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Marx will katholische Lehre öffnen: «Homosexualität ist keine Sünde»

Es entspreche einer christlichen Haltung, wenn zwei Menschen, egal welchen Geschlechts, füreinander einstehen

Kardinal Marx
Kardinal Marx beim Queer-Gottesdienst (Foto: Tobias Hase/dpa)

Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx hat kürzlich mit einem Queer-Gottesdienst in München für Aufsehen gesorgt (MANNSCHAFT berichtete). Im Interview mit dem Stern konkretisiert der hochrangige Kirchenmann nun seine Ideen für eine weltoffene Kirche und fordert eine «inklusive Ethik».

Es muss ihm wie ein kleines Wunder vorgekommen sein. Ausgerechnet in der dramatischen Welle von Kirchenaustritten durfte der Münchner Erzbischof Mitte März einen Gottesdienst in der vollen St. Pauls-Kirche mit Menschen feiern, die trotz jahrelanger Ausgrenzung bekannten, «um die Gunst der Kirche zu buhlen»: katholische Mitglieder der LGBTIQ-Community, die seit 20 Jahren gegen manche Widerstände sich unter dem Kruzifix mit Regenbogenfahne versammeln.

Im Gespräch mit dem Stern stellt der Kardinal nun seine Idee einer «inklusiven Ethik» vor, und will mit der Ausgrenzung queerer Glaubenden in seiner Kirche aufräumen: «Homosexualität ist keine Sünde», betont Marx laut einer Vorabmeldung des Magazins am Mittwoch. «Es entspricht einer christlichen Haltung, wenn zwei Menschen, egal welchen Geschlechts, füreinander einstehen, in Freude und Trauer. Ich spreche vom Primat der Liebe, gerade in der sexuellen Begegnung», so Marx. Er müsse sich allerdings eingestehen, sich «vor zehn oder fünfzehn Jahren selbst noch nicht hätte vorstellen können, eines Tages diesen Gottesdienst so zu feiern».

Marx sei sich bewusst, dass er damit konservative Kreise der Katholischen Kirche vor den Kopf stösst, er fühle sich aber freier, «zu sagen, was ich denke». Sein Ziel sei es «die kirchliche Lehre weiterbringen».


Kardinal Marx weiter: «LGBTI-Menschen sind Teil der Schöpfung und von Gott geliebt, und wir sind gefordert, uns gegen Diskriminierung zu stellen. Ich glaube: Gott sucht die Gemeinschaft mit ihnen, wie er sie mit allen Menschen will. Für mich ist es eher Sünde, andere aus der Kirche drängen zu wollen.» Wer Homosexuellen und generell «mit der Hölle droht hat nichts verstanden». Marx stellt sich dabei bewusst gegen den bestehenden Katechismus der Katholischen Lehre, in der homosexuelle Handlungen als «in sich nicht in Ordnung» beschrieben werden, und «in keinem Fall zu billigen» wären. «Der Katechismus ist nicht in Stein gemeisselt. Man darf auch in Zweifel ziehen, was da drinsteht.»

Als erste Schritte kündigt er an, das katholische Arbeitsrecht diesbezüglich anzupassen: «Natürlich muss es noch verlässlich festgeschrieben werden, dass man nicht aufgrund sexueller Orientierung oder einer Wiederverheiratung entlassen werden darf. Es kann ja nicht sein, dass das vom Wohlwollen des amtierenden Bischofs oder Generalvikars abhängt.»

Bin wie jeder andere ein sexueller Mensch

Im Gespräch mit dem Stern spricht Marx ungewohnt offen über seine persönlichen Gefühle und sein Leben mit der Ehelosigkeit: «Natürlich bin ich – wie jeder andere – ein sexueller Mensch. Ich habe auch eine Sexualität, auch wenn ich in keiner Beziehung lebe», so Marx. Als junger Priesteranwärter habe es «durchaus auch den Reiz gegeben, das Liebesleben zu entdecken, aber das andere war für mich stärker». Auf die Frage, ob er sich in all den Jahren nie verliebt habe, sagt Marx: «Zumindest nicht so, dass ich gesagt hätte, für diesen Menschen werfe ich alles hin. Aber natürlich finde auch ich Personen attraktiv, es wäre unaufrichtig, das zu leugnen. Zölibat bedeutet nicht, ohne menschliche Beziehungen zu leben, man wäre dann sehr arm.»


Grundsätzlich könne er sich vorstellen, die Kirche auch für verheiratete Priester zu öffnen: «Es wird nicht alles zusammenbrechen, wenn «es ehelose und verheiratete Priester gibt. Das zeigt der Blick auf andere Kirchen.»

Marx hatte zuletzt bei einer unabhängigen Anwaltskanzlei ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Verfehlungen seiner Diözese in Missbrauchsfällen offenzulegen, in welchem einige seiner Vorgänger schwer belastet, auch ihm selbst Fehler attestiert werden (MANNSCHAFT berichtete). «Das System insgesamt, die ganze Atmosphäre müssen sich ändern», sagt Kardinal Marx dazu.

«Diese geschlossenen Systeme und ein möglicher Missbrauch klerikaler Macht sind eine Gefahr. Der Zölibat ist sicher nicht automatisch eine Ursache für Missbrauch, aber wir müssen bekennen: Das Verschweigen und das Interesse, primär die Institution und deren Ruf zu schützen – und dann erst die Opfer zu sehen, das gibt es leider bis heute! Die Kirche muss transparenter werden, es muss Teilhabe an der Macht geben, Möglichkeiten zu wirken und zu gestalten. Das in Teilen falsche Konzept des Gehorsams muss überprüft werden. Es darf keine Hierarchie mehr geben, bei der man den Oberen nur nach dem Munde redet.»


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