«Gott zur Ehre»: LGBTIQ-Ausstellung in Missouri aus Staatsmuseum entfernt
Nach Protesten der religiösen Rechten wegen Missbrauch von Steuergeldern und Missachtung von Familienwerten wurde die Schau wieder abgebaut
Im US-Bundesstaat Missouri wurde im Kapitol eine Ausstellung zur LGBTIQ-Geschichte entfernt – nachdem sie nur vier (!) Tage zu sehen gewesen war. Grund: Ein religiöser Regierungsmitarbeiter hatte sich beschwert.
Es handelt sich um die Ausstellung «Making History: Kansas City and the Rise of Gay Rights». Diese wurde Anfang September im Missouri State Museum gezeigt, das sich im ersten Stock des Kapitols in Jefferson City befindet, der Hauptstadt des Bundesstaates. Kansas City liegt direkt in der Nähe.
Ursprünglich sollte die Schau bis Weihnachten – konkret bis zum 26. Dezember 2021 – zu sehen sein. Greg Razer (Demokrat), der einzig offen schwule Senator in der aktuellen Bundesregierung, sagt: «[Die Ausstellung] hat es gerade mal auf vier Tage gebracht, bevor Mitglieder der Legislatur in Wallung gerieten und die Verantwortlichen [vom Department of Natural Resources] klein beigaben, indem sie die Ausstellung entfernten. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes meine Geschichte zurück in den Schrank gesteckt.»
Das Department of Natural Resources ist in Missouri verantwortlich für die Parkanlagen im Bundesstaat, aber auch fürs Museum im Kapitol.
Im Wortsinn vor die Nase gesetzt Den Protest ins Rollen gebracht hatte der junge Uriah Stark, Assistent des republikanischen Repräsentanten Mitch Boggs. Stark beschwerte sich auf Facebook darüber, dass das Museum eine «LGBT Agenda» vorantreibe – und zwar «mit Steuergeldern». Wörtlich heisst es in seinem Post: «Es geht hier tatsächlich um Tafeln, die einem im Wortsinn vor die Nase gesetzt werden. Man kann nicht durchs Museum laufen, ohne sie zu sehen. Und sie sollen bis Ende Dezember stehen bleiben.»
Seinem Protest schlossen sich offensichtlich «mehrere gewählte Politiker» an. Denn kurz darauf feierte Stark das Entfernen der Ausstellung, indem er diesen Politikern dankte und schrieb: «To God be the Glory!» Also so etwas wie Gott sei Ehre und Ruhm.
Die teils namentlich genannten Politiker*innen hätten das Problem «bei den Hörnern» ergriffen und sich für «traditionelle Familienwerte» eingesetzt, meint Stark.
Erklärung verweigert Über die Vorfälle berichtete The Kansas City Star Anfang September, von Seiten der betroffenen Politiker und Verantwortlichen gab es keine Kommentare zu dem Artikel, schrieb kurz darauf das LGBTIQ-Magazin The Advocate. Eine Sprecherin des Department of Natural Resources habe sich sogar geweigert zu erklären, warum die Ausstellung vorzeitig abgebaut worden sei.
Organisiert und konzipiert hatten die Schau Studierende der University of Missouri-Kansas City. Man konnte auf portablen Bannern Texte lesen zur Arbeit der ersten LGBTIQ-Organisationen im Bundesstaat. Die Wanderausstellung wurde bereits seit 2017 an verschiedenen Orten gezeigt, es gibt auch eine Online-Version mit ausführlichen Hintergrundinformationen. (MANNSCHAFT berichtete über die Grundsteinlegung eines neuen LGBTIQ-Geschichtsmuseums in New York City.)
Nachdem «Making History» nun nicht im Kapitol und im Missouri State Museum zu sehen sein darf, äusserte sich diese Woche der Erfinder des «Gay and Lesbian History Month», den es seit 1994 gibt. Die Aktion hatte sich der aus Missouri stammende Lehrer Rodney Wilson ausgedacht. Er war im Jahr 2020 vom Missouri State Museum zum «Missouri Trailblazer» benannt worden, also zu einem wichtigen Vorreiter im Bundessstaat, zu dem es auch die Doku «Taboo Teaching: A Profile of Missouri Teacher Rodney Wilson» gibt.
Neue Welle von Anti-LGBTIQ-Aktivismus Wilson sagt in einem Kommentar fürs Magazin The Advocate, in dem Moment, wo er die triumphierenden Worte von Stark las, sei er an «die Kontroversen und Kämpfe einer vorherigen Ära» erinnert worden. Er mahnt, dass in den frühen 1990er-Jahren in seinem 800-Seiten-Lehrbuch zur US-amerikanischen Geschichte nur eine einzige LGBTIQ-Referenz zu finden gewesen sei. Stonewall, Harvey Milk und vieles andere gab es schlichtweg nicht im Lehrprogramm. Entsprechend wussten viele Menschen davon auch nichts.
Das sei 1994 der Auslöser dafür gewesen, den «Gay and Lesbian History Month» ins Leben zu rufen. Dass ausgerechnet im Jahr 2021 LGBTIQ-Geschichte neuerlich «gecancelt» wird, sieht Wilson als Beginn einer «neuen Welle von Anti-LGBTIQ-Aktivismus». (MANNSCHAFT berichtete darüber, wie Facebook die Seite des Schwulen Museum Berlin gesperrt hat.)
Wilson fragt auch, was für ein Signal es an junge LGBTIQ sende, wenn sie in der Zeitung lesen, dass ihre Geschichte «nicht erwünscht» sei von Seiten der Regierung und in staatlichen Einrichtungen. Er nennt das «niederschmetternd». Aber er sagt auch, dass diese Ereignisse umso mehr Grund seien, im Oktober den «LGBTQ+ History Month» zu begehen. Sein Ziel: so viele Schulen, Büchereien und Gruppen wie möglich sollten an LGBTIQ-Geschichte erinnern, besonders nach dem, was jetzt in Missouri passiert sei!
Es gibt da draussen immer noch Menschen, die uns in eine Zeit zurückführen wollen, wo in Geschichtebüchern LGBTIQ nicht vorkommt
«Es gibt da draussen immer noch Menschen, die uns in eine Zeit zurückführen wollen, wo in Geschichtebüchern LGBTIQ nicht vorkommt», sagt Wilson. Das müsse verhindert werden. Optimistisch stimme ihn, dass die jungen LGBTIQ «wagemutiger und kühner» seien als seine Generation. Und andere Wege finden werden, LGBTIQ-Geschichte in die Welt hinauszutragen. (MANNSCHAFT berichtete über den LGBT History Month in Ungarn und Braslien.)
In Berlin gibt es übrigens jeweils im Mai die Variante des «Queer History Month», mit einem etwas anderen politischen bzw. aktivistischen Fokus. (MANNSCHAFT berichtete über ein mögliches neues Queer Museum in Wien.)
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