Das Jahr 2020 wird nie Germany’s Next Topmodel!
... und gewiss auch nicht in Österreich oder der Schweiz
Auch die dunkelste Stunde hat nur 60 Minuten, meint Marcel Mann. Das soll vermutlich optimistisch klingen … Dabei gibt sich der Comedian in der neusten Ausgabe seiner Mannstruation-Kolumne wirklich Mühe, von wegen Glas halb voll. Und was seinen Liebeskummer vom letzten Mal betrifft: Nun, es gibt viele Fische im Meer.
Es ist 23:50 Uhr, Lewis Capaldi singt zum fünften Mal in Folge «Someone you loved», und ich sollte den ganzen Tag meine Kolumne fertig schreiben (okay, eigentlich schon seit mehreren Tagen), aber ich musste leider aus gegebenem Anlass sieben Stunden auf dem Sofa verbringen, eine in der Badewanne und den Rest im Bett. Die Gründe sind 2020. Ihr wart dabei.
Künstliche Intelligenz gegen Einsamkeit – wie verrückt bin ich?
Momentan bin ich da kein Unikat aber trotzdem sage ich es laut (bitte nun kurzzeitig eure Vorstellungskraft bemühen) DAS JAHR 2020 WIRD NIE GERMANY’S NEXT TOPMODEL!!! Das meine ich völlig genderneutral … So, jetzt geht’s mir besser.
Meine aktuelle Lage: Corona, der Herbst im allgemeinen, ein gebrochenes Herz und Sodbrennen. Sobrennen auf englisch: Heartburn. Also mein gebrochenes Herz brennt. Hier Michelle, ein neuer Song für dich! Vielleicht hilft dir Kristina Bach mit der Melodie. Die Melodie meines Gemütszustandes ähnelt der von Spielshows, wenn die Kandidaten sich zur Schadenfreude des Publikums für das falsche Tor und somit den Trostpreis entschieden haben. Meine Laune ist schlecht und ich schäme mich nicht dafür. Doch bleiben wir optimistisch in unserem Trübsal.
Gemeinsam stark – Das sind 15 queere Powerpaare
Natürlich habe ich dieses Jahr einiges gelernt. Zum Beispiel dass mir ein Mann mittwochs um 15:19 Uhr mitteilen kann wie schön er es fände mich jetzt zu umarmen, dies um 19:25 Uhr jedoch nicht mehr von grosser Bewandnis für sein weiteres Körperkontaktkonto zu sein scheint. Im Grunde war nichts in den vorherigen Monaten von Bedeutung, aber trotzdem alles im jeweiligen Moment so gemeint. Schwule Logik. «Ich hab dich lieb» heisst «Ich hab dich jetzt/derzeit/momentan lieb» und nicht, dass ich dich gleich auch noch lieb hab. Man darf doch wohl noch seine Meinung ändern. Das ist hier doch keine Amore-Diktatur!1!
Ich konnte mich somit direkt an der Front davon überzeugen dass es immer noch richtig mies sein kann einen schwulen Mann in Berlin zu daten. Ähnlich effizient wie beim Waldorfweihnachtsbasar neben dem veganen Büffet zu stehen und in den Raum zu rufen wie toll es sich anfühlt nun selbst im Hinterhof Katzen für den eigenen Verzehr zu schlachten. Nur noch unverbindlicher. Ja der Zwischen-den-Zeilen-Leser kriegt es mit. Ein bisschen Groll ist dabei. Neben der Enttäuschung.
Wir sind also, was die Phasen der Trauer angeht, auf dem richtigen Weg. Aber keine Panik – mein Glas ist halb voll. Mit Nagellackentferner. Und da die Nagelstudios bald für ein Weilchen geschlossen bleiben, keine so schlechte Ressource. Ausserdem habe ich gelernt wie ungeübt mein Umfeld mit soliden Ratschlägen und Beistand ist. Daran sollten wir im kommenden Lockdown arbeiten. 😉 Aber nur für den Fall: Es gibt viele Fische im Meer. Leider halt auch viel Plastikmüll. Die fancy Pandemie, die keiner von uns zum Essen eingeladen hat, könnte natürlich auch etwas mit einer grundsätzlichen Delle in meinem Endorphinhaushalt zu tun haben. Neben dem Herbst.
Die letzten Jahre konnte ich mich mit circa 100 Aufritten im Jahr ablenken. Mit Ablenken meine ich Lebensmittel, Miete und Duftkerzen bezahlen. Jetzt stinkt mir das Berufsverbot so langsam. Noch muss ich mir aber kein Geld für Johanniskrautdragees leihen. Solange es genug Netflix-Serien gibt, sind wir aber noch weit von der Gründung einer Telegram-Gruppe entfernt. Mir geht’s einfach so mittel aber trotzdem grüsse ich die Kassiererin im Supermarkt, die Postbotin und meine Mutter am Telefon. Wäre meine Mutter Alice Weidel, sähe das natürlich anders aus.
Das Phänomen Randy Rainbow: Trump-Bashing mit schwuler Musiksatire
Klar könnte ich mir ein Selbsthilfebuch zum Thema «Liebe dich selbst, sonst tut es keiner» oder «Achtsamkeit für Egoisten» kaufen. Oder mich stattdessen daran erinnern, dass meine Eltern mir beigebracht haben kein Arschloch zu sein. Aber wohin dann mit den gesparten 15 Euro … Ihr habt zu lange drüber nachgedacht. Hab mir schon zweieinhalb Flaschen Rotwein besorgt.
Auch gute Menschen haben schlechte Laune, denn schlechte haben viel zu oft gute. Freunde, ich muss mich wieder hinlegen und mich dem Schicksal ergeben. Aber danke dass ihr mit dem Reisebusunternehmen «Jammern auf hohem Niveau» gefahren seid.
Weitere Kolumnen von Marcel Mann findest du hier.
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