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Abstimmung verschlafen: Keine LGBTIQ-Nachhilfe für Zürcher Polizei

Nach der verpatzten Abstimmung im Kantonsrat fliegen die Fetzen

Polizei
(Foto: Ennio Leanza/dpa)

Obwohl die Kommission eine LGBTIQ-Ausbildung für Polizist*innen befürwortete, kam die Vorlage nicht durch den Zürcher Kantonsrat. Es fehlten Stimmen aus der GLP und EVP – die Juso ist wütend.

Die Kommission für Staat und Gemeinden (STGK) Zürich forderte regelmässige und obligatorische LGBTIQ-Lektionen für Beamt*innen, Staatsanwält*innen und Gerichtsmitarbeitende (MANNSCHAFT berichtete). Die bisherigen Doppellektionen von Polizist*innen von PinkCop Schweiz, die bereits jetzt fest im Polizei-Lehrplan stehen, waren der Kommission zu wenig.

Wie die Kommissionsmehrheit (8 zu 7 Stimmen) aus SP, GLP, Grünen und EVP mitteilte, würden die beiden Sensibilisierungslektionen in der Polizeiausbildung «bei weitem» nicht ausreichen. Zudem müsse das Angebot auf weitere Mitarbeitende der Strafverfolgungsbehörden – also Staatsanwaltschaft, Gerichte oder Ombudsstellen – ausgeweitet werden.

Verpatzte Abstimmung
Am vergangenen Montag wurde der Antrag im Kantonsrat jedoch überraschend mit 79 zu 85 Stimmen abgelehnt. Eigentlich hätten die befürwortenden Parteien im Rat die Mehrheit – was war passiert? Sofia Rohrer, Co-Präsidentin der Stadtzürcher Juso, glaubt zu wissen, wer an der verpatzten Abstimmung die Schuld trägt: «Antrag auf mehr Massnahmen gegen Queerhate kommt nicht durch, weil die GLP noch in der Pause war», schreibt sie in einem Tweet.


Ein Blick auf das Abstimmungsprotokoll zeigt, dass tatsächlich 5 Mitglieder der Grünliberalen und 4 Mitglieder der Evangelischen Volkspartei abwesend waren. Hätten sie die Abstimmung nicht verpasst und gemäss ihrer Fraktion ihr Votum abgegeben, wäre die LGBTIQ-Nachhilfe nicht gescheitert.

Sofia Rohrer ist entsprechend aufgebracht: «Ich hoffe schwer, dass sie am Montag nicht absichtlich abwesend waren, um nicht darüber abstimmen zu müssen. Das Verhalten nervt mich extrem», sagt sie gegenüber 20 Minuten.

Heute im Kantonsrat in Zürich: Antrag auf mehr Massnahmen gegen Queerhate kommt nicht durch WEIL DIE GLP NOCH IN DER PAUSE WAR.

Wir sind in der dümmsten Timeline…

— Sofia (@zemyos) January 23, 2023

Fraktionspräsident auf dem Klo
Eine der Abwesenden war GLP-Kantonsrätin Claudia Frei-Wyssen. Sie findet die Anspielung von Rohrer «frech», wie sie 20 Minuten sagt. Sie habe noch nie erlebt, dass Kantonsratsmitglieder in Mengen absichtlich in der Pause gewesen seien, um nicht an einer Abstimmung teilzunehmen. Schliesslich könnte man sich ja auch enthalten, wenn man die Meinung der Fraktion nicht teile. «Erfahrungsgemäss geht es bei der Juso in allen Geschäften, die sie speziell interessieren, immer um Sein oder Nichtsein. Pöbeln ist Teil ihres Konzepts», so Frei-Wyssen.


GLP-Fraktionspräsident Michael Zeugin war gemäss eigenen Angaben kurz vor der Abstimmung auf der Toilette – hat es aber noch rechtzeitig in den Rat geschafft. Er nimmt die Aufregung der Jungsozialistin über die verschlafene Abstimmung gelassen: «Wir wissen alle, dass die Juso relativ schnell erzürnt ist.»


Mehr zum Thema: Ein gemeinsames Projekt der Vereine Network und PinkCop macht in Zürich auf homo- und transfeindliche Gewalt aufmerksam.


Zu spät geklingelt?
Seine Erklärung: Kantonsratspräsidentin Esther Guyer (Grüne) habe zu spät zur Abstimmung geklingelt. Der vereinbarte Zeitpunkt dafür wäre, wenn das letzte Mitglied zur Vorlage sein Votum abgibt. Wie Zeugin 20 Minuten erklärt, wurde aber erst nach der letzten Stellungnahme geklingelt und so reichte es nicht mehr, um in den Saal zurückzukehren. Die Juso habe es verpasst, diesen Umstand rechtzeitig zu bemängeln.

Ausserdem forderte er die Juso auf, zuerst «in den eigenen Reihen für Ordnung zu sorgen». «So ziemlich viele» hätten auch von der SP, den Grünen und der AL gefehlt, kontert Zeugin dann auf Twitter. Auch 20 Minuten berichtete von drei fehlenden SP-Mitgliedern. Das ist nicht korrekt, da sämtliche Vertreter*innen der SP anwesend waren und geschlossen für die Vorlage stimmten. Bei den Linksparteien blieben lediglich zwei Sitze der Grünen und ein Sitz der Alternativen Liste bei der Abstimmung leer.


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