Angriff auf schwules Paar in Dresden: Der Mordprozess beginnt
Bundesanwaltschaft: Er habe die beiden Männer als «Repräsentanten einer vom ihm als ‘ungläubig’ abgelehnten freiheitlichen und offenen Gesellschaftsordnung mit dem Tode» bestrafen wollen
Anschläge radikaler Islamisten haben in Europa und anderswo immer wieder Bestürzung und Trauer ausgelöst. Nun steht ein Mann in Dresden vor Gericht, den die Behörden schon seit Jahren als islamistischen Gefährder auf dem Schirm hatten. Er hat im Oktober ein schwules Paar angegriffen und einen der beiden getötet.
Ein radikaler Islamist aus Syrien muss sich ab Montag (09.00) am Oberlandesgericht Dresden für eine tödliche Messerattacke auf Touristen verantworten. Bei dem Verbrechen war am 4. Oktober 2020 ein 55 Jahre alter Mann aus Krefeld getötet worden, sein 53-jähriger Partner aus Köln erlitt schwere Verletzungen (MANNSCHAFT berichtete). Die Bundesanwaltschaft wirft dem 21-jährigen Syrer Mord, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung vor. Er habe die beiden Männer als «Repräsentanten einer vom ihm als ‚ungläubig‘ abgelehnten freiheitlichen und offenen Gesellschaftsordnung mit dem Tode» bestrafen wollen.
Der 21-Jährige habe die Männer für ein homosexuelles Paar gehalten und sie für aus seiner Sicht «schwere Sünde» mit dem Tode bestrafen wollen, sagte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft zum Auftakt vor dem Staatsschutzsenat. Davon abgesehen wird das mutmasslich homophobe Motiv von den Behörden häufig nicht kommuniziert (MANNSCHAFT berichtete).
Zum Prozessauftakt erklärte Jens Brandenburg, LGBTI-politischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: «Der homosexuellenfeindliche Mord in Dresden war ein Anschlag auf unsere tolerante und freiheitliche Gesellschaft. Kein Urteil der Welt kann das ungeschehen machen. Aber der heutige Prozessbeginn ist ein erster Schritt der juristischen Aufarbeitung, die hoffentlich auch den Hinterbliebenen hilft.» Für die deutsche Innenpolitik müsse das Attentat ein Anlass sein, sehr viel entschlossener gegen homo- und transfeindliche Hasskriminalität vorzugehen, so Brandenburg.
Auch nach der Tat war zunächst von einem möglichen schwulenfeindlichen Motiv nicht die Rede gewesen, wie u. a der LSVD kritisierte. «Statt öffentlicher Empathie und Solidarität wurde jedoch der Hass auf Schwule als mögliches Tatmotiv von Polizei, Staatsanwaltschaft und Ministerien verschwiegen.» Dieses Schweigen bagatellisiere Gewalt gegen LGBTIQ, mache sie unsichtbar und wiederholte so ein zentrales Muster von Homo- und Transfeindlichkeit, so LSVD-Sprecher Markus Ulrich gegenüber der taz. Dieser Einschätzung schlossen sich u.a. auch die Grünen an (MANNSCHAFT berichtete).
Der junge Mann, der 2015 als Flüchtling nach Deutschland kam, kennt den für Staatsschutzverfahren genutzten und besonders gesicherten Gerichtssaal bereits. 2018 hatte ihn das Oberlandesgericht Dresden zu einer Jugendstrafe verurteilt, weil er für das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS) geworben hatte. Die Behörden hatten ihn seit August 2017 als islamistischen Gefährder auf dem Schirm. 2019 war ihm der Status als Flüchtling aufgrund seiner Straftaten aberkannt worden, hiess es. Wegen eines geltenden Abschiebestopps konnte er nach Behördenangaben aber nicht ausser Landes gebracht werden.
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Nach seiner Entlassung aus dem Jugendgefängnis am 29. September 2020 war der mutmassliche Täter observiert worden, aber nicht rund um die Uhr. Deshalb gab es auch Kritik an der Arbeit der sächsischen Sicherheitsbehörden. Nach der Bluttat am 4. Oktober konnte er zunächst unerkannt entkommen. Knapp drei Wochen später wurde er gefasst und befindet sich seither in Untersuchungshaft. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichtes hat bis Ende Mai zwölf Verhandlungstermine geplant.
«Radikal-islamistische Angriffe sind Angriffe auf unsere Demokratie, auf unser friedliches Miteinander. Die strafrechtliche Aufarbeitung ist ein wichtiger Schritt, um Unrecht zu sühnen und Gerechtigkeit wiederherzustellen», erklärte Sachsens Opferbeauftragte Iris Kloppich wenige Tage vor Prozessbeginn. Es sei von grundlegender Bedeutung, dass diese verabscheuungswürdige Tat strafrechtlich aufgearbeitet wird: «Das ist absolut unverzichtbar für die Opfer und deren Angehörige, für alle betroffenen Zeugen und Ersthelfer und für unsere Gesellschaft insgesamt.»
«Uns ist bewusst, dass sich das geschehene Leid durch einen Prozess nicht aus der Welt schaffen lässt. Es bleiben tiefe Wunden», betonte Kloppich. Gerade deshalb sei es wichtig, Betroffene auch künftig mit allen Kräften zu unterstützen und für Demokratie einzustehen.
Am Tatort in Dresden soll ein Erinnerungsort entstehen (MANNSCHAFT berichtete).
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