Vorkoloniale Gesellschaften: Geister durch Analsex übertragen?
Anlässlich des Black History Month spricht Künstler*in Will Fredo über die Intersektionalität von Schwarzsein, Gender und Sexualität
Im Februar wird weltweit der Black History Month gefeiert, auch von LGBTIQ. Die Schirn Kunsthalle in Frankfurt hat Will Fredo als schwarze*n nicht-binäre*n Künstler*in zur Schnittstelle von Schwarzsein, Queerness, post-dekolonialem Denken und Popkultur befragt.
Will Fredo wurde in Portugal geboren und ist guatemaltekischer sowie kap-verdischer Abstammung. Fredo lebt in Köln und Berlin als Künstler*in und Autor*in. Fredo ist Initiator*in des Kunstprojektes SHTV (Sexual Healers TV), das sich u. a. mit Sexarbeit und Pornografie beschäftigt. (MANNSCHAFT berichtete über die Ausgrenzung von schwarzen Darstellern in der schwulen Pornoindustrie.)
Derzeit arbeite Fredo an einem Videoprojekt mit dem Arbeitstitel «1492 – Present», heisst es im Schirn-Magazin. «Für dieses Projekt habe ich verschiedene Menschen getroffen, die sich für Landrechte einsetzen, aber auch solche, die sich mit Genderfragen oder der Umwelt in Kolumbien und Guatemala beschäftigen», so Fredo. (MANNSCHAFT berichtete über Ausgrenzungserfahrungen von Queers innerhalb der LGBTIQ-Szene.)
«Ausgangspunkt der Arbeit ist die allgemeine Erkenntnis, dass die grössten Menschenrechtsverletzungen in Südamerika auf die europäische Kolonisierung und die anschliessende und andauernde Unterdrückung der Schwarzen und Indigenen Bevölkerung zurückzuführen sind.»
Auf die Intersektionalität von Schwarzsein, Gender und Sexualität angesprochen, nennt Fredo verschiedene Beispiele: «In vielen vorkolonialen afrikanischen Gesellschaften, wie bei den Langi in Norduganda, waren die mudoko dako ‹weibliche Männer›, die als Frauen behandelt wurden und Cis-Männer heiraten konnten.»
«Unbequeme Geschichten» Fredo nennt auch die Chibados oder Quimbanda in Angola, die männliche Wahrsager waren, «von denen man glaubte, dass sie durch Analsex weibliche Geister» übertragen könnten.
«In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit diesen Vorfahren, die immer noch nicht im Mainstream der dekolonialen Bewegung willkommen sind (…). Meine Arbeit beschäftigt sich mit dem Nachleben dieser unbequemen Geschichten.»
Was genau an diesen Geschichten «unbequem» ist, erklärt Fredo nicht. Auch nicht, wer sie heute lieber nicht wahrnehmen und in Geschichtsbüchern finden möchte. Stattdessen erklärt Fredo, eine Welt schaffen zu wollen, die von «unbefangenem Schwarzsein» geprägt sei. Diese Welt solle erreicht werden, indem Fredo die Ziele ablehne, die «das weisse, rassistische, klassistische, ableistische, respektable, neoliberale, heteronormative Patriarchat» vorgebe. (MANNSCHAFT berichtete über die Krise der Männlichkeit und mögliche Befreiung durch Kunst.)
«Für mich bedeutet das Selbstliebe und bedingungslose Liebe zu allen, die von der Hegemonie unterdrückt werden und dass wir gemeinsam unser Leben so leben, wie wir es wollen und wie es uns gefällt», so Fredo im Interview. Auf seiner*ihrer Instagram-Seite zeigt Fredo derweil gern seinen*ihren durchtrainierten jugendlichen Körper mit Fotos, die man kaum als Aufbegehren gegen Ableismus bezeichnen kann.
«Mein Denken ist stark von ‹Black Femmes› beeinflusst, von Bell Hooks und ihrer umfangreichen Arbeit über Schwarze feministische Intersektionalität bis hin zum Aktivismus von Diamond Stylz, der Moderatorin des schwarzen Trans-Podcasts ‹Marsha‘s Plate›. (…) Ich achte darauf, mich nicht auf didaktisches Terrain zu begeben, um nicht ein Dogma durch ein anderes zu ersetzen.»
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