Beim EU-Gipfel droht Streit über Ungarns Anti-LGBTIQ-Gesetz
Eigentlich haben die Staats- und Regierungschefs schon eine Reihe schwieriger Themen auf der Tagesordnung
Corona, Migration, Russland, Türkei: Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen haben viele heikle Themen auf der Tagesordnung. Einigkeit ist gefordert. Doch ein emotionaler Streit entzweit die Gemeinschaft: Der Streit über die mögliche Diskriminierung sexueller Minderheiten in Ungarn droht den EU-Gipfel am Donnerstag zu überschatten.
EU-Ratschef Charles Michel wolle die Möglichkeit zur Diskussion geben, da das Thema grosse Emotionen auslöse, sagte ein EU-Vertreter am Mittwoch in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs sollten «lieber miteinander als übereinander sprechen».
Eigentlich haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs schon eine Reihe schwieriger Themen auf der Tagesordnung, darunter das Verhältnis zu Russland und zur Türkei sowie die völlig festgefahrene europäische Flüchtlingspolitik. In dem Zusammenhang geht es auch um weitere Hilfen für Geflüchtete aus Syrien in der Türkei. Die EU-Kommission hat einen Betrag von weiteren drei Milliarden Euro bis 2024 ins Gespräch gebracht.
Topthema ist auch nach wie vor der Kampf gegen die Corona-Pandemie und eine bessere Koordinierung der 27 Staaten bei Öffnungsschritten und Reisefreiheit. Merkel hatte am Dienstag kritisiert, dass es «noch nicht gelungen ist, ein ganz einheitliches Verhalten der Mitgliedsstaaten bezüglich der Reisebestimmungen zu haben». Sie verwies auf Portugal und die Massnahmen gegen die Deltavariante des Coronavirus.
Vor allem in der nun kurzfristig entbrannten Debatte über Rechte sexueller Minderheiten steckt jedoch eine Menge Sprengstoff für die Gemeinschaft der 27 Staaten. In der Kritik steht vor allem Ungarn wegen eines neuen Gesetzes: Der vorige Woche beschlossene Entwurf sieht ein Verbot von Publikationen vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus soll Werbung verboten werden, in der LGBTIQ als Teil des normalen gesellschaftlichen Lebens erscheinen (MANNSCHAFT berichtete).
Deutschland und zwölf weitere EU-Staaten hatten sich gegen das Gesetz gewandt und die EU-Kommission zum Handeln aufgefordert. Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte daraufhin mögliche rechtliche Schritte gegen das ungarische Gesetz an, das sie als Schande bezeichnete.
Österreich hatte die Erklärung vorerst nicht unterstützt. Zuständig für eine Unterschrift wäre ÖVP-Europaministerin Karoline Edtstadler. Wie u.a. der Standard berichtet sagte sie auf Nachfrage zuerst, dass sie das Gesetz «wirklich besorgniserregend» finde, doch wollte sie noch kein «abschliessendes Urteil» abgeben. Das sorgte für laute Kritik aus der Gesellschaft und von der Opposition. Mario Lindner, LGBTIQ-Sprecher der SPÖ, bezeichnete es als «beschämend, dass die österreichische Regierung diese Erklärung nicht mit unterzeichnet». Daraufhin ruderte die Regierung zurück und kündigte an, die Erklärung doch zu unterzeichnen.
Kritik von von der Leyen ist eine «Schande»
Ministerpräsident Viktor Orban wies Kritik im Gespräch mit der dpa zurück und betonte, die Rechte von Homosexuellen würden vom ungarischen Staat aktiv geschützt. Seine Regierung bezeichnete wiederum von der Leyens Kritik an dem Gesetz als «Schande»
«Das kürzlich beschlossene ungarische Gesetz schützt die Rechte der Kinder, garantiert die Rechte der Eltern und betrifft nicht die Rechte auf sexuelle Orientierung von Über-18-Jährigen», heisst es in einer Erklärung, die am Mittwoch in Budapest veröffentlicht wurde. Die Kritik an dem Gesetz sei auf «falsche Tatsachen» gegründet, da der Rechtsakt «keine diskriminierenden Elemente enthält». Der Begriff «Schande» fällt in der kurzen Erklärung gleich drei Mal.
Von der Leyen hatte das kürzlich gebilligte Gesetz am Mittwochvormittag ihrerseits als «Schande» bezeichnet (MANNSCHAFT berichtete). Es diskriminiere Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und verstosse gegen fundamentale Werte der Europäischen Union. Sie kündigte ein entschiedenes Vorgehen der Kommission an.
Das Gesetz, das noch von Staatspräsident Janos Ader unterzeichnet werden muss, sieht unter anderem ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhaltsträgern vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht.
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