Queers in Thüringen: Zwischen Drohungen und Hoffen auf Toleranz
Beleidigungen und Übergriffe sind keine Einzelfälle
Die ersten CSD-Termine für 2022 sind bekannt. In diesem Jahr könnten weitere Städte dazukommen. Das ist nicht nur mit Vorfreude verbunden. Auch mehr als 50 Jahre nach den Protesten in der Christopher Street in New York leben viele Menschen mit Angst.
In Thüringen könnten in diesem Jahr neben Weimar, Erfurt, Jena, Gera und Altenburg weitere Städte zum Austragungsort für Christopher Street Days (CSD) werden. Interessensbekundungen und erste Planungsabsprachen für neue Standorte gebe es sowohl im Osten als auch im Westen des Freistaats, hiess es vonseiten der CSD-Bündnisse. «Es wird jedes Jahr mehr und darüber freuen wir uns sehr», sagte etwa Theresa Ertel vom CSD-Bündnis Jena. Das Bündnis setzt sich für die gesellschaftliche Akzeptanz von queeren Menschen in Jena ein.
Der potenzielle Zuwachs bereitet Ertel aber auch Sorgen. Die Hoffnung sei, dass – anders als beim ersten Altenburger CSD 2021 – dann nicht erneut ein Grossaufgebot der Polizei bei einer Demo für Gleichstellung, Akzeptanz und Vielfalt gebraucht werde. Das sei zum Glück in Jena nicht der Fall gewesen. Ein erstes Planungstreffen für 2022 ist in Jena für Donnerstagabend anberaumt.
Auch im Nachhinein bekomme ich immer wieder Drohungen.
In Altenburg steht der Termin für den kommenden Christopher Street Day bereits. Am 2. Juli soll zum zweiten Mal im Rahmen eines CSD an die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans, inter und queeren Menschen erinnert werden.
Veranstalter Torge Dermitzel hatte nach der Bekanntgabe des ersten CSD Hunderte Hassbotschaften und Morddrohungen in den Sozialen Netzwerken erhalten. «Auch im Nachhinein bekomme ich immer wieder Drohungen», sagt Dermitzel. Die Gemeinschaft in Altenburg sei daher vorrangig anonym aktiv.
Beleidigungen, Drohungen und Angriffe: Den Berichten der Bündnisse und Organisationen zufolge sind sie keine Einzelfälle in Thüringen. Queere Menschen seien auch heute noch Gefahren beziehungsweise Übergriffen ausgesetzt. Immer wieder berichteten Mitglieder über Benachteiligung, abfällige Kommentare und Ähnliches im Alltag, sagt auch Ertel.
Zuletzt hatten Unbekannte ein Banner des Bündnisses verbrannt (MANNSCHAFT berichtete). Der Vorfall stehe exemplarisch für «die vielen Gründe, weswegen Christopher Street Days heute noch notwendig sind», so Ertel. «Abgesehen von einer juristischen Gleichstellung, für die wir bis heute kämpfen müssen, haben wir für eine gesellschaftliche Gleichstellung noch viel vor uns.»
Gewalttaten gegen Menschen der LGBTIQ-Community sind auch für Franziska Schestak-Haase von der Beratungsstelle ezra nicht neu. «Beispiele dazu kennen wir aus Erfurt, Altenburg und nun auch Jena.» Betroffen seien hier auch Aktive, die sich für die Interessen und Sichtbarkeit der Community einsetzen.
«In Thüringen haben wir so wahnsinnig viel zu tun», sagt Dermitzel. Insgesamt fehle es an «sicheren Räumen», in denen sich etwa queere Jugendliche angstfrei treffen und austauschen könnten. «Unfassbar viele Menschen» in Thüringen sind dem Veranstalter zufolge nicht sichtbar queer. Die eingeschränkte Sichtbarkeit habe vor allem mit einem Rückzug der Menschen aufgrund geringer Toleranz – insbesondere in ländlichen Regionen – zu tun.
Der CSD soll an die Menschenrechte von LGBTIQ erinnern. Ende Juni 1969 stürmten Polizisten in New York die Bar «Stonewall Inn» in der Christopher Street und lösten einen Aufstand von Schwulen, Lesben und trans Personen gegen die Willkür aus (MANNSCHAFT berichtete).
Im Jahr 2020 erstrahlte das Hochhaus des Thüringer Landtags in den Farben der Regenbogenflagge und erstmals wehte die Regenbogenflagge vor dem Parlament (MANNSCHAFT berichtete).
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