Samstag um 2 ½ Uhr mit dem Schnellzug in Karlsruhe an. Hole mich ab wenn du mich liebst.»


Im Zuge der Verfolgung von Homosexuellen im Frühjahr/Sommer 1936 wurde auch der damals 28-jährige Max Billmann von der Karlsruher Polizei am 7. Mai 1936 verhaftet. Bei der Hausdurchsuchung wurde der Liebesbrief von Max Glass vom Sommer 1934 gefunden. Die Ermittlungen, Verhöre, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, Befragungen von Nachbarn, Verwandten, Arbeitskollegen, usw. weiteten sich massivst aus. Glass wurde ebenfalls verhaftet.

Im Zuge der mehrmonatigen Verfolgungsmassnahmen hielt die Polizei schriftlich fest: «Bei Billmann scheint in seiner Veranlagung erbliche Belastung vorzuliegen. Wie (…) durch Erhebungen bekannt ist, wurde der Onkel des Billmann, Adolf Billmann, wiederholt wegen widernatürlicher Unzucht bestraft und befindet sich zur Zeit in einem Gefängnis in Norddeutschland. Auch der hier wohnende Valentin Billmann, Bruder zu dem Beschuldigten ist homosexuell veranlagt.»

Am 12. August 1936 wurden vom Landgericht in Karlsruhe in einem öffentlichen Prozess verurteilt nach § 175 Reichsstrafgesetzbuch zu Gefängnishaft (Vorwurf: «wegen fortgesetzter gemeinsamer Onanie»): Max Billmann (zu 5 Monaten), Hermann Werzinger und Max Glass (je 2 Monate). Da die Angeklagten keine Geständnisse vor Gericht ablegten, mussten sie – obwohl bereits mehrere Monate in U-Haft – jeweils die volle Strafe verbüssen ohne Anrechnung der Untersuchungshaft.

Die Polizei in Karlsruhe hatte auch Valentin Billmann als Homosexuellen unter Überwachung. Valentin hatte die Verhaftung, die Hausdurchsuchung, die Ermittlungen sowie das Gerichtsverfahren und die Verurteilung seines Bruders Max erlebt, denn er wohnte ebenso wie sein Bruder und die Eltern und die anderen Geschwister in Karlsruhe. Den Namen des Bruders bzw. des Sohnes in der örtlichen Presse zu lesen, dürfte für Valentin und seine Verwandten eine erhebliche zusätzliche Belastung erzeugt haben.

Während Max Billmann in Haft sass, starb der Bruder am 10. Dezember 1936 in seiner Wohnung in der Kaiserstrasse in Karlsruhe. Laut Sterbeeintrag wurde er tot aufgefunden. Die Sterbeurkunde sagt aus, dass der Tod vom Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Karlsruhe gemeldet wurde. Diese Meldung durch die Staatsanwaltschaft weise auf einen unnatürlichen Todesfall hin. Es ist davon auszugehen, dass Valentin Billmann sich selbst getötet hatte.

Als sein Bruder Max Billmann am 12. Januar 1937 nach fünf Monaten Haft aus dem Gefängnis ent-
lassen wurde, war sein Valentin bereits seit einem Monat tot. Max wusste zu diesem Zeitpunkt auch, dass sein Onkel Adolf Billmann eine Haftstrafe zu verbüssen hatte wegen Verurteilung nach §175. Wahrscheinlich hatte er auch vom Vater erfahren, dass der Onkel im März 1937 in das KZ Lichtenburg/Sachsen deportiert worden war. Am 16. September 1937 meldete wiederum der Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Karlsruhe den Tod von Max Billmann, der laut Sterbeeintrag am 14. September 1937 im städtischen Krankenhaus im Alter von 29 Jahren verstarb.


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Es ist naheliegend anzunehmen, so der Historiker Jürgen Wenke, dass Max Billmann versucht hatte, sich das Leben zu nehmen und dass er an den Folgen im Krankenhaus verstarb. Da die Staatsanwaltschaft den Tod meldete, sei auch in diesem Fall – wie beim Bruder Valentin – von einem unnatürlichen Todesfall auszugehen.

Der Tag der Meldung des Todes, der 16. September 1937, war auch der Tag, an dem Adolf Billmann vom KZ Lichtenburg in Sachsen in das KZ Buchenwald bei Weimar in Thüringen deportiert wurde. Max Billmann hatte gewusst, wie sein Onkel als Homosexueller bestraft worden war und dass er nach der Haftverbüssung nicht in Freiheit kam, sondern in ein KZ deportiert worden war. Der Selbstmord seines ihm nahestehenden Bruders Valentin hatte Max vermutlich, so Wenke, «den Boden unter den Füssen weggezogen» und es ist wahrscheinlich, dass er keinen anderen Ausweg mehr sah als den Freitod.

Mehr über die Schicksale schwuler NS-Opfer hier.


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