«Die Regenbogenparade und der Regenbogenball sind meine Babys»
Karl Kreipel hat die Queeros-Abstimmung der MANNSCHAFT in Österreich gewonnen
Er ist der österreichische Sieger der Queeros-Umfrage der MANNSCHAFT: Karl Kreipel, Organisator der Wiener Regenbogenparade und des Wiener Regenbogenballs. Im Interview erzählt er über sein ehrenamtliches Engagement, was er sich von der Regierung wünscht und warum die nächste Vienna Pride ganz besonders wird.
Herzlichen Glückwunsch, Karl! Danke! Schon meine Nominierung durch einen Kollegen hat mich total überrascht. Dass ich gewonnen habe, überrascht mich noch mehr. Ich freue mich sehr darüber, möchte aber auch dem Zweitplatzierten, Joe vom Verein RosaLila PantherInnen in Graz, herzlich gratulieren.
Wer steckt hinter dem Queeros-Sieger? Wer ist Karl Kreipel? Als ehrenamtlicher Mitarbeiter und Vorstandsmitglied der HOSI, der Homosexuellen Initiative Wien, bin ich unter anderem Projektleiter der Wiener Regenbogenparade und einer der Leiter des Wiener Regenbogenballs. Meine Aufgabe ist also die Gesamtkoordination dieser beiden Grossveranstaltungen. Obwohl es sich bei dieser Tätigkeit um ehrenamtliches Engagement handelt, gebe ich stets hundert Prozent. So ist auch mein Charakter: ehrgeizig, zuverlässig und lösungsorientiert. Ich bin aber auch ein sehr gutmütiger Mensch und Handschlagqualität zählt für mich.
Du engagierst dich seit 1999 für die LGBTIQ-Community. Was sind deine Beweggründe? 1998 haben mich Freunde zur Wiener Regenbogenparade mitgenommen. Es hat mir so viel Spass gemacht, dass ich gesagt habe, ich möchte im nächsten Jahr ehrenamtlich mitarbeiten. So war es dann auch und 1999 wirkte ich das erste Mal bei der Regenbogenparade mit, damals als Radstandsecurity. Das sind alle Kolleg*innen, die neben den LKWs hergehen und darauf achten, dass keiner unter die Räder kommt.
Die Organisation eines solchen Events ist viel Arbeit. Auch, wenn einmal alles drunter und drüber geht, muss ich den Überblick bewahren und meinen Teamkolleg*innen immer mit Rat und Tat zur Seite. Aber alleine die Tatsache mit dem Event die Community zu unterstützen, treibt mich immer wieder an. Auch die vielen positiven Rückmeldungen im Anschluss an die Parade motivieren mich alles zu geben.
Wie sehr hängt dein Herz an der Regenbogenparade und dem Regenbogenball? Ich sage immer: Die Regenbogenparade und der Regenbogenball sind meine zwei Babys. Mein Herz hängt an beiden Projekten wie Eltern an ihren Kindern. Obwohl beide Events sehr arbeitsintensiv sind, sind sie gleichzeitig auch meine grössten Hobbies. Nach mehr als 20 Jahren Mitarbeit greife ich auf viel Erfahrung, Routine und ein gutes Netzwerk zurück. Nichtsdestotrotz ist die Leitung von derartigen Megaevents eine Herausforderung, vor allem die intensive Kommunikation unmittelbar vor dem Event. Sowohl am Regenbogenball als auch an der Regenbogenparade sind so viele Mitarbeiter*innen und Menschen beteiligt, dass es unheimlich viel Abstimmung, Dialog und Koordination braucht.
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Gibt es einen Moment in deinem langjährigen Engagement, der dir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist? Ganz gleich, ob Regenbogenparade oder Regenbogenball, in all den Jahren durfte ich sehr viele schöne Augenblicke erleben. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Moment als ein ehemaliger Bundeskanzler, nämlich Christian Kern von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, bei der Abschlusskundgebung der Regenbogenparade auf die Bühne trat und der Community seine Unterstützung versprach. Er war der erste amtierende Kanzler Österreichs, der das tat. Seiner Rede folgte minutenlanger Applaus.
Aktuell regieren nicht die Sozialdemokraten in Österreich, sondern eine Koalition aus Österreichischer Volkspartei und Grünen. Wenn du einen Wunsch an die aktuelle Regierung hättest – welcher wäre es? Ich wünsche mir, dass Diskriminierung endlich ein Ende nimmt und dass die LGBTIQ-Community heterosexuellen Menschen in allen Lebensbereichen vollständig gleichgestellt wird. Absolute Gleichstellung darf nicht nur in der Theorie und in Gesetztestexten niedergeschrieben werden, sondern muss auch tatsächlich in der Realität gelebt werden. Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Identität ist noch immer legal. Das muss ein Ende haben und die Politik sollte klar Stellung beziehen, dass das nicht geduldet wird. Ein weiteres persönliches Anliegen wäre ein zeitgemässer, sachlicher Aufklärungsunterricht, der die gesamte Bandbreite menschlicher Sexualität, Identität und Lebensformen inkludiert. Wichtig sind Bildung, Sensibilisierung und Aufklärung für junge Generationen, die dann in ein paar Jahren die Spielregeln unserer Gesellschaft gestalten.
Also in puncto Diskriminierung, Rechte und Gleichberechtigung noch viel zu tun in Österreich? Auf jeden Fall. Wir haben in Österreich noch immer keinen vollen Diskriminierungsschutz. Laut aktueller Gesetzeslage darf ein Taxifahrer Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus dem Taxi werfen. Das ist nur ein Beispiel für Alltagsdiskriminierung. Es bräuchte auch umfassende Pakete gegen Hassverbrechen, von denen, wie in allen Teilen der Welt, auch in Österreich besonders die LGBTIQ-Community betroffen ist. Was mich persönlich auch sehr nachdenklich stimmt, ist, dass medizinisch nicht notwendige Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern noch immer erlaubt sind (MANNSCHAFT berichtete). Und das obwohl man weiss, dass das oft schwerwiegende gesundheitliche, körperliche und seelische Folgen hat. Damit passiert in Österreich de facto legalisierte Genitalverstümmelung.
1999 hast du begonnen, dich ehrenamtlich für die österreichische LGBTIQ-Szene zu engagieren. Inwiefern hat sich die Community seither verändert? In der Community, aber auch in der Gesellschaft allgemein hat sich viel getan. Das ist beispielsweise am früheren Coming-out vieler Menschen zu merken. In unserer Jugendgruppe der HOSI Wien sind die Jüngsten heute 13 Jahre alt. Das wäre 1999 kaum denkbar gewesen. Die Community ist offener und grösser geworden. Grösser insofern, dass sich mehr Menschen trauen so zu leben, wie sie sind. Positiv finde ich auch, dass die Anliegen von Frauen sowie transgender und intergeschlechtlichen Menschen sichtbarer geworden sind. Heute beschäftigen wir uns auch mehr mit Diskriminierung innerhalb der Community, wie zum Beispiel Rassismus, Sexismus oder Behindertenfeindlichkeit. Das bringt natürlich auch Konflikte mit sich, aber die sind wichtig, damit wir uns nach vorne bewegen und weiterentwickeln.
«Menschen glauben, ich könne nicht schwul sein, weil ich behindert bin!»
Schauen wir nach vorne: Wie wird die erste Wiener Regenbogenparade nach Corona? Es wird nicht nur die erste Regenbogenparade nach Corona (MANNSCHAFT berichtete), sondern auch die 25. Wiener Regenbogenparade sein. Also in jedem Fall ein Highlight und ein Jubiläum. Nach der COVID-bedingten Absage im Jahr 2020 freuen wir uns alle natürlich schon sehr auf die nächste Pride. Nach bald mehr als einem Jahr Krise wird es besonders wichtig sein, ein Zeichen für Vielfalt und Lebensfreude zu setzen.
Die weiteren Gewinner*innen:
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