Autor Harm-Peter Dietrich mit 89 Jahren verstorben

«Eine Erinnerung daran, dass Freiheit niemals selbstverständlich ist»

Neues Projekt(10)

Harm-Peter Dietrich ist im Alter von 89 Jahren verstorben, wie sein Verlag mitteilte. Seine Autobiografie «Danke, Gustav! Mein schwules Jahrhundert» hatte im vergangenen Sommer für Aufsehen gesorgt.

Am 11. Juli verstarb Harm-Peter Dietrich am Freitag im Alter von 89 Jahren, so ist es auf der Seite des Vergangenheitsverlages zu lesen. Mit ihm verliere der Verlag nicht nur einen Autor, «sondern einen aussergewöhnlichen Erzähler, einen kritischen Chronisten und einen Menschen, dessen Leben selbst zur Geschichte wurde».

Seine Autobiografie «Danke, Gustav! Mein schwules Jahrhundert» sei weit mehr als eine Lebensrückschau (zur MANNSCHAFT-Besprechung): «Sie ist ein mutiges, sensibles Zeitzeugnis eines Jahrhunderts, das geprägt war von Nationalismen, Krieg, von Ausgrenzungen, Diskriminierungen, vor allem auch Homosexueller, es war aber auch ein Jahrhundert von Befreiung und Emanzipation – letzteres war das, was Harm-Peter Dietrich interessierte.»

Dietrich wurde 1936 geboren und wuchs als Arztsohn in einer Kleinstadt nahe Köln auf. Dass schwul zu sein in der Nachkriegsgesellschaft ein Stigma bedeutete, hat ihn nicht gebrochen – es machte ihn zu dem, der er wurde: zu einem feinfühligen, scharfsinnigen Beobachter seiner Zeit und zu einem Mann, der es wagte, sich selbst zu erzählen.

Harm-Peter Dietrich (Foto: Heinz Ernst Schuster)

Sein autobiografisches Werk entstand spät – doch mit umso grösserer Klarheit. In seinen letzten Lebensjahren arbeitete Harm-Peter Dietrich mit grosser Energie an der Vollendung seines Buches. Die Zusammenarbeit sei nicht nur redaktioneller Natur gewesen – sie war auch ein Prozess des Erinnerns, des Sortierens, des bewussten Festhaltens. Für Dietrich sei war klar gewesen: Dieses Buch sollte bleiben, wenn er selbst geht.

Der Verlag würdigte Dietrich als einen Menschen, «der bis zuletzt leidenschaftlich zuhörte, nachdachte, sich einmischte, mit feinem Humor, mit spitzbübischer Selbstironie». Als Arzt habe er sehr genau gewusst, dass sein Tod kommen würde. Sein Buch bleibe ein leidenschaftliches Plädoyer für Freiheit, Respekt und Selbstbestimmung.

«Es atmet den Geist liberaler Gesellschaften, wie wir ihn hochhalten wollen – jenen Geist, der die Würde jedes Einzelnen schützt und das Recht auf Anderssein verteidigt. In einer Zeit, in der autoritäres Denken, Queerfeindlichkeit und gesellschaftliche Ausgrenzung wieder lauter werden, ist Harm-Peter Dietrichs Lebensgeschichte ein leuchtendes Beispiel dafür, wie wichtig es ist, offene Gesellschaften nicht nur historisch zu verteidigen, sondern auch im Hier und Jetzt lebendig zu halten. Sein Buch ist eine Ermutigung, sich zu zeigen – und eine Erinnerung daran, dass Freiheit niemals selbstverständlich ist.»

Nach seinem Sieg in Basel nimmt sich JJ Zeit zum Durchatmen. Im Gespräch mit MANNSCHAFT spricht er unter anderem über neue Musik und die Unterstützung durch Conchita Wurst.

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