«Ich sass vor dem Handy und habe geweint»

Ricarda Lang zum Rücktritt von Kevin Kühnert

Kevin Kühnert (SPD) und Ricarda Lang (Bündnis90/Die Grünen)
Foto: dpa (Bild: Joerg Carstensen/dpa)

Zwei queere Spitzenpolitiker*innen weniger: Ricarda Lang (Grüne) hat sich in einem Interview zum Rücktritt von Kevin Kühnert (SPD) geäussert – und zu ihrem eigenen.

Der 35-jährige Kevin Kühnert begründete seinen Rücktritt in einem Brief an Parteimitglieder und Öffentlichkeit mit gesundheitlichen Problemen. Wegbegleiter*innen auch anderer Parteien würdigen ihn als grosses Talent. (MANNSCHAFT berichtete).

Auch die Tage von Ricarda Lang als Grünen-Vorsitzende sind gezählt (MANNSCHAFT berichtete). Als sie ihren Rücktritt verkündete sei sie traurig gewesen, doch am Tag danach habe sie schon wieder Termine gemacht und Dinge abgearbeitet, so Lang gegenüber Zeit online. Schliesslich sei man aufs Funktionieren getrimmt. «So richtig emotional umgehauen hat es mich erst eine Woche darauf, als Kevin Kühnert zurückgetreten ist. Ich sass vor meinem Handy und habe geweint. Ein bisschen war es so, als ob in dem Moment ein Teil meines Rücktritts für mich selbst überhaupt erst klar geworden ist.»

«Ich galt als junge Parteilinke, die angeblich nur über Identitätspolitik und Bodyshaming reden will. Das war Bullshit, das wollte ich nie.»

Die beiden hätten sich kennengelernt, als sie noch «politische Babys» waren. «Jetzt geht es ihm schlecht und er steigt erst mal aus. Das tat mir erst mal für ihn als Freund total leid.»

Lang äusserte sich in dem Interview auch zu den Vorurteilen, die ihr bei Antritt des Amtes entgegengeschlagen waren – als erste offen bisexuelle Vorsitzende einer grossen Partei in Deutschland. «Die junge Parteilinke, die angeblich nur über Identitätspolitik und Bodyshaming reden will. Das war Bullshit, das wollte ich nie. Deshalb habe ich viel Zeit und Kraft darauf verwendet, diese Vorurteile aus der Welt zu räumen. Ich habe versucht, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten, so ernsthaft, glatt und perfekt wie möglich zu sein. Heute glaube ich, dass man sich dadurch kleinmacht. Man überlässt anderen die Deutungshoheit über sich.» Mitte November sollen Felix Banaszak und Franziska Brantner zu den neuen Grünen-Chefs gewählt werden.

Kühnert war seit 2021 Generalsekretär der Sozialdemokrat*innen und zog im selben Jahr in den Bundestag ein. Zuvor wurde er als Vorsitzender der Jusos bundesweit bekannt - unter anderem, weil er eine Kampagne gegen eine GroKo aus Union und SPD organisierte. 2019 spielte er eine entscheidende Rolle, als die Parteilinken Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in der Stichwahl gegen den heutigen Kanzler Olaf Scholz und Klara Geywitz an die SPD-Spitze kamen.

Kühnert hatte sich im März 2018 offiziell als schwul geoutet (MANNSCHAFT berichtete). Damals erklärte er, dass die erfolgreiche schwule Politiker wie der früherer Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ein «ganz wichtigen Fixpunkt» in seinem Leben gewesen seien.

Die queere Community muss einen weiteren Rückschlag verkraften: Tessa Ganserer will das Parlament verlassen 2025 wird die trans Politikerin nicht mehr kandidieren (MANNSCHAFT berichtete).

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