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Bye-bye, Kuppelei: Das Ende der sexfeindlichen Spiessermoral

Ein Blick zurück auf den Kampf für sexuelle Selbstbestimmung

Bisexuelle und Schwule in Schottland
Foto: AdobeStock

Unter Kuppelei verstand das Gesetz früher die Förderung und Tolerierung von Sex ausserhalb einer Ehe. Erst vor 50 Jahren fiel der «Kuppelei-Paragraf» – ebenso wie ein absurdes Gesetz gegen Schwule.

Die heute unter 60-Jährigen wissen höchstens noch aus Erzählungen oder Filmen, dass man früher bei der Buchung eines Doppelzimmers als Paar eine Ehe nachweisen musste. Auch wenn einem*r Wirt*in oder dem Hotelpersonal egal gewesen sein sollte, was die Gäste im Zimmer tun wollten: Die Gesetzgebung war der Meinung, Sex gehöre nur in die Ehe (damals lediglich Mann und Frau). Wer einen Raum für ausserehelichen Sex zur Verfügung stellte, machte sich laut Strafgesetzbuch der «Kuppelei» schuldig. Vor 50 Jahren wurde in der Bundesrepublik die Kuppelei in Bezug auf Erwachsene abgeschafft.


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Am 7. Juni 1973 verabschiedete der (SPD/FDP-dominierte) Bundestag ein neues Sexualstrafrecht – gegen die Stimmen der CDU/CSU-Opposition. Bei Paragraf 184 erfolgte zum Beispiel auch die Umbenennung von «unzüchtige» in «pornographische» Schriften. Das Sexualstrafrecht wurde auch dahingehend geändert, dass nicht mehr von «Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit» die Rede war, sondern von «Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung».


So geht es auch in der heutigen Version des Kuppelparagrafen um den Schutz der individuellen sexuellen Selbstbestimmung. Paragraf 180 (Delikt «Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger») soll dem Jugendschutz dienen, ausserdem will der Gesetzgeber unter 18-Jährige vor einem Abgleiten in die Prostitution bewahren.

Im gleichen Zug, wie vor 50 Jahren der Kuppelei-Paragraf entschärft wurde, wurde auch (mit Gültigkeit ab November ’73) schwuler Sex weiter entkriminalisiert. Dazu stand über Paragraf 175, den die DDR 1968 schon ganz gestrichten hatte, jetzt auch nicht mehr der Ausdruck «Unzucht zwischen Männern», sondern «Homosexuelle Handlungen». Nachdem in der Bundesrepublik 1969 zunächst nur homosexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern über 21 Jahren straflos gestellt worden waren, gab es nun Straflosigkeit ab 18.

Das Gesetz unterschied aber nach wie vor zwischen Hetero- und Homo-Sex. Die westdeutsche Logik war, dass Jugendliche zwar mit 16 die Reife besitzen, sich frei und selbstbestimmt für das andere Geschlecht zu entscheiden, jedoch erst mit 18 für das eigene. Erst 1994 fiel der Paragraf 175 für ganz Deutschland weg.


Erinnert sei an eine absurde Rechtslage in der Bundesrepublik zwischen 1969 und 1973 – eine doppelte Schutzaltersgrenze für Sex unter Männern. Täter konnte nur ein Mann über 18, Opfer nur ein Mann unter 21 Jahren sein. Wenn also beide Männer über 21 oder unter 18 Jahren waren, wurde keiner bestraft. War ein Mann über 21, der andere unter 21, so wurde nur der Ältere bestraft. Wenn beide zwischen 18 und 21 waren, machten sich beide strafbar.


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Die Reform des Sexualstrafrechts 1973 fand übrigens gar nicht mit so grosser Mehrheit statt, wie man 2023 annehmen könnte. Mit 254 zu 203 Stimmen bei einer Enthaltung stimmte der Bundestag am 7. Juni zu (von den 518 Abgeordneten des 7. Bundestags waren 60 beurlaubt).

Mit der Denke von heute kann man wohl sagen: Vor 50 Jahren endete – weitgehend – die per Gesetz verankerte sexfeindliche Spiessermoral.

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