LGBTIQ Organisationen finanziell und personell in Not

Das zeigt eine Studie der Hirschfeld-Stiftung

Foto: Delia Giandeini/Unsplash
Foto: Delia Giandeini/Unsplash

Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hat am Dienstag die ausführlichen Ergebnisse der von ihr in Auftrag gegebenen Befragungsstudie «LGBTIQ-Communitystrukturen in der Coronapandemie» veröffentlicht. Viele Organisationen und Initiativen konnten ihre Tätigkeiten und Angebote nur eingeschränkt fortführen.

Die bundesweite Befragung unter LGBTIQ-Organisationen und -Initiativen ist im Rahmen des Projektes «Auswirkungen der Coronapandemie auf LGBTIQ» entstanden. Durchgeführt wurde die Studie von Ska Salden (Dipl.-Psych., wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in Sigmund-Freud-Universität) und Frede Macioszek (Schwules Museum Berlin).

255 Initiativen aus allen 16 deutschen Bundesländern haben an der Befragung teilgenommen. Diese Initiativen bieten unter anderem Gruppen- und Selbsthilfeangebote für LGBTIQ an, beraten und begleiten LGBTIQ zum Beispiel bei Coming-outs, Transitionen, Diskriminierungserfahrungen oder rechtlichen Fragen und führen Bildungsveranstaltungen an Schulen durch.

Das Projekt «Auswirkungen der Coronapandemie auf LGBTIQ» war im September mit einem öffentlichen Appell der Bundesstiftung an Staat und Gesellschaft gestartet. Ende 2020 und Januar 2021 fanden verschiedene Fachgespräche zum Thema statt. Deren Ergebnisse wurden in der Broschüre «Auswirkungen der Coronapandemie» im Februar 2021 dokumentiert. Mit den jetzt veröffentlichten Ergebnissen der Befragungsstudie wurde ein weiterer wichtiger Projektbaustein umgesetzt.

Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der Befragungsstudie im Überblick: Knapp 90 Prozent der Initiativen beschrieben die Auswirkungen der Pandemie als negativ, 18 Prozent sogar als extrem negativ. Sie konnten ihre Tätigkeiten und Angebote in der Coronapandemie nur eingeschränkt fortführen. Die Digitalisierung von Angeboten und die Entwicklung von Hygienekonzepten sorgten bei vielen Initiativen für einen stark erhöhten Arbeitsaufwand.

Schon vor der Pandemie wurden in den Initiativen viele Angebote durch ehrenamtliche Arbeit gewährleistet. In der Pandemie haben die Kapazitäten der Ehrenamtlichen bei 43 Prozent der Initiativen abgenommen, da Individuen durch die Pandemie einer erhöhten Belastung ausgesetzt waren und weniger Möglichkeiten hatten als zuvor, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Bei knapp einem Drittel derjenigen Initiativen, die vor der Pandemie finanzielle Ressourcen hatten, hat sich die finanzielle Situation verschlechtert, 15 Prozent können die finanziellen Folgen noch nicht abschätzen.

Die befragten Initiativen nahmen bei den Nutzer*innen ihrer Angebote ebenfalls eine Verschlechterung der Gesamtsituation dar. 93 Prozent der befragten Initiativen gingen davon aus, dass sich der psychische Zustand ihrer Nutzer*innen verschlechterte, 67 Prozent davon, dass sich der körperliche Zustand verschlechterte. Die Befragten berichteten ausserdem von einer wahrgenommenen Zunahme von Gewalterfahrungen ihrer Nutzer*innen sowohl im Privaten als auch im öffentlichen Raum. Die öffentlichen Gewalterfahrungen betrafen insbesondere Personen, die mehrfach diskriminiert werden. Der Bedarf an den Angeboten der Initiativen dürfte also eigentlich grösser als kleiner geworden sein.

Die Initiativen berichten teilweise auch von positiven Begleiterscheinungen der Pandemie, insbesondere durch die notwendige Digitalisierung. Sie konnten digital mehr Nutzer*innen erreichen und sich besser vernetzen. Gleichzeitig wurde deutlich, dass digitale Angebote auch viele LGBTIQ ausschliessen und viele Initiativen und Nutzer*innen nicht die notwendige technische Ausstattung hatten. Die Angaben der Initiativen machten deutlich, dass digitale Angebote Präsenzangebote nicht ersetzen, sondern nur ergänzen können.

Die Initiativen nannten vielfältige Forderungen und Empfehlungen an Politik und Verwaltung, um ihre Arbeit und die Situation ihrer Nutzer*innen wieder verbessern zu können. Dazu zählen insbesondere Forderungen, die Finanzierung der Initiativen langfristig sicherzustellen, Schutzräume für LGBTIQ zu ermöglichen, die Gesundheitsversorgung und Selbstbestimmung von LGBTIQ zu gewährleisten, Sexarbeit zu ermöglichen, sicheren Wohnraum insbesondere für obdachlose und/oder geflüchtete LGBTIQ zur Verfügung zu stellen, niedrigschwellig Informationen zur Coronapandemie und den Massnahmen zur Verfügung zu stellen und zu verbreiten sowie LGBTIQ Lebensrealitäten in politische Regulierungen einzuschliessen.

Hier kann man den Forschungsbericht der Befragungsstudie nachlesen.

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hat zum IDAHOBIT im Namen der Europäischen Union auf die coronabedingt verschlimmerte Lage von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, von trans und inter Menschen hingewiesen (MANNSCHAFT berichtete).

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