Eheöffnung in Griechenland: Lesbische Paare wollen auf Lesbos heiraten
Interview mit Hochzeitsplanerin Gabriela Vati von Menta Weddings
Griechenland gilt vielen – seit Jahrhunderten – als zentraler Ort schwul-lesbischer Geschichte, als «Wiege» der Homosexuellenbewegung. Und so pilgern speziell Schwule und Lesben schon lange Richtung Ägäis (MANNSCHAFT berichtete), um die antiken Stätten zu besuchen, wo Sappho und Platon & Co. einst lebten und wirkten.
Besonders die Insel Lesbos, dicht vor der Küste der Türkei gelegen, ist eine Pilgerstätte für Lesben aus aller Welt, die nach Eresos kommen, um am Geburtsort der Dichterin Sappho der «Frauenliebe» zu huldigen. Dort findet jedes Jahr das Festival «Sappho Women» statt, zu dem tausende Frauen anreisen. Bislang liessen sich viele von ihnen auf Lesbos in einer symbolischen Zeremonie trauen. Doch seit Februar 2024 können gleichgeschlechtliche Paare in Griechenland auch ganz offiziell heiraten – trotz des Widerstands der griechisch-orthodoxen Kirche (MANNSCHAFT berichtete). Das wirkt sich überaus positiv auf den Hochzeitstourismus aus, wie Gabriela Vati von Menta Weddings erklärt. Sie und viele ihrer Kolleg*innen begrüssen die Möglichkeit, LGBTIQ jetzt auch ein richtiges «Big Fat Greek Wedding» anbieten zu können, im «Mamma Mia»-Stil. Und mit einer Heiratsurkunde des Standesamtes. Vati rechnet auch vor, mit welchen Kosten und bürokratischen Vorabreiten man rechnen muss.
Lesbos ist ein berühmter Ort lesbischer Geschichte. Gibt’s dort besonders viele LGBTIQ-Tourist*innen oder Einwohner*innen? Wir haben beides! (lacht) Nur um das klarzustellen: Lesbos ist die drittgrösste Insel Griechenlands, direkt vor der Küste der Türkei. Wir haben eine lange Geschichte, u.a. sind wir der einzige Ort weltweit, wo’s einen versteinerten Wald gibt. Die eine Hälfte unserer Insel ist wie eine Safari-Landschaft ohne Bäume, die andere Hälfte ist total grün und bewässert, teils mit heissen Quellen. Es ist eine wunderbschöne Insel, ein mystischer Ort, mit grosser Diversität, was die Verschiedenheit der Locations angeht. Viele sagen, hier gäbe es eine besondere Energie. Deswegen kommen viele zurück, die zuerst als Tourist*innen hergekommen sind, um hier zu wohnen. D.h. wir haben viele Ausländer*innen, die dauerhaft hier leben. Und viele von ihnen sind lesbische Frauen, die nach Eresos ziehen. Das ist die Geburtsstadt von Sappho. Dort findet auch jedes Jahr im September das «International Eressos Women’s Festival» stattfindet, wo Menschen aus aller Welt zusammenkommen und gemeinsam Spass haben. Auch Heteras.
Zieht das viele Leute an? Ich erinnere mich an einen Arbeitsbesuch in England. Auf dem Charterflug zurück von Manchester nach Lesbos sass ich im Flugzeug – und um mich herum waren ausschliesslich Frauen an Bord. Sie alle waren auf dem Weg zum Festival. Das war schon eine komische Erfahrung.
Heisst das, alle Schwulen reisen nach Mykonos und alle Lesben nach Lesbos? Vielleicht. (lacht) Mir hat eine lesbische Bekannte erzählt, dass alle Lesben mindestens einmal im Leben nach Lesbos reisen wollen. Das ist Pflichtprogramm!
Wie die Pilgerreise nach Mekka für Muslime? Ja, so was in der Richtung. Sappho hat viel über die Liebe zwischen Frauen geschrieben … und ihre hocherotischen Beschreibungen, obwohl sie schon über 2‘500 Jahre alt sind, hallen noch heute bei vielen nach.
Sie sind seit 2014 Hochzeitsplanerin: Gab’s schon vor der Eheöffnung in Griechenland LGBTIQ-Besucher*innen, die zu einer Zeremonie nach Lesbos kamen? Ich weiss von einem Frauenpaar, das sich symbolisch trauen lies in Eressos. Ich selbst habe für ein schwules Paar aus England eine solche symbolische Trauungszeremonie organisiert.
Jetzt ist die Gesetzeslage anders … gab’s einen Ansturm von LGBTIQ-Heiratswilligen? Nein. (lacht) Aber ich merke, dass mehr Anfragen kommen. Gestern bekam ich eine E-Mail von zwei Frauen aus den USA. Und dann gab’s noch weitere queere ausländische Personen, die wegen Hochzeiten für 2026 anfragten. Als Hetero kann man überall auf der Welt heiraten, wenn man seine Papiere hat. Das galt bislang auch für Menschen, die nach Griechenland kamen und in Lesbos oder Athen zum Standesamt gingen. Jetzt können das endlich auch gleichgeschlechtliche Paare tun, wenn sie die notwendigen Unterlagen für eine Eheschliessung haben. Und das ist grossartig!
Warum kommen Menschen extra nach Griechenland, um zu heiraten? Wahrscheinlich, weil sie das mit einer entsprechenden Hochzeitsfeier vor Ort kombinieren wollen. Eine Feier «im griechischen Stil», die etwas Besonderes bedeutet.
Was heisst das? Wir sind das erste orthodoxe Land, wo die gleichgeschlechtliche Ehe möglich ist, inklusive Adaption. Ausserdem spielt Griechenland allgemein in der LGBTIQ-Geschichte eine wichtige Rolle. Das ist hier ein sehr besonderer Ort, seit Jahrtausenden. Das gilt für Lesben und Lesbos im Besonderen. Wir sind hier nicht so touristisch überrannt. D.h. man kann hier viel «intimere» Hochzeitsfeiern veranstalten, wenn man nicht den ganz grossen Show-off-Splash will. Wir machen hier keine Massenproduktionshochzeiten.
Wie würden Sie eine Hochzeit «im griechischen Stil» beschreiben – ist das so wie im Film «My Big Fat Greek Wedding»? (lacht) Es kommen hier tatsächlich viele Menschen an mit einer DVD in der Hand und sagen: «So wollen wir das!» Aber die DVD ist «Mamma Mia». Ihr Traum ist, das, was man da sieht, in einer kleineren Ausgabe zu bekommen … Ich muss dann für sie eine Location am Meer finden, wo alle irgendwann ins Wasser springen können, genau wie im Musical. Sie wollen meist auch einen Esel, damit die Braut zur Hochzeitszeremonie reiten kann. Man braucht Lichterketten überall. Griechische Musik. Viel traditionellen Tanz. Und Ouzo.
Wo muss ich eigentlich hingehen, wenn ich als Tourist auf Lesbos heiraten will? Sie müssen zum Rathaus gehen und Ihre Papiere vorlegen. Danach muss man beim Standesamt die Urkunden unterschreiben. Am nächsten Tag ist – wo immer man will – die Hochzeit, zu der ein Standesbeamter kommt, um die Zeremonie durchzuführen.
Was kostet es mich, wenn ich so heiraten will mit Party «im griechischen Stil»? Ich habe keine speziellen Package-Deals, weil der Preis davon abhängt, was genau jemand will – wie viele Blumen, welches Essen, welche Location usw. Es gibt hier zum Beispiel eine Taverne, die recht günstig ist und ein Menü für zirka 30 Euro pro Person anbietet. Aber die haben keine Lichterketten und dergleichen mehr, das muss ich also woanders besorgen.
Wir sind nicht Mykonos, weswegen hier alles grundsätzlich günstiger ist
Manche heiraten im kleinsten Kreis und brauchen nur ein Blumenbouquet. Das kostet dann fast nichts. Andere kommen mit einer riesigen Hochzeitsgesellschaft, die viele Tische braucht, viele Stühle, viel Caterin. Und diese ganzen Gäste müssen ja auch irgendwo schlafen. Also kommen Hotelkosten dazu. Ich versuche also als Erstes mit Kund*innen zu klären, was sie konkret wollen – und dann mache ich eine Kalkulation. Wir sind nicht Mykonos, weswegen hier alles grundsätzlich günstiger ist als auf anderen touristisch stärker erschlossenen Inseln.
Was ist Ihnen seit der Eheöffnung aufgefallen? Ich glaube, unsere Standesämter sind im Schockzustand. (lacht)
Wieso Schock? Weil so viel Arbeit auf sie zurollt! Wenn Besucher*innen aus der EU kommen, hält sich der Papierkram ja einigermassen in Grenzen. Aber wenn Leute aus Übersee kommen, zum Beispiel aus den USA, dann bedeutet das für die Standesbeamten einen grossen Aufwand, all die Unterlagen durchzusehen. Das Gestöhne der Beamten war schon vorher gross. Jetzt ist es … noch grösser. (lacht)
Irgendwann wird das alles ganz selbstverständlich und «normal» sein
Werden Einheimische bevorzugt behandelt? Nein, wer zuerst kommt, bekommt auch als erstes einen Termin. Das Schöne ist, dass jetzt hier auf der Insel so intensiv darüber gesprochen wird. Viele befürworten die Eheöffnung, aber es gibt auch einige, die dagegen sind. Aber jetzt kann man diskutieren über etwas, was vorher immer ausgeblendet worden war. Sogar meine eigenen Eltern haben mit einzelnen Aspekten der neuen Lage Probleme (etwa mit dem Adoptionsaspekt), aber wir streiten uns jetzt beim Essen intensiv über all diese Fragen, die vorher nie auf dem Tisch waren. Und irgendwann wird das alles ganz selbstverständlich und «normal» sein. Jetzt ist es das noch nicht, weil es noch zu neu ist.
Gab’s unter griechischen Hochzeitplaner*innen Diskussionen, ob man LGBTIQ-Paare abweisen sollte, wenn man aus welchen Gründen auch immer die Eheöffnung ablehnt? Nein, das habe ich nicht mitbekommen. Stattdessen haben mich ausländische Hochzeitsplaner*innen angerufen und gefragt, ob ich kooperieren möchte, weil bei ihnen Kunden eine Hochzeit auf Lesbos buchen wollen, sie mit Griechenland aber keine Erfahrung haben. Natürlich habe ich ja gesagt. Für uns hier ist diese neue Situation eine unglaubliche Chance – um mehr Menschen zu uns nach Lesbos zu holen und mit ihnen diese wunderschönen Orte zu teilen, die wir hier haben. Orte, die unglaublich tolle Hochzeitsbilder möglich machen. Und ein anderes Lesbos-Bild in die Welt hinaustragen, als es zuletzt die Bilder von den Flüchtlingslagern getan haben. Es zirkulieren noch immer viele unschöne Bilder von Lesbos. Und jetzt können wir dem etwas anderes entgegensetzen. Denn Lesbos ist eine grossartige Insel. Und es ist Zeit, wieder das Positive hier zu sehen.
In «Elska Athens» geht der Fotograf Liam Campbell der Frage nach, wie «durchschnittliche» queere Griechen aussehen (MANNSCHAFT berichtete).
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