Bisher nur acht §175-Opfer in Berlin rehabilitiert – «beschämend»
Das geht aus einer am Montag bekannt gewordenen Antwort des Berliner Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor
Vor einem Jahr wurde im Deutschen Bundestag das „Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen beschlossen“. In den ersten neun Monaten nach Inkraftetreten des Gesetzes sind in der Hauptstadtn acht homosexuelle Justizopfer rehabilitiert worden. Das geht aus einer am Montag bekannt gewordenen Antwort des Berliner Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor.
Dazu teilt der Sprecher für Queer- und Antidiskriminierungspolitik der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Abgeordnetenhaus von Berlin, Sebastian Walter, mit:
„Mit dem Ergebnis der Anfrage liegen zum ersten Mal konkrete Zahlen für Berlin vor, wie viele der nach 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Männer einen Antrag auf Erteilung einer Rehabilitierungsbescheinigung gestellt haben.
Das Ergebnis ist bestürzend
Das Ergebnis ist bestürzend: Bis zum 24. April 2018 sind lediglich zwölf Anträge eingegangen. Davon ist bei acht Fällen eine Bescheinigung erteilt worden. In einem Fall verstarb der Antragssteller während des Antragsverfahrens.
Es ist im höchsten Grade beschämend für diesen Rechtsstaat, dass das Rehabilitierungsgesetz zu spät gekommen ist, wie die vorliegenden Zahlen belegen. Die meisten der nach dem Schandparagrafen 175 verurteilten Männer sind bereits verstorben, ohne dass ihnen zu Lebzeiten Gerechtigkeit widerfahren ist. Mit diesem Fakt müssen diejenigen Regierungsparteien auf Bundesebene leben, die sich viel zu lange einer Rehabilitierung verweigert haben.
Umso wichtiger ist es nun – gerade in Berlin –, die noch lebenden Opfer der west- wie ostdeutschen Homosexuellenverfolgung besser und insbesondere niedrigschwellig über ihre rechtlichen Möglichkeiten zu informieren und sie bei der Beantragung einer Rehabilitierungsbescheinigung und der Entschädigung zu unterstützen. Da sind Senat und Bundesregierung gefordert.
Gesetz muss reformiert werden! Das Rehabilitierungsgesetz auf Bundesebene muss rasch reformiert und erweitert werden: Auch nicht verurteilte Opfer, die wegen eines Ermittlungs- und Strafverfahrens Schaden erlitten haben (zum Beispiel den Verlust ihres Arbeitsplatzes), müssen eine angemessene Entschädigung erhalten können. Darüber hinaus ist eine angemessene Kollektiventschädigung geboten. Sie sollte insbesondere Projekte fördern, die der Verbesserung der Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen im Alter dient.“
Walter weist in seiner Pressemitteilung daraufhin, dass für eine Entschädigung bundesweit das Bundesamt für Justiz zuständig sei. Für die Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung aber zeichne die örtliche Staatsanwaltschaft verantwortlich, die im Bezirk des Gerichts liegt, das das aufgehobene Urteil erlassen hat. Eine Rehabilitierungsbescheinigung werde benötigt (alternativ eine Ausfertigung des aufgehobenen Urteils, so noch vorhanden), um eine Entschädigung aufgrund einer Verurteilung oder Unterbringungsanordnung zu beantragen. Für eine darüber hinausgehende Entschädigung aufgrund einer Freiheitsentziehung seien weitere Belege notwendig.
Schriftliche Anfragen der Bundestagsfraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE aus Januar und Februar 2018 hätten ergeben, dass seit Inkrafttreten des „StrRehaHomG“ bundesweit nur 79 bzw. 81 Anträge auf Entschädigung eingegangen sind, so der Grünen-Politiker. Davon wurden 53 bzw. 54 Anträge positiv beschieden. Eine regionale Aufschlüsselung sei bislang nicht bekannt. Diese liege nun mit der Beantwortung der Anfrage zum ersten Mal für Berlin vor, so Walter.
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