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Lasst uns out und sichtbar sein – auf ein gutes 2019!

Ob das neue Jahr gut, besser oder schlechter wird für LGBTIQ – das haben wir in Teilen selbst in der Hand

Pride 2020
Bild: iStockphoto

Bekanntschaften und Freundschaften, die Heteros mit Schwulen und Lesben eingehen und pflegen, können ihre Vorbehalte und Vorurteile gegenüber sexuellen Minderheiten reduzieren. Wenn wir diese Erkenntnis aus einer US-Studie beherzigen und uns zeigen, können wir dazu beitragen, dass sich die Situation für LGBTIQ zumindest bei uns nicht verschlechtert, meint Kriss Rudolph in seinem Kommentar.

Neues Jahr, neues Glück? Wir orakeln in der deutschen Januar-Ausgabe der MANNSCHAFT: Wird es für LGBTIQ besser oder geht der Rollback weiter? In unserer Umfrage auf mannschaft.com haben je 18 % der User angegeben, sie blicken pessimistisch bzw. optimistisch auf das neue Jahr bzw. fürchten einen weiteren Rollback. Eine Mehrheit von 42 % geht allerdings davon aus, dass sich gute und schlechte Nachrichten die Waage halten werden.

Das Gute ist: Wir haben es in der Hand. Nicht wir allein, aber wir können dazu beitragen, dass es zumindest kein schlechteres Jahr wird. Das erfordert Mut und Energie, schon klar. Aber wenn wir darauf warten, dass die Politik etwas tut oder darauf, dass andere ihre homophobe Haltung ablegen, wenn wir nur laut genug «Homophobie!» schreien – und sei es noch so gerechtfertigt –, bringt uns das nicht weiter.

Queere Menschen müssen adäquat sichtbar werden
Das meint auch der Berliner Autor und Regisseur Kai S. Pieck, der ein Netzwerk nicht-heterosexueller Medienschaffender, die Queer Media Society, initiiert hat, der sich schon zahlreiche Journalisten und Künstler angeschlossen haben – darunter Ralf König, Jochen Schropp und die Verlegerin Manuela Kay (Siegessäule). «Wenn queere Menschen in unserer Gesellschaft nicht endlich adäquat sichtbar werden, wird es in Sachen LGBTIQ-Rechten auf lange Sicht eher einen Rückschritt geben», sagt Pieck.


Auch die Schauspielerin und Kabarettistin Sigrid Grajek sagt: «Wir sind nicht auf der sicheren Seite. Wir erleben gewalttätige Übergriffe und das allgemeine Sinken der Hemmschwelle, was Beleidigungen etc. angeht. Persönliche Sichtbarkeit und Solidarität bleiben für mich die Schlüssel für Verbesserungen.»

Bekanntschaften und Freundschaften, die Heteros mit Schwulen und Lesben eingehen, können ihre Vorurteile gegen sexuelle Minderheiten reduzieren

Die Studie von Daniel DellaPosta weist in dieselbe Richtung. Der Soziologieprofessor aus Pennsylvania hat herausgefunden, dass Bekanntschaften und Freundschaften, die Heteros mit Schwulen und Lesben eingehen, ihre Vorurteile gegen sexuelle Minderheiten reduzieren können. Schon eine Bekanntschaft mit einem Mitglied der LGBTIQ-Community kann etwas bewirken. In dem Aufsatz «Gay Acquaintanceship and Attitudes toward Homosexuality» verglich DellaPosta Daten einer im Zwei-Jahres-Rhythmus durchgeführten repräsentativen Umfrage der University of Chicago zu diversen aktuellen Themen, der General Social Survey (GSS). Der Text kam schon im September heraus, wurde aber erst zum Jahresende von den Medien aufgegriffen.

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Zwischen 2006 und 2010 hatte sich die Zahl derer, die mindestens einen schwulen Mann oder eine lesbische Frau in ihrem Bekanntenkreis hatten und die Eheöffnung befürworteten, deutlich erhöht – von 45 auf 61 %. Noch 2006 war laut DellaPosta die Ablehnung der Ehe für alle bei älteren, konservativ eingestellten Heteros recht verbreitet. Hier hat aber die Bekanntschaft mit einem Mitglied der LGBTIQ-Gemeinde den grössten Eindruck hinterlassen.


Fazit: Wenn wir uns outen und uns zeigen, auf der Arbeit, in der Familie, in der Nachbarschaft, so hat das direkten Einfluss auf die Akzeptanz. Noch 1973 fand nur etwa jeder zehnte Amerikaner, dass Homosexualität in Ordnung sei – im Jahr 2016 lag dieser Wert schon bei 52 %.

Bei Straftaten Anzeige erstatten!
Nicht falsch verstehen: Ich möchte niemanden auffordern, mit seinem Partner oder seiner Partnerin Hand in Hand durch finstere Gegenden zu spazieren. Selbst an vermeintlich sicheren Orten, das haben jüngst wieder Vorfälle aus Düsseldorf, München und Berlin gezeigt, werden homosexuelle oder trans Menschen angefeindet oder verprügelt. Wenn das allerdings passiert, dann müssen wir solche Straftaten thematisieren und anzeigen. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer der nicht-angezeigten homo- und transphoben Straftaten selbst in Berlin bei 80 bis 90 Prozent liegt. Wenn uns Menschen beleidigen oder schlagen, weil wir lieben, wen wir lieben oder weil wir sind, wie wir sind, und das nicht zur Anzeige bringen, geben wir den Tätern noch indirekt recht.

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Also: Lasst uns im 50. Jubiläumsjahr von Stonewall mutig (und ich meine damit nicht leichtsinnig!), out und sichtbar sein. Uns allen wünsche ich ein gutes, friedliches 2019!

Wie blicken Aktivisten und Künstler aus Deutschland auf das neue Jahr? Was tun, um einen weiteren Rollback zu vermeiden? Darum geht es u. a. in der deutschen Januar-Ausgabe der MANNSCHAFT. Zum Abo (Deutschland) – und hier auch (Schweiz).


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