«Sodom» – Frédéric Martel outet den Vatikan
Der Autor hat vier Jahre lang recherchiert und zahlreiche Interviews geführt
Acht von zehn Priestern im Vatikan sind schwul, schreibt der französische Soziologe Frédéric Martel in einem Buch, das an diesem Mittwoch endlich auf Deutsch erscheint. Titel: «Sodom – Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan».
«Man wird Ihnen nicht glauben, wenn Sie die Wahrheit über den ›Schrank‹ und die besonderen Freundschaften im Vatikan aussprechen. Man wird sagen, Sie hätten alles erfunden.» Denn hier übertreffe die Realität die Fiktion, orakelte ein Erzbischof der Römischen Kurie, bevor er dem Autor die Geschichten und Geheimnisse erzählte, die nun als Buch erschienen sind. Geschichten über jene im Vatikan, die der «anderen Gemeinde angehören», wie man dort sagt.
Im 21. Februar war das Buch «Sodoma» des Soziologen Frédéric Martel zunächst in acht Sprachen in 20 Ländern erschienen. Wie es zunächst auf der Homepage des britischen Herausgebers Bloomsbury heisst, gelte die Regel: Je homophober ein Prälat auftrete, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass er selbst schwul ist. Nun liegt das Buch auf Deutsch vor. Vor einem halben Jahr war auch das Buch des schwulen Geistlichen Pierre Valkering aus Amsterdam erschienen, das die Verlogenheit der Kirche anprangert (MANNSCHAFT berichtete).
Der Journalist und Soziologe, selbst offen schwul, enthüllt Namen, Daten und Fakten über Zusammensetzung und Einfluss des Homo-Netzwerkes im Vatikan. Und: Es handele sich um eine «Aufsehen erregende Darstellung von Korruption und Heuchelei im Herzen des Vatikan», so Bloomsbury.
Sein deutscher Verlag S. Fischer formuliert es weniger süffig: «Eine fesselnde Reportage aus dem Innersten des Vatikans» und «ein Buch, mit dem Martel die Geschichte des Vatikans seit den 1970er Jahren neu schreibt.» Er zeige die Pontifikate von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus in einem gänzlich anderen Licht.
Vier Jahre lang hat der Autor, der zum Thema Homosexuelle im Vatikan bereits Bücher veröffentlicht hat, recherchiert und 1500 Interviews geführt, u. a. mit 41 Kardinälen, 52 Bischöfen, aber auch mit 11 Angehörigen der Schweizer Garde und über 200 Priestern und Seminaristen. 80 % der Priester seien schwul, doch die meisten lebten es nicht aus.
Trügerische Bekenntnisse zum Zölibat, Wohl noch nie, schreibt der Autor, war der Schein einer Institution so trügerisch, und ebenso trügerisch sind auch die Bekenntnisse zum Zölibat und die Keuschheitsgelübde, hinter denen sich eine ganz andere Wirklichkeit verbirgt. Papst Franziskus wisse von allem dem. Die schwindelerregende Scheinheiligkeit derer, die eine enge Moral predigen, während sie einen Lebensgefährten haben, Abenteuer und manchmal Escorts, sei ihm zuwider.
Der Vatikan sei eine der grössten homosexuellen Communitys der Welt, schreibt Martel. Selbst im Castro, dem Schwulen- und Lesbenviertel San Franciscos, gebe es wohl nicht so viele Homosexuelle.
Den Aussagen zahlreicher Seminaristen an den päpstlichen Universitäten in Rom zufolge habe sich ihr Doppelleben dank Internet und Smartphones in den vergangenen Jahren noch intensiviert. Die Mitglieder der anderen Gemeinde müssen nicht mehr auf den Strassen Roms cruisen oder in Clubs gehen, denn heute flirten sie bequem und unbeobachtet von zu Hause aus – mittels Apps wie Grindr, Tinder oder GayRomeo etc.
Dass der katholischen Kirche das Buch nicht gefällt, ist kein Wunder. Auf katholisches.info ist zu lesen: «Martel, der zahlreichen Vereinigung angehört oder mit ihnen zusammenarbeitet, die aktiv an der Ausbreitung der Homo-Agenda mitwirken, ist seit Jahren in vorderster Reihe am Prozess zur Förderung und «Normalisierung» der Homosexualität beteiligt.»
Personenschutz in Kolumbien In einem Essay für die NZZ am Sonntag jubelte Martel kürzlich: «Sechs Monate nach dem Erscheinen dieses Buches lebe ich noch! Einige Leute, zum Beispiel mein italienischer Verleger, hatten mich gewarnt: Sie werden Sie töten wollen!, sagte mir Carlo Feltrinelli. In Kolumbien hielt mein Verleger die Adresse meiner Unterkunft geheim und stellte mir zwei breitschultrige Wächter zur Seite.»
Aus gutem Grund wird sein Buch unterstützt und verteidigt von einem Konsortium von einem guten Dutzend von Anwälten, auch in der Schweiz und Deutschland, die in Frankreich koordiniert werden.
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