Italienischer General wird wegen homophober Publikation strafversetzt
Roberto Vannacci hatte seinen Bestseller «Die Welt steht Kopf» ohne Wissen der Armeeführung veröffentlicht
Der italienische General Roberto Vannacci hat im Selbstverlag das Buch «Il Mondo al Contrario» («Die Welt steht Kopf» bzw. «Die verkehrte Welt») veröffentlicht. Darin finden sich etliche homophobe, frauenfeindliche und rassistische Passagen, u.a. wird Adaption durch gleichgeschlechtliche Paare mit «Kannibalismus» in Verbindung gebracht.
Das umstrittene Buch sei ohne das Wissen der Armeeführung veröffentlicht worden, heisst es. Darin gibt es Sätze wie diesen: «Liebe Homosexuelle, ihr seid nicht normal, akzeptiert das endlich. Die Normalität ist Heterosexualität. Wenn euch trotzdem alles als ‹normal› erscheint, dann ist das die Schuld der internationalen Homolobby, die Begriffe aus dem Sprachgebrach verbannt hat, die bis vor ein paar Jahren noch in unseren Wörterbüchern vorkamen.» Er wettert gegen eine «Diktatur der Minderheiten».
Der General hatte in Afghanistan und im Irak gedient als Teil einer Fallschirm-Truppe, von 2020 bis 2022 war er – bis zum Ausbruch des Ukrainekriegs – Militärattaché an der italienischen Botschaft in Moskau. Danach wurde er Leiter des Militärgeographischen Instituts in Florenz.
Vannaccis Buchveröffentlichung löste eine Welle der Empörung bei linken Politiker*innen aus. Laut Nachrichtenagentur Reuters sollen einige die Entlassung Vannaccis verlangt haben.
«Ernst und alarmierend» Der LGBTIQ-Aktivist und Linken-Politiker Alessandro Zan erklärte: «Es ist ernst und alarmierend, wenn eine aktiver Armeegeneral solch einen politischen Essay veröffentlicht … der getränkt ist in antidemokratischer, rassistischer, homophober und frauenfeindlicher Sprache.»
Abgeordnete der Rechten und der extremen Rechten schwiegen hingehen zum Fall. Dennoch kündigte Verteidigungsminister Guido Crosetto, ein Parteifreund von Italiens rechtsgerichteter Regierungschefin Giorgia Meloni, am Donnerstag dieser Woche ein Disziplinarverfahren gegen den General an.
Und weiter: Der 54-jährige habe nach nur zwei Monaten Dienstzeit seinen Posten als Leiter des Militärgeographischen Instituts räumen müssen, berichteten mehrere italienische Nachrichtenagenturen. Das Verteidigungsministerium in Rom dementierte die Informationen auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP nicht.
«Persönliche Wahnvorstellungen» Es gehe nicht nur um die Bemerkungen gegen die LGBTIQ-Community, so Verteidigungsminister Crosetto, sondern auch um Äusserungen zu Umweltschützer*innen, Feministi*innen, Juden sowie Schwarzen in Italien, die dem General zufolge die «Probleme» darstellen, mit denen die italienische Gesellschaft aktuell zu «kämpfen» habe. So schreibt Vannacci auch über die schwarze Volleyball-Nationalspielerin Paola Egonu und meint, sie könne das «Italienische» nicht verkörpern.
Crosetto bezeichnete das Buch als unzusammenhängendes Gefasel, das die Armee diskreditiere, ebenso das Verteidigungsministerium und die Verfassung. Er attestierte Vannacci «persönliche Wahnvorstellungen».
Vannacci seinerseits erklärte im Fernsehsender Rete4, er habe nicht mit seinem solchen Sturm der Entrüstung als Reaktion auf sein Buch gerechnet, das doch lediglich seine «Gedanken» ausdrücke, «ohne jemanden zu beleidigen».
Laut Nachrichtenagentur AGI wurde Vannacci nach seiner Entlassung vom Militärgeographischen Institut zum einfachen Mitglied in einer Heereseinheit degradiert.
Zum Hintergrund: Vannacci ist ein hochgebildeter Mann, der über drei Master-Abschlüsse verfügt: in strategischen Wissenschaften und in internationalen und diplomatischen Wissenschaften von der Universität Turin sowie in Militärwissenschaften von der Universität Bukarest. Er erwarb ausserdem einen Weiterbildungsmaster in strategischen Wissenschaften an der Universität Turin und einen weiteren in internationalen strategisch-militärischen Studien in Zusammenarbeit mit der Katholischen Universität vom Heiligen Herzen in Mailand und der LUISS-Universität in Rom.
«Zeichen der Hoffnung» Das Nachrichtenportal Pink News weist darauf hin, dass seine Abberufung vom Militärgeographischen Institut und seine Strafversetzung angesichts des derzeitigen anti-LGBTIQ-Klimas in Italien «nicht unbedingt vorhersehbar» gewesen sei. Schliesslich hatte die Regierung erst im Januar neue Regelungen bezüglich der Registrierung von Kindern aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erlassen, danach wurden Einträge zur zweiten Mutter aus Geburtsurkunden von lesbischen Eltern entfernt (MANNSCHAFT berichtete)
Dass jetzt jemand wie General Vannacci von seinem Posten entfernt wurde, deuten in diesem Zusammenhang mache als «Zeichen der Hoffnung für Italien», so Pink News optimistisch.
Der trans Polizeibeamte und Präsident der LGBTIQ-Polizeiorganisation Polis Aperta, Alessio Avellino, sagte gegenüber Euronews: «In Italien ist viel zu tun – wirklich sehr viel. Aber wir arbeiten daran.»
Trotz bzw. wegen der Kontroverse ist Vannaccis Buch «das meistgelesene Italiens in diesem Sommer», schreibt Stern. Und ergänzt: «Roberto Vannacci steigt gerade zum neuen Helden all derer auf, denen Premierministerin Giorgia Meloni zu gemässigt erscheint.» Das sollte man vermutlich eher nicht als Zeichen der Hoffnung interpretieren.
Der italienische Sänger Marco Mengoni landete mit seiner Ballade «Due Vite» beim ESC in Liverpool auf Platz 4. Er hatte sich im Finale mit der Regenbogenflagge gezeigt und bekam dafür viel Hass ab (MANNSCHAFT berichtete).
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