Dem bekanntesten OnlyFans-Star Singapurs drohen 21 Monate Gefängnis
Der bisexuelle Titus Low hat gegen das Obszönitätsgesetzt des Landes verstossen
Der 22-jährige Titus Low ist laut Los Angeles Times «der berühmteste OnlyFans-Performer aus Singapur». Sein enormer Erfolg führte allerdings dazu, dass ihm jetzt 21 Monate hinter Gittern drohen.
Das bisexuelle Modell habe mit seinem opulenten Lifestyle und seinem jungenhaften Aussehen viele Follower*innen angezogen, heisst es. Damit einher ging allerdings eine grosse öffentliche Sichtbarkeit, die die Behörden in Singapur irgendwann nicht mehr ignorieren konnten. In einem Profilartikel schrieb die LA Times Anfang April, dass Lows Bekanntheitsgrad Singapur in eine Identitätskrise gestürzt habe.
Denn: Das Land umarmt zwar einerseits westliche Werte und Lebensweisen, behandelt aber Sex weiterhin als Tabu. Das gelte besonders für schwule und bisexuelle Männer: denn nicht-heterosexueller Sex gilt in Singapur als gesetzeswidrig. Gleichzeitig ist Sexarbeit zwischen heterosexuellen (cis) Frauen und Männern jedoch erlaubt, das Land locke viele Touristen mit seiner «high-class escort industry» an, also Prostitution in der gehobenen Preisklasse. (MANNSCHAFT berichtete darüber, dass das Zeigen eines schwulen Kusses im nationalen Fernsehen als «Akt der Revolution» angesehen wurde.)
Im Gegensatz zu anderen asiatischen Staaten hat Singapur soziale Medien nicht eingeschränkt oder verboten. Einwohner*innen von Singapur haben Zugang zu Instagram, TikTok, Facebook, OnlyFans, YouTube und weiteren Portalen. Titus Low hatte sich bei Instagram bereits eine grössere Gefolgschaft aufgebaut, bevor er im April 2021 einen OnlyFans-Kanal startete, heisst es.
Freizügige Fotos hinter Bezahlschranke Das Modell dachte, seine sexuell freizügigen Fotos und Filme dort würden vor der breiteren Öffentlichkeit verborgen bleiben, weil sie ja hinter einer Bezahlschranke nur für Abonnent*innen zugänglich sind. Low glaubte daher, keine Schwierigkeiten mit Gesetzeshütern zu bekommen.
Damit wurde er im Land so bekannt, wie das sonst nur Minister der Regierung sind oder Top-Badminton-Spieler
In nur drei Monaten habe er bei OnlyFans tausende Follower gewinnen könne, heisst es. Entsprechend hoch waren seine Einnahmen. Dieser Cashflow sorgte dafür, dass sich Low fortan einen noch luxuriösen Lebensstil leisten konnte, den er dann auf seinen anderen Social-Media-Kanälen mit der Öffentlichkeit teilte. Und so noch mehr Follower anlockte. «Damit wurde er im Land so bekannt, wie das sonst nur Minister der Regierung sind oder Top-Badminton-Spieler», schreibt die LA Times.
Das war dann der Moment, wo die Behörden aufmerksam wurden. Im vergangenen September begannen Ermittler*innen ein Strafverfahren gegen Low vorzubereiten, nachdem sie einen anonymen Tipp bekommen hatten.
Im November 2021 kam es zu einer Razzia, dabei wurden in Lows Wohnung verschiedene Objekte beschlagnahmt. Die Polizeibeamten warnten Low damals, sich von OnlyFans fernzuhalten. Aber Low ignorierte diese Warnung und postete noch im gleichen Monat neues Material auf der Abo-Seite. Im Dezember wurde er daraufhin verhaftet.
«Ich habe nichts falsch gemacht», sagt Low der Los Angeles Times. «Wenn ich jemanden verletzt hätte, dann würde ich eine Gefängnisstrafe verdienen. Aber dies fühlt sich völlig ungerechtfertigt an.» (MANNSCHAFT+ sprach mit einem Berliner Supermarktfilialleiter, für den OnlyFans ein Balanceakt zwischen Online-Prostitution und Selbstverwirklichung ist.)
Handschellen und Polizeigewahrsam In einem BBC-Interview erzählt er, wie er verhaftet wurde: «Sie legten mir Handschellen an und nahmen mich in Polizeigewahrsam. Ich hatte grosse Angst, und sie behandelten mich als sei ich ein Schwerverbrecher.»
In Singapur ist es gesetzlich verboten, sogenanntes «obszönes» Material zu versenden oder damit finanziellen Gewinn zu machen. Es gilt bereits als Gesetzesverstoss, wenn zwei Erwachsene sich im gegenseitigen Einvernehmen Nacktfotos schicken. In Lows Fall argumentieren die Behörden, dass «verstörende pornografische Inhalte», die er seinen OnlyFans-Abonnent*innen zu Verfügung gestellt hat, eine Gesetzesübertretung seien.
Der Fall hat weit über Low hinaus Bedeutung; er selbst ist momentan gegen Kaution wieder auf freiem Fuss. Denn durch die mediale Aufmerksamkeit, die Lows Fall generiert hat, sind viele weitere OnlyFans-Persönlichkeit in Panik geraten. Es würden inzwischen Listen von OnlyFans-Performer*innen aus Singapur zirkulieren, heisst es, mehrere Personen hätten bestätigt, dass versucht worden sei, sie zu erpressen.
Sexspielzeugserie und Dokumentarfilmpläne Um sich auf der Schusslinie zu nehmen, lasse Low seine OnlyFans-Aktivitäten momentan ruhen und konzentriere sich auf seine anderen Social-Media-Kanäle. Er habe zudem angefangen, seine eigene Serie von Sexspielzeug auf den Markt zu bringen, natürlich modelliert nach seiner eigenen Anatomie.
Er denke auch darüber nach, ins Ausland zu gehen, um weiterer Strafverfolgung wegen seiner Online-Aktivitäten zuvorzukommen.
Vorerst bleibe er jedoch in Singapur und müsse sich mit der Möglichkeit einer Gefängnisstrafe sowie Geldbussen auseinandersetzen, heisst es. Der Los Angeles Times sagte Low, dass er hoffe, durch den Medienrummel seine Online-Gefolgschaft zu erweitern – und dass er es begrüssen wurde, wenn es zu seinem Fall einen Dokumentarfilm gäbe. (MANNSCHAFT berichtete über neue Romane, die asiatischen Männern Sichtbarkeit auf dem internationalen Buchmarkt verschaffen.)
Er würde es begrüssen, wenn es zu seinem Fall einen Dokumentarfilm gäbe
Er spielt damit vermutlich auf Serienformate wie «Tiger King» und «Coming Out Colton» an bzw. auf Spielfilme wie «King Cobra» über Pornodarsteller Sean Paul Lockhart, besser bekannt als «Brent Corrigan».
Das könnte dich auch interessieren
Kurznews
Berliner Polizei rät Queers in bestimmten Gegenden zu mehr Vorsicht
Viele Menschen jüdischen Glaubens sagen, dass sie bestimmte Berliner Gegenden nicht mit sichtbaren Symbolen betreten, Queers agieren ähnlich. Polizeipräsidentin Barbara Slowik spricht von nötiger Wachsamkeit.
Von Newsdesk/©DPA
Polizei
Deutschland
Unterhaltung
Basketballer muss nach homophober Äusserung hohe Strafe zahlen
Dieses Interview war teuer. LaMelo Ball hat sich schwulenfeindlich geäussert und wurde deshalb von der NBA zur Kasse gebeten. Die Liga verhängte die höchstmögliche Strafe.
Von Newsdesk/©DPA
Kurznews
Sport
Gesellschaft
Furry Fandom
Unterwegs in Ulm: Als Furry durch die Nacht
Jayden und Patrik sind Furries. In ihrer Freizeit schlüpfen sie in Tierkostüme und verhalten sich entsprechend ihrer Furry-Charaktere. Einblicke in eine Szene, die noch relativ unbekannt ist.
Von Newsdesk/©DPA
Queer
Deutschland
TIN
Community
Schutzhäuser für Queers: Nur nicht kleben bleiben
Vor ein paar Monaten wurde in Zürich das Haven99, das erste Deutschschweizer Haus für LGBTIQ, eröffnet. Die Casa Resistencias, eine analoge Institution in Rio de Janeiro, existiert bereits seit zwei Jahren.
Von Cesare Macri
LGBTIQ-Organisationen
Schweiz