Róisín Murphy: Vom Queer-Liebling zur Persona non grata
Nach Aussagen zu jungen trans Menschen verliert die irische Musikerin ihren Festival-Auftritt in Istanbul – und spaltet erneut die Community
Die irische Sängerin Róisín Murphy («Murphy’s Law», «Sing It Back») ist nach umstrittenen Kommentaren über trans Jugendliche als Headlinerin des Back In Town Festivals in Istanbul gestrichen worden.
Die 52-Jährige hatte auf X (vormals Twitter) eine Grafik geteilt, die einen angeblichen Rückgang junger Menschen zeigen sollte, die sich als trans oder nicht-binär identifizieren – und behauptete dazu, der frühere Anstieg sei «nie real gewesen».
«Furchtbar traurig. Absolutes Chaos für Kinder, Familien und die Gesellschaft», schrieb Murphy.
Empörung in der Musikszene Ihre Aussagen lösten umgehend Kritik aus – unter anderem von Künstler*innen wie der irischen Sängerin CMAT, The Blessed Madonna und der britischen Band Lambrini Girls, die Murphys Äusserungen als gefährlich und respektlos bezeichneten.
Laut Expert*innen basiert die von Murphy geteilte Grafik auf Daten der Cooperative Election Study der Tufts University. Fachleute vermuten, dass der dort gezeigte Rückgang weniger auf eine tatsächliche Abnahme trans oder nicht-binärer Menschen hinweist, sondern auf eine sinkende gesellschaftliche Akzeptanz (MANNSCHAFT berichtete).
Festival zieht Konsequenzen Das Festival in Istanbul, bei dem Murphy am 24. Oktober auftreten sollte, kündigte kurz vor Beginn an, sie aus dem Line-up zu nehmen. In einer Stellungnahme erklärten die Veranstalter*innen, man wolle ein Umfeld schaffen, «in dem sich alle sicher fühlen und dazugehören können». Murphys jüngste Äusserungen hätten diese Haltung «völlig untergraben».
Statt Murphy trat die türkische Sängerin Kalben als neue Headlinerin auf. Die Festivalleitung bedankte sich bei den Besucher*innen «für ihr Verständnis» und kündigte an, an der Grundidee eines offenen, vielfältigen Events festzuhalten.
Murphy kontert – und befeuert die Debatte In einer längeren Reaktion auf X schrieb Murphy, sie wolle «grausame Transaktivist*innen» nicht «in der Nähe von (ihrer) Musik» haben – auch wenn das ihrer Karriere schade. Sie sprach von «Erpressung» und «kindischem Verhalten» in der LGBTIQ-Community.
Gleichzeitig behauptete sie, sie hege «keinen Hass gegen trans Menschen» und «leugne niemandes Existenz». Ihre Aussage «es war nie real» beziehe sich, so Murphy, auf eine «medial und institutionell geförderte Ideologie», die sie für schädlich halte.
Mit dieser Haltung steht Murphy nicht zum ersten Mal in der Kritik: Bereits 2023 hatte sie Pubertätsblocker als «beschissen» bezeichnet und junge trans Menschen als «verwirrte Kinder» verspottet (MANNSCHAFT berichtete über das Thema).
Murphy betonte zum Schluss, sie werde als «mutige und mitfühlende Künstlerin» in Erinnerung bleiben.
Zoff mit Boy George verschärft den Eklat Der aktuelle Skandal fällt in eine Zeit, in der Murphy auch öffentlich mit Boy George aneinandergeriet. Der Frontmann von Culture Club, ein bekennender Unterstützer von trans Rechten, hatte auf X scharf gegen Kritiker*innen seiner Haltung ausgeteilt und sie als «hässliche Menschen mit hässlichen Seelen» bezeichnet.
Murphy reagierte darauf mit einem wütenden Post, in dem sie George beschuldigte, sie bei ihrem ersten Treffen in Miami vor Jahren gedemütigt zu haben: «Du bist einfach jenseits von schrecklich, George. All diese giftige Bitchiness kommt zu dir zurück.» Sie behauptete, George habe ihr damals gesagt: «Oh, du bist gar nicht so hübsch, wie ich dachte», und sie damit öffentlich beschämt.
«Wie wagen sie oder ‹JK Boring›, mich misogyn zu nennen, wenn ich Frauen verehre?»
Boy George, Musiker
Boy George antwortete darauf mit einem langen Statement, das er mit den Worten einleitete: «Die Schlagzeile sollte lauten: ‹Die faszinierendste Person im Internet›.» In seinem Post schrieb er weiter:
«Wenn mich jemand aus dem Nichts angreift – wegen eines betrunkenen, leichtfertigen Kommentars in Miami vor hundert Jahren – wie soll ich da reagieren?
Es ist offensichtlich, dass @roisinmurphy eine ‹trans›-besessene Frau ist, die denkt, ich sei ein schlechter Mensch, nur weil ich keine trans Menschen angreife. Wie wagen sie oder ‹JK Boring›, mich misogyn zu nennen, wenn ich Frauen verehre? Will die britische Presse wirklich Künstler*innen, die nichts zu sagen haben und aus beiden Mundwinkeln sabbern?
Unhöflich ist es, Fremde anzugreifen, nur weil sie nicht in dein Bild von Normalität passen. Für eine Musikerin wie Róisín, die sich grossartig kleidet und mit Drag-Queen-Flamboyanz spielt, dabei aber wie eine wütende Áine aus Arklow wirkt, ist das ein schrecklicher Look.
Übrigens: Ich habe einmal etwas Gemeines über Corinne von Swing Out Sister gesagt, und sie hat das beim nächsten Treffen direkt angesprochen. Heute liebe ich sie – also gibt es Hoffnung für mich und die Colleen von Moloko.
Zur Klarstellung: Ich kann manchmal eine richtige Bitch sein, aber nur, wenn ich Ungerechtigkeit sehe oder merke, dass mich jemand nicht mag. Ich muss sagen, Róisín war nie warmherzig zu mir, aber jetzt weiss ich wenigstens warum. Es ist nur eine Fehde, wenn man sie mit sich herumträgt – und das tue ich nie. Ich werde immer das Kriegsbeil begraben.»
Der US-Autor Michael Schreiber veröffentlicht mit «Don Bachardy: An Artist’s Life» eine neue Oral History über den Künstler Don Bachardy – und damit über eine der bedeutendsten queeren Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts (MANNSCHAFT berichtete).
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