«Unsere Werte lassen sich nicht mit dem Messer zerstören»
Eine Wiener Gemeinde steht an der Seite der queeren Community
In Österreich häufen sich queerfeindliche Angriffe, wie zuletzt vor einer prominenten evangelischen Kirche in Wien. Doch die Gemeinde lässt sich nicht unterkriegen.
In Österreich sind queerfeindliche Kräfte im Aufwind, wie ein Vorfall in Wien-Simmering zeigt. Simmering ist mit über 110'000 Einwohner*innen ein grosser Wiener Stadtbezirk. Dort befindet sich die evangelische Glaubenskirche. Vor Kurzem kletterten Unbekannte auf das Vordach der Kirche und zerschnitten die Regenbogenfahne, die auf einem Fahnenmast hing. Ein abgeschnittener Teil wurde entwendet.
«Das war keine Mutprobe der Simmeringer Nachbarskinder. Sondern ein durchdachter und in der Umsetzung komplizierter Akt, den mindestens zwei Personen umgesetzt haben müssen. Ein Versuch, uns unsere Werte und unsere Haltung mit einem Messer zu rauben», sagt Pfarrerin Anna Kampl. Sie und die evangelische Gemeinde fühlen sich durch den queerfeindlichen Angriff verletzt. Doch sie wollen sich nicht einschüchtern lassen, sondern gehen mit einem klaren Bekenntnis für die queere Community in die Offensive.
«Unsere Haltung und unsere Werte lassen sich nicht mit dem Messer zerstören!», erklärte die Gemeinde. «Gerade jetzt in der politisch und gesellschaftlich angespannten Situation ist es uns wichtig, trotzig und doch hoffnungs- und vertrauensvoll dagegen zu halten!» Tatsächlich ist die politische Situation in Österreich für queere Menschen bedrohlich. Denn die queerfeindliche und rechtsextreme FPÖ verhandelt mit der konservativen ÖVP über die Bildung einer neuen Regierung (MANNSCHAFT berichtete).
Zahlreiche FPÖ-Politiker*innen sorgten in den vergangenen Monaten mit queerfeindlichen Aktionen und Äußerungen für Empörung. Umso wichtiger ist es, dass sich derzeit viele Vereine, Organisationen und auch die Kirchen mit queeren Menschen verbünden.
Die Regenbogenfahne weht schon seit vielen Jahren auf dem Dach der Glaubenskirche in Wien-Simmering. «In dieser Zeit erhielten wir eine Vielzahl von Reaktionen darauf», so die evangelische Gemeinde. Die überwiegende Mehrheit sehe in der Regenbogenfahne «ein positives Symbol der Hoffnung auf eine friedliche und gleichberechtigte Gesellschaft. Wir mussten aber auch schlimme Auseinandersetzungen, Beschimpfungen und Beschmierungen der Fahne erleben.»
Die Gemeinde erinnerte in diesem Zusammenhang an die aktuelle Jahreslosung der evangelischen Kirche in Österreich. Diese lautet: «Prüfet alles und behaltet das Gute!» Die Gemeinde erklärte dazu: «Wir prüfen dauerhaft unser Tun und Handeln, jeden Tag aufs Neue und werden die Fahne deswegen behalten.» Denn die evangelische Kirche verstehe sich «als inklusive Gemeinschaft, die alle Menschen gleich willkommen heisst und respektiert. Die Regenbogenfahne ist für uns ein Symbol der Solidarität und Vielfalt, für die wir uns tagtäglich einsetzen».
Binnen weniger Tage liess die Gemeinde eine neue Regenbogenfahne nähen. Diese wurde dann feierlich bei einem grossen Konzert für die Jugend enthüllt. Ursprüngliches Ziel des Konzerts war es, Spendengelder für die Renovierung eines Jugendraums zu sammeln. Nach der queerfeindlichen Attacke wollte die Gemeinde mit den Hashtags #Freude #Gemeinschaft #Solidarität #musikverbindet #Inklusion gleichzeitig auch ihre uneingeschränkte Solidarität mit queeren Menschen ausdrücken.
«Es gilt das Dennoch unseres Glaubens und der Hoffnung.»
Online-Kommentar
In den sozialen Medien wurde das klare Bekenntnis der Gemeinde gefeiert. «Ein wunderbares Statement, vielen Dank. Meine Solidarität habt ihr voll und ganz! Wir lassen uns nicht einschüchtern oder trennen. Es gilt das Dennoch unseres Glaubens und der Hoffnung», schrieb ein User. Eine andere Person meinte: «Unsere Haltung und unsere Werte lassen sich nicht zerstören.» Ein Mann bedankte sich für «die Standhaftigkeit und die ermutigende Stellungnahme. Als schwuler Mann und Christ (Katholik, sorry) fühle ich mich durch die Fahne noch willkommener in der Kirche.»
Vorsorglich hat die evangelische Kirche gleich eine zweite Regenbogenfahne nähen lassen. Denn es ist möglich, dass es wieder zu einem queerfeindlichen Angriff kommt
Weil er lackierte Fingernägel hat und Röcke trägt: Homophober Hass und Todeswünsche für Ski-Star Lucas Braathen (MANNSCHAFT berichtete)
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