Ricarda Lang über ihren Rücktritt: «Ich bin kein Opfer»

Sie ist (noch) die erste offen bisexuelle Parteichefin

24.08.2024, Jena: Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen steht beim Christopher Street Day auf dem Eichplatz (Bild: Bodo Schackow/dpa)
24.08.2024, Jena: Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen steht beim Christopher Street Day auf dem Eichplatz (Bild: Bodo Schackow/dpa)

Die Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang hat sich erstmals nach der Ankündigung ihres Rücktritts in einem exklusiven TV-Interview geäussert.

In der ARD-Sendung «Konfrontation: Markus Feldenkirchen trifft Ricarda Lang» spricht Lang offen über die Beweggründe für ihren Rückzug (MANNSCHAFT berichtete), ihre Enttäuschung und den Zustand der Grünen. «Wir befinden uns gerade in der wahrscheinlich tiefsten Krise, die unsere Partei bisher erlebt hat», sagte die Noch-Chefin der Grünen. Ihr Co-Vorsitzender Omid Nouripour und sie hätten deshalb die notwendige Konsequenz gezogen: «Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass wir in der Lage sind, die Partei aus dieser Krise zu führen. Und dann klebe ich nicht an meinem Stuhl, sondern dann mache ich Platz für neue Gesichter.»

Ausschlaggebend für ihre Entscheidung sei letztlich das schlechte Ergebnis von Bündnis 90/Die Grünen bei der Landtagswahl in Brandenburg gewesen. Der Rückzug sei ein persönlicher Schritt, den sie aus eigener Überzeugung vollzogen habe: «Das war meine eigene Idee, ich habe das selbstbestimmt entschieden.»

Lang wies Gerüchte zurück, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sie zu diesem Schritt gedrängt habe. Auf die Frage, ob Habeck sie loswerden wollte, antwortete Lang: «Nein, das stimmt nicht.» Lang ergänzte: «Ich finde es unpassend, dass gerade bei einer jungen Frau so getan wird, als bräuchte sie einen Architekten, einen Strippenzieher, um so eine Entscheidung zu treffen. Ich treffe meine Entscheidung schon alleine.»

Sie nannte vor allem zwei zentrale Gründe für ihren Rücktritt: die zunehmende Entfremdung zwischen Politik und Bevölkerung sowie die tiefe Krise, in der sich Bündnis 90/Die Grünen nach mehreren Wahlverlusten befinde. Sie betonte, dass es keinen Platz für eine «Augen zu und durch»-Mentalität gebe: «Wenn bei den Menschen das Gefühl ankommt, dass wir nicht mal mehr den Schuss hören, dann führt das zum Vertrauensverlust.» Ihr Rücktritt solle der Partei die Möglichkeit geben, sich für den kommenden politischen Wettbewerb besser aufzustellen.

Im Interview mit Feldenkirchen räumte Lang auch persönliche Fehler ein und sprach von einem Scheitern ihrer Ziele: «Ich bin in diesen Vorstand gegangen, um das soziale Profil zu schärfen. Den Menschen mit mittlerem und kleinem Einkommen wollte ich zeigen, dass wir für sie da sind. Das ist mir nicht gelungen.»

Emotionale Worte fand Lang im Gespräch, als sie gefragt wurde, ob ihr die Entscheidung zum Rücktritt wehgetan habe: «Ja, natürlich. Ich habe die letzten Jahre unfassbares Herzblut in diesen Laden gesteckt.» Sie fügte hinzu: «Dieser Schritt war schmerzhaft für mich, der war hart für mich, der war emotional für mich.»

Lang zeigte sich entschlossen, weiter in der Politik aktiv zu bleiben: «Aus der Politik verabschiede ich mich nicht. Ich werde wieder für den Bundestag kandidieren und weiterhin politisch gestalten.»

Auf die Frage von Feldenkirchen, ob der Hass, der ihr in den sozialen Medien entgegenschlägt, einen Einfluss auf ihren Rücktritt gehabt habe, äusserte Lang: «Der Bullshit, der da kommt, das ist ja keine Kritik, das hat rein gar nichts mit meinem Rückzug zu tun. Das will ich auch einmal ganz klar sagen. Ich bin kein Opfer und ich werde mich auch nicht von diesem Bullshit definieren lassen.»

Markus Söders Meinungen haben die Halbwertszeit von einem durchschnittlichen Joghurt.

Lang äusserte in dem TV-Gespräch harte Kritik in Richtung CSU-Chef Markus Söder, der in der vergangenen Zeit einer der schärfsten Grünen-Kritiker war. «Markus Söders Meinungen haben die Halbwertszeit von einem durchschnittlichen Joghurt. Ich glaube, der würde seine Oma verkaufen, wenn er damit gerade politisch irgendwie vorankommen würde.» Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, den sie zwar nicht unbedingt politisch, aber persönlich schätze, werde es mit Söder nicht leicht haben, sollte er Bundeskanzler werden.

Es sei «ein Angriff auf Friedrich Merz», was Söder derzeit betreibe: «Wenn Merz am Ende eine schwarz-grüne Koalition machen will, dann werden die Ansagen nicht in Berlin, sondern in München gemacht. Und ehrlicherweise kann Friedrich Merz das nicht auf sich sitzen lassen.»

Die ARD-Sendung «Konfrontation: Markus Feldenkirchen trifft Ricarda Lang» wird am Montag, den 30. September um 22:50 Uhr im Ersten ausgestrahlt und ist bereits ab 18:00 Uhr in der ARD Mediathek verfügbar.

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