Lukas von Horbatschewsky: «Mit der Szene hatte ich mein Coming-out»

«Von uns wird es keiner sein» jetzt im TV

Lukas als Waldi in «Von uns wird es keiner sein»: ein Teil der verunsicherten Schulclique
Lukas als Waldi in «Von uns wird es keiner sein»: ein Teil der verunsicherten Schulclique (Bild: 2024 ZDF, Warner, Martin Valentin Menke)

Mit nur 24 Jahren setzt Lukas von Horbatschewsky sensible Themen wie Suizidalität, Orientierungslosigkeit und Selbstsuche in Szene. Hier spricht er über seinen neuen Film, die Verantwortung als Schauspieler und seine besondere Methode der Figurenarbeit.

Lukas, in deinem neuen Film «Von uns wird es keiner sein» geht es um eine Jugendclique, an deren Schule ein Video die Runde macht, in dem möglicherweise ein Teenager mit Selbsttötung droht. Du spielst den jungen Waldemar . . . Wann bekommt man schon mal das Angebot, einen Waldi zu spielen?!

Abgesehen vom Namen: Gab diese Rolle den Ausschlag, bei diesem Drehbuch zuzusagen? Oder worauf achtest du, wenn du dich für ein Projekt entscheidest? Das hängt immer von der Grösse der Rolle ab – manchmal reicht es, nur eine Szene zu lesen. Hier aber habe ich mir die Figur und den ganzen Film sehr genau angeschaut. Es gibt sehr intime Momente, die mit Körperlichkeit und Freimachen zu tun haben, und mir war wichtig, dass ich mich damit wohlfühle.

Auch das Thema Suizidalität war mir nicht fremd, deshalb habe ich genau hingeschaut, wie sensibel die Produktion damit umgeht. Zum Glück hat das Team von Anfang an gezeigt, dass sie mit grossem Respekt und Verantwortungsbewusstsein arbeiten.

Lukas von Horbatschewsky

Jahrgang 2000, wuchs in Hamburg auf und gab sein Schauspieldebüt in der Jugendserie «Druck», an der er selbst als Autor wirkte. Es folgten Rollen in «Intimate», «Nackt über Berlin», «Pauline» und dem Netflix-Film «Paradise», dazu Auftritte im Kinofilm «Alter weisser Mann» und in Kerstin Poltes Episodenfilm «Blindgänger».

Zudem steht er gemeinsam mit Michael Schweisser für die Live-Podcast-Show «Fame Fatale» auf der Bühne der Berliner Vagantenbühne. Sein neuer Film «Von uns wird es keiner sein» läuft am 17. Oktober bei Arte und am 20. Oktober im ZDF. Anschliessend ist er in der ZDF-Mediathek abrufbar.

Hätte dir damals ein Film wie «Von uns wird es keiner sein» geholfen? Voll! Schon bei meiner ersten Rolle in «Druck» war mir wichtig, genau die Serie zu machen, die ich selbst als Teenager gebraucht hätte – und so fühlt es sich auch jetzt wieder an.

Der Film spricht von Suizidalität, aber auch von all dem Chaos des Jugendlich-Seins: dieser Mischung aus intensiven Gefühlen und völliger Orientierungslosigkeit. Es ist einfach gut zu wissen, dass man damit nicht allein ist.

Es gibt Schauspielende, die es bevorzugen, wenn die Rolle nicht zu nah an den eigenen Erfahrungen liegt. Für dich gilt das nicht? Am Anfang dachte ich noch: super, jetzt kann ich immer jemand anderes sein und muss mich nicht mehr mit mir selbst beschäftigen. Doch schnell habe ich gemerkt, dass Schauspielerei genau das Gegenteil ist – man ist ständig mit sich selbst konfrontiert.

Heute sehe ich darin etwas Schönes: durch eine Figur darf ich auch eigene Erfahrungen zeigen und sie in etwas Sinnvolles verwandeln. Wichtig bleibt nur, eine Methode zu haben, am Ende auch wieder herauszufinden und sich zu schützen.

Die vier Jugendlichen in «Von uns wir es keiner sein» haben unterschiedliche Sorgen. Waldi ist damit beschäftigt, herauszufinden, wer er ist. Angenehmerweise erklärt der Film nicht zu viel und klebt kein Label drauf. Genau, für Regisseur Simon Ostermann, Drehbuchautor Lukas Flasch und mich war entscheidend, dass hier keine klassische «queere Geschichte» erzählt wird, sondern einfach die eines jungen Mannes, der etwas anzieht, in dem er sich schön fühlt – auch wenn er Angst hat, was andere daraus machen.

Für mich hat das weniger mit Sexualität oder Identität zu tun, sondern schlicht mit dem Mut, er selbst zu sein. Dass offenbleibt, ob Waldi ein straighter Cis-Mann ist oder nicht, macht die Figur umso spannender und freier.

Der Film «Von uns wird es keiner sein» läuft Ende Oktober bei Arte, im ZDF und in der Mediathek.
Der Film «Von uns wird es keiner sein» läuft Ende Oktober bei Arte, im ZDF und in der Mediathek (Bild: 2024 ZDF, Warner, Martin Valentin Menke)

Hast du für dich offengelassen, wer Waldi ist? Nein, fürs Spielen brauche ich Klarheit. Deswegen schreibe ich für meine Figuren oft Tagebuch – und für Waldi habe ich eine Sexualität festgelegt. Aber die gebe ich ungern weiter, damit die Leute mitnehmen können, was sie selbst finden. 

War die Schauspielerei schon früh ein Traum von dir? Total. Zum Leidwesen meiner Eltern, die sich jedes Silvester eine dreistündige Vorstellung von mir und meiner besten Freundin angucken durften. Mit neun Jahren nahm ich sogar Schauspielunterricht. Richtig ernst wurde es aber erst, als ich auf Instagram den Casting-Aufruf für «Druck» sah und wusste: Jetzt muss ich entscheiden, ob ich das wirklich will. 

Haben dir die Leute nach «Druck» unterstellt, du würdest dich selbst spielen?  Klar, aber das Format war darauf angelegt, dass die Linien zwischen Rolle und Realität verschwimmen. Wir hatten als Figuren sogar eigene Instagram-Accounts. Deshalb war klar, dass mich viele eine Zeit lang mit David ansprachen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich ohne diese authentische Besetzung wahrscheinlich heute nicht hier wäre.

Trotzdem war es mutig, schliesslich warst du gerade volljährig und die Rolle dein öffentliches Coming-out als trans Mann. Am Anfang habe ich gar nicht so viel darüber nachgedacht. Ich fand die Geschichte so wichtig und hatte so Bock, die Rolle zu spielen. Erst als die Coming-out-Szene veröffentlicht wurde, habe ich realisiert, dass es tatsächlich mein öffentliches Outing war. Da musste ich kurz ins Bad und mich sammeln, aber dann kam fast nur liebevolles Feedback. Auch weil die Figur vorher über acht Folgen als Typ erzählt wurde, den die Leute zu lieben gelernt hatten. 

Wirst du heute noch schnell in bestimmte Schubladen gesteckt? Es ist immer ein Drahtseilakt, das zu verhindern. Als trans, BIPoC und bisexuelle Person gäbe es viele Schubladen, in die man mich stecken könnte – deshalb wähle ich sehr genau aus, welche Rollen ich annehme.

Nach «Druck» wurde mir wieder eine trans Rolle angeboten, in deren Drehbuch im ersten Satz stand: «Christina ist jetzt Christian». Da war sofort klar, dass sich die Beteiligten nicht ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hatten.

Wichtig ist mir, dass eine Figur mehr ist als nur ihr Label. Natürlich habe ich auch schon Rollen gespielt, die ich heute anders wählen würde, aber zum Glück überwiegen die positiven Erfahrungen.

Zum Beispiel? In der Joyn-Serie «Messiah Superstar» habe ich einen straighten Christdemokraten gespielt, der der konservativste Deutsche sein wollte, obwohl er nicht weiss gelesen wird. Für diese Rolle bin ich der Casterin so dankbar, weil sie gezeigt hat, dass ich auch ganz anderes spielen kann.

Und bei «Intimate» war es ähnlich positiv: Ich habe beim Casting auf ein, zwei blinde Flecken hingewiesen – und die Belton-Brüder haben sofort reagiert und Änderungen vorgenommen. Diese Offenheit rechne ich ihnen hoch an, denn das ist nicht selbstverständlich.  

Wie kein anderes Paar setzen sich Florin Buhuceanu und Victor Ciobotaru für die Community in Rumänien ein. Für das Recht auf Partnerschaft haben sie ihr Heimatland sogar vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt – und gewonnen (MANNSCHAFT-Story).

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