Queerbeauftragte Koch: «Erlebe die Community angespannt wie lange nicht»

Auch dieses Jahr gab es wieder viele Übergriffe auf CSDs

CSD in Bremen 2025
CSD in Bremen (Bild: Stephan Bischoff)

Bisher gab es schon über 30 Angriffe auf CSDs in Deutschland. Die Queerbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Sophie Koch, zeigt sich besorgt.

So langsam geht die Pride-Saison zu Ende. Doch auch in diesem Jahr gab es wieder eine Reihe an Übergriffen, Belästigungen, Angriffen und Beleidigungen. Unterschiedliche Formen der Einschüchterungen und des Hasses gegen queere Menschen und die Demonstrationen von ihnen haben nach den vergangenen Jahren auch 2025 wieder stattgefunden.

Los ging es Anfang Mai mit einer riesigen Welle des Hasses im Netz, als in Moers das Datum für den CSD bekannt gegeben wurde. Mitte Mai wurde nach einer Anschlagsdrohung der CSD in Gelsenkirchen ganz abgesagt (MANNSCHAFT berichtete). Im selben Monat beschädigten zwei Unbekannte die trans-Fahne einer teilnehmenden Person beim CSD im hessischen Schlüchtern.

Der Juni begann mit Angriffen auf das queere Zentrum in Karlsruhe. Unbekannte schmissen Eier auf die dortigen Briefkästen und Häuser weiterer queerer Vereine. Mitte Juni hat die Polizei Munition in einer Wohnung in Wernigerode (MANNSCHAFT berichtete). gefunden, nachdem ein Mann mit einem Anschlag auf den dortigen CSD gedroht hatte. In Pforzheim und Wetzlar kam es sogar zu Demonstrationen gegen die dortigen CSDs. In Emden wurde einer Person ins Gesicht geschlagen und in Regensburg wurde die Pride-Parade nach einer Drohmail ganz abgesagt.

Auch die Monate Juli und August zeigten immer wieder solche Vorfälle, etwa Beleidigungen von Teilnehmer*innen in Nordhausen oder Gegenproteste in Bernau und Mönchengladbach. Im August kam es in Bautzen sogar zu 20 Strafanzeigen der Polizei wegen des Zeigens verfassungsfeindlicher Symbole (MANNSCHAFT berichtete). In Madgeburg erreichte die Gegendemonstration eine Grösse von 350 Personen. In Göttingen ist sogar ein Sprengsatz neben CSD-Teilnehmer*innen gezündet worden.

Bis Ende August listet der LSVD allein für Deutschland 34 solcher Vorfälle auf. Dies sind nur die Vorkommnisse, die CSDs betreffen. Andere Vorkommnisse gegen Einzelpersonen oder Institutionen jenseits von Pride-Demos sind hierbei nicht inbegriffen. Die vom LSVD aufgeführten Tatbestände sind auch nur diejenigen, die es in die überregionale Presse geschafft haben. Vieles andere dürfte unter dem Radar geblieben sein.

Von einem «schwieriger werdenden gesellschaftlichen Klima» in Deutschland spricht vor dem Hintergrund all dieser Entwicklungen der LSVD. Man erlebe, wie einzelne Kommunalbehörden versuchten, den CSDs Steine in den Weg zu legen, sagt Andre Lehmann, Vorstandsmitglied beim LSVD. Hier müsse klar gesagt werden: «CSDs sind politische Demonstrationen. Mit solchen Handlungen verlassen Behörden bewusst den Boden des Rechtsstaats.»

Wie schon im vergangenen Jahr hätten rechtsextreme und christlich-fundamentalistische Gruppen gezielt gegen CSDs mobilisiert. Das seien koordinierte Angriffe, die häufig auch mit körperlichen und verbalen Übergriffen einhergehen, so der Bundesvorstand des LSVD. Diese Entwicklung ziehe sich durch das gesamte Land – ob Ost oder West, ob Stadt oder Land.

14.06.2025, Niedersachsen, Emden: Zahlreiche Demonstranten ziehen beim Christopher Street Day (CSD) in Emden durch die Stadt. Im Hintergrund steht das Historische Rathaus von Emden. Der Christopher Street Day ist eine Demonstration und ein Fest für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und anderen queeren Menschen. Foto: Lars Penning/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
CSD in Emden (Bild: (c) Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten)

Die Queerbeauftragte der deutschen Bundesregierung zeigt sich ebenfalls besorgt. Die aktuelle Saison von zwei sehr unterschiedlichen Entwicklungen geprägt, so Sophie Koch zu MANNSCHAFT. «Auf der einen Seite erlebe ich die Community so angespannt, wie lange nicht mehr. Der globale Kampf gegen die Rechte queerer Menschen und auch die Stimmungslage in Deutschland wirken sich auf die Menschen aus.» Gleichberechtigung und Sicherheit fühlten sich nicht mehr selbstverständlich an.

Sophie Koch
Sophie Koch (Bild: Sebastian Kahnert/dpa )

Aber auf der anderen Seite gäbe es auch Momente, die sehr viel Hoffnung machten, so die Queerbeauftragte. «Polizei und Sicherheitsbehörden leisten hervorragende Arbeit, um CSD-Demonstrationen zu schützen und gegen queerfeindliche Hasskriminalität vorzugehen: Dass die offiziellen Zahlen dazu seit einiger Zeit so stark steigen, hat ja auch damit zu tun, dass sich Menschen trauen, Vorfälle anzuzeigen und dass diese auch korrekt als Hasskriminalität zugeordnet werden», so Sophie Koch.

Beindruckt zeigt sich Koch von Momenten der Solidarität, wie es sie etwa in Bautzen gegeben habe als Reaktion auf den rechtsextremen Angriff im letzten Jahr. Koch ist davon überzeugt: «Die grosse Mehrheit der Menschen möchte weder Kulturkampf noch den Rückbau von Gleichheitsrechten – und erst recht nicht den Rückbau von Rechtsstaatlichkeit.»

23.08.2025, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Teilnehmer des Christopher Street Day gehen bei einem Demonstrationszug durch die Innenstadt. Die Teilnehmenden wollen ein Zeichen für Vielfalt, Gleichberechtigung und Liebe setzten. Foto: Heiko Rebsch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
CSD in Magdeburg (Bild: (c) Copyright 2025, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten)

Derweil zeigt ist auch das deutsche Innenministerium alarmiert über die Entwicklung der Anfeindungen. Neben dem Anstieg der Drohungen im Netz seien seit Juni 2024 auch vermehrt Vorfälle in der realen Welt vonseiten der rechtsextremistischen Szene zu beklagen. Die stellvertretende Sprecherin des Bundesinnenministers spricht gegenüber MANNSCHAFT von einer «besorgniserregenden Entwicklung». Im Blick habe man seitens des Ministeriums auch den von der rechten Szene bereits 2023 gestarteten sogenannten «Stolzmonat».

Auch im Jahr 2025 habe es solche queerfeindlichen Aktionen gegeben, betont das Ministerium. Diese gingen «überwiegend von einem jungen aktionsorientierten rechtsextremistischen Personenpotential aus», das teilweise den neuen rechtsextremistischen Jugendgruppen und Jugendorganisationen von rechtsextremistischen Parteien zuzurechnen sei, so die stellvertretende Sprecherin des Innenministers. Genaue Zahlen dazu gäbe es jedoch erst in der Kriminalitätsstatistik im nächsten Jahr, wie das Ministerium erklärt.

Bei solchen Vorfällen vor Ort präsent ist dann jeweils immer die Polizei und muss eingreifen. Daher ist auch in der AG Vielfalt der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Gewalt gegen queere Menschen ein Thema. «Besonders herausfordernd bleibt, dass es immer wieder zu Anfeindungen und auch zu körperlicher Gewalt kommt», sagt Sibylle Krause aus dem Bundesvorstand der GdP. Die Gewalt habe im Vergleich zu den Vorjahren weiter zugenommen. Ebenso entscheidend sei es aber, das Anzeigeverhalten der Menschen zu stärken: Jede Tat sei eine Tat zu viel. Ohne Strafanzeige könne die Polizei jedoch weder wirksam helfen noch die Täterschaft konsequent zur Verantwortung ziehen, erklärt die Gewerkschafterin.

«Kritisch sehen wir, dass es bislang keine bundeseinheitlichen und queersensiblen Sicherheitskonzepte gibt. Aus unserer Sicht ist es daher zentral, die vorhandenen Strukturen in der Polizei stärker zu vernetzen und Wissenstransfer zu leisten», sagt Krause. «Unser Ziel als AG Vielfalt der GdP des Bundes ist, dass alle Menschen ihre Rechte jederzeit frei, sichtbar und sicher leben können.»

Mit gemischten Gefühlen blickt natürlich auch der Verein auf das bisherige Geschehen im Jahr 2025, der sich als Dachorganisation all der Pride-Paraden sieht: der CSD Deutschland e.V. Es habe eine Rekordzahl von kleineren Städten, Landkreisen, Gemeinden gegeben, in denen queere Menschen auf die Strasse gegangen seien, sagt Kai Bölle, dortiges Vorstandsmitglied. «Wir waren sichtbar und hörbar im ganzen Land - mit mehr als 200 CSD-Demonstrationen». Allerdings ist man auch besorgt über die vielen Gegenaktionen, über kleinere An- und Übergriffe. «Wie der Verfassungsschutz klar gesagt hat: Queer zu sein bedeutet Gefahr für Leib und Leben», sagt Bölle.

Kritisch sieht man beim CSD Deutschland auch das Verhalten der deutschen Bundestagspräsidentin (MANNSCHAFT berichtete). Ihr Verhalten habe schon «den Charakter einer Jagd auf Regenbogensymbole». Damit zeige sie aus dem zweithöchsten Amt im Staat ein Verhalten, dass dem von AfD und ihren rechtsextremen Vorfeldorganisationen gleicht, sagt Kai Bölle.

Das erklärte Feindbild rechter Akteure seien vor allem trans und nicht-binäre Menschen, ist man sich im CSD Deutschland sicher. «Die Gewalt nimmt rapide zu» und sie richte sich gegen alle Befürworter*innen einer offenen liberalen Gesellschaft.

«Gerade wir als Pride-Bewegung sind eben der exakte gesellschaftliche Gegenentwurf», so Kai Bölle. Man sei «offen, liberal, um Verständigung miteinander bemüht und uns bewusst, dass Menschen vielfältig sind - und in dieser Unterschiedlichkeit eben gleich wertvoll.»

Mehr: Auch dank queerer Produktionen: Magdeburg ist Theater des Jahres (MANNSCHAFT berichtete)

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