Zusammen reisen oder ein Konzert besuchen – mit Gentlewoman Bee
«Frauen wünschen sich Aufmerksamkeit. Und die gebe ich ihnen gerne»
Als Unternehmertochter einer Familiendynastie ist sie in Basel aufgewachsen. Knigge, gute Umgangsformen, Höflichkeit und Bildung waren schon in ihrer Kindheit gang und gäbe. Und daran hält sich Gentlewoman Bee noch heute.
Wenn man ihr gegenübersitzt, sieht man einen Menschen mit sehr gepflegtem Erscheinungsbild. Tadelloser Kleidungsstil. Die 37- Jährige wirkt androgyn mit ihrem schwarzen Hemd, ihrem dazu passendem Gilet und ihrer modischen Kurzhaarfrisur.
Bee, die ihren bürgerlichen Namen nicht im Internet lesen möchte, spricht mit ruhiger und angenehmer Stimme. Hin und wieder blitzen ihre Augen auf, und ein Lausbubenlächeln erscheint auf ihren Lippen. Mit MANNSCHAFT spricht sie über ihr Leben, über die Faszination, die Frauen auf sie ausüben, und über ihren Begleitservice, den sie letztes Jahr gegründet hat.
Die meisten ihrer Kundinnen sind Anfang 30 oder mittleren Alters; es sind sowohl gutsituierte wie auch auch weniger gut situierte Frauen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen. Über ihr Honorar äussert sie sich zurückhaltend: Die Preise seien sehr individuell gestaltet, es gäbe keine Preisliste.
Der Begriff «Gentlewoman» wird etwa seit dem 17. Jahrhundert verwendet, ursprünglich für eine Frau von vornehmer Herkunft, oftmals aus adligem Hause, oder einer hohen Gesellschaftsschicht, abstammend. Dem British Newspaper Archive zufolge wurde im London des Jahres 1890 sogar eine Zeitung gegründet, die den Namen «Gentlewoman» trug: Sie richtete sich speziell an Frauen, wurde wöchentlich und illustriert herausgegeben.
Doch auch in der Literatur gibt es frühe Nachweise: Mit «den geheimen Tagebüchern der Anne Lister», die Mitte des 19. Jahrhunderts von John Lister jun. gefunden wurden, wurde eine Gentlewoman für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht. Lister war im frühen 19. Jahrhundert eine Grossgrundbesitzerin und Industrielle, und gilt bis heute als die erste «moderne» frauenliebende Frau Englands. Einen Hehl aus ihrer Liebe zu Frauen machte sie nie. Zahlreiche Bücher wurden über sie geschrieben.
Wenn du ein Mann wärst, dann wärst du der perfekte Gentleman
Perfekt in Szene gesetzt, wurde das Leben Anne Listers im Jahr 2019 unter dem Titel «Gentleman Jack», verfilmt. Doch was versteht man in der heutigen, gegenwärtigen Zeit, und in der Community, unter diesem Begriff?
Den Satz «Wenn du ein Mann wärst, dann wärst du der perfekte Gentleman» hat Bee schon mehrmals gehört, wie sie schmunzelnd erzählt. Sie sei frauenliebend, und sehr gerne in weiblicher Gesellschaft. Sie betont, dass sie unter ihrem Begleitservice keinesfalls einen «Escort- Service» verstanden haben möchte. Es ginge nicht um Sex. Vielmehr biete sie Frauen ihre Begleitung zu verschiedenen Anlässen an.
Das können sein: Konzertbesuche, Ausstellungen, Kinobesuche, Theatervorstellungen, Familienfeiern, Shopping, Reisen, oder einfach nur ein schönes Essengehen mit dem Wunsch nach angenehmer Begleitung und vieles mehr. Oftmals gehören Frauen, die sich noch nicht geoutet haben, oder die im Begriff sind sich zu outen, zu ihrer Kundschaft.
Jedoch den Begriff «Kundin» verwende sie nicht gerne, sie bezeichne die Frauen lieber als «Ladies». Sie berichtet, dass es ihr sehr wichtig sei, dass die Frauen sich bei ihr sicher und gut aufgehoben fühlen. Dafür sorge unter anderem ihr ausgeprägter Beschützerinstinkt. Wir wollen wissen, ob es schon mal vorkäme, dass sich eine Frau in sie verliebe. Es entstehe immer eine Nähe zu der jeweiligen Lady, doch sei ihr ihre eigene professionelle Distanz wichtig, erklärt uns Bee dazu.
Frauen wünschen sich, dass sie ‹gesehen›, und gehört werden
«Frauen wünschen sich, dass sie gesehen und gehört werden. Sie wünschen sich Aufmerksamkeit. Und diese gebe ich ihnen gerne» sagt sie, und lächelt. So sei es bei einem Treffen selbstverständlich, dass ihr Handy nichts auf dem Tisch verloren habe. Es sei ihr ein grosses Anliegen, dass die Lady die ungeteilte Aufmerksamkeit geniessen könne.
Ebenso wichtig sei es ihr, dass die jeweilige Frau wirklich stets «Bee» kennenlerne, denn sie sei keine Kunstfigur. «Ich bin immer ich, und somit authentisch.» «Bee» sei schlicht die Abkürzung ihres Namens, erklärt die Gentlewoman. Ihr Verhalten den Ladies gegenüber sei nie aufgesetzt. Sie zeige sich stets so wie sie sei. Das käme auch ihrem Hauptberuf zugute.
Bee arbeitet als Verkaufsberaterin in der Modebranche, im Moment bietet sie ihren Begleitservice vor allem am Wochenende an. Welche Gründe haben Frauen sie zu buchen? Bei dieser Frage wird die Gentlewoman nachdenklich. Bei einigen Frauen sei es schlicht das Gefühl des Alleinseins, oder der Einsamkeit. Bei anderen sei es die Lust auf ein Abenteuer, die Suche nach einer neuen Erfahrung.
Doch es gäbe auch Frauen, die sich ihre Unterstützung erhofften. Es käme immer mal wieder vor, dass sie Frauen auf der Suche nach sich selbst begleite. So sei ihr ein Erlebnis besonders in Erinnerung geblieben: Eine Frau wünschte sich von ihr eine Begleitung in einen Frauenclub. Zuerst noch sehr schüchtern und unsicher, doch mit Bee an ihrer Seite nach und nach selbstbewusster auftretend, wurde der Abend für sie zu einer einzigartigen Erfahrung, zu einem «Schlüsselerlebnis».
Bee lächelt und erzählt, dass ihr die Lady im Laufe des Abends sagte, dass es sich für sie «nach zu Hause ankommen» anfühle. Eine schöne Erfahrung, auch für Bee. Generell sei es immer spannend und auch für sie aufregend, eine Lady kennenzulernen. Jede Begegnung sei einzigartig. So, wie auch jede Frau einzigartig sei.
Immer mehr Menschen leiden in der heutigen Zeit unter dem Alleinsein, so Bee. Viele seien beruflich sehr stark engagiert, sodass für private Kontakte des Öfteren nicht mehr viel Zeit übrigbliebe. Die Suche nach Kontakten auf Internetplattformen berge gewisse Risiken. Denn man wisse nie, auf welchen Menschen man träfe. Es sei ihr wichtig, dass die Frauen sich in ihrer Gegenwart absolut sicher fühlten.
Sicherheit, Kommunikation, ehrliche Aufmerksamkeit, gesunde und menschliche Zuwendung. In der heutigen Zeit sehr wertvoll.
Fast jede*r kennt dieses Gefühl: Eine Leere, die sich langsam von der Brust bis in den letzten Winkel des Körpers ausbreitet. Gefühle der Freude werden mit gnadenloser Brutalität verdrängt und der Verstand mit schweren Gedanken verhängt. Wir haben uns an unsere Leser*innen gewandt, um zu erfahren, inwieweit Einsamkeit die Lebensrealität der LGBTIQ-Community (mit)bestimmt (MANNSCHAFT+).
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