Nach homophobem Lehrer-Mobbing: Günther‑Wünsch kündigt Konsequenzen an
Die CDU-Politikerin sieht «Verantwortungslosigkeit oder Verschiebung von Verantwortung»
Der Fall des schwulen Pädagogen Oziel Inácio-Stech soll nun doch Konsequenzen haben. Die Bildungssenatorin kündigt eine Überarbeitung der Beschwerdestrukturen an. Reicht das?
Nach rund vier Stunden Akteneinsicht und einem zweistündigen Gespräch mit Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) gehen die Einschätzungen zum Fall des schwulen Pädagogen Oziel Inácio-Stech (MANNSCHAFT berichtete) auseinander. Unabhängig davon kündigte die Senatorin Konsequenzen an.
So sollen die Beschwerdestrukturen in der Bildungsverwaltung überarbeitet werden. Das Ziel müsse dabei sein, schneller als bisher verlässliche Ansprechpartner zu haben. «Wir brauchen eine zentrale Stelle, die steuert und monitort im Bereich der Mobbing- und Diskriminierungsfälle», sagte sie nach dem Gespräch mit Mitgliedern des Abgeordnetenhauses.
Die Parlamentarier hatten zuvor Einsicht in die etliche hundert Seiten umfassenden Akten zum Umgang mit Inácio-Stech genommen, der nach eigenen Angaben wegen seiner Homosexualität monatelang von Schüler*innen gemobbt, beschimpft und beleidigt wurde (MANNSCHAFT berichtete). Er beklagt ausserdem Mobbing und falsche Vorwürfe durch eine Kollegin sowie mangelnde Unterstützung durch Schulleitung, Schulaufsicht und Bildungsverwaltung.
Günther-Wünsch räumte ein, dass die bisherigen Strukturen nicht ausreichend seien: «Wir sehen ja, dass die dezentralen Stellen eher zur Verantwortungslosigkeit oder zur Verschiebung von Verantwortung geführt haben, aber nicht zur Lösung, geschweige denn zu Hilfsangeboten für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen.»
«Und wir werden auch im Bereich der Schulaufsichten die Qualifizierung reformieren. Wir werden Aufgabenprofile neu nachschärfen, weil es zukünftig besser gelingen muss, dass Schulaufsichten Schulleitungen unterstützen», sagte die Bildungssenatorin.
«Deutlich geworden ist, dass es eben nicht mit einer einfachen Schuldzuweisung getan ist, sondern dass wir einen Fall haben, der von gegenseitigen Mobbing- und Diskriminierungsvorwürfen, von gegenseitigem Fehlverhalten oder Vorwürfen des Fehlverhaltens gekennzeichnet ist.»
Mehrere Abgeordnete räumten ein, dass der Fall komplex sei - eine frühere Formulierung der Senatorin aufgreifend. Das machte auch der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Louis Krüger. Er sieht sich durch die Aktenlage aber in der Einschätzung bestätigt, es habe im Umgang mit Inácio-Stech «strukturelles Versagen» gegeben.
Deutlich werde ein Aufsichts- und Leitungsversagen von einzelnen Personen, sagte er im Anschluss an das Gespräch. Hier müsse es auch dienstrechtliche Konsequenzen geben. Klar geworden sei ein Mangel an Qualifikation und Sensibilität. «Die Beschwerdestrukturen greifen nicht», kritisierte er.
Es gebe ausserdem weiter offene Fragen: «Die Rolle der Senatorin ist noch nicht geklärt», sagte Krüger. «Wann hat sie was gewusst?» Die Grünen kündigten an, weitere Akten anfordern zu wollen, um sich noch mehr Klarheit zu verschaffen.
Auch der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Marcel Hopp, sagte, der Fall zeige, dass es ein Aufsichts- und Leitungsproblem gebe. Diese Wahrnehmung habe sich bei ihm nach der Akteneinsicht noch verstärkt. Nötig sei ein funktionierendes Beschwerde- und Monitoringsystem für solche Fälle.
Die Bildungsexpertin der CDU-Fraktion, Sandra Khalatbari, betonte, es sei in jedem Fall gut und richtig gewesen, Akteneinsicht zu nehmen. Die mehreren 100 Seiten zeigten, wie umfangreich und vielfältig der Fall sei. Es sei deutlich geworden, dass die Meldestrukturen für solche Fälle näher in den Blick genommen werden müssten.
Linke-Abgeordnete Franziska Brychcy sagte, die Akteneinsicht habe gezeigt, dass der Pädagoge Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sei. «Schulleitung und Schulaufsicht haben nicht adäquat auf die von ihm erhobenen Diskriminierungsvorwürfe reagiert.» Von Günther-Wünsch erwarte sie, dass sie die Versäumnisse in ihrem Haus anerkenne, Verantwortung übernehme und entsprechende Massnahmen einleite, damit sich solch ein Fall nicht wiederhole.
AfD sieht keine Fehler der Schulleitung Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Tommy Tabor, kam zu einem anderen Fazit: «Gemäss der Aktenlage ist erkenntlich, dass sich die Schulleitung überaus professionell verhalten hat», sagte er. Aus seiner Sicht habe es auf der Seite des homosexuellen Pädagogen dagegen ein grenzüberschreitendes Verhalten gegenüber Schülern gegeben.
«Strukturelle Verbesserungen, um in Zukunft alle Beteiligten besser zu schützen, müssen angegangen werden», forderte er mit anderer Stossrichtung als die übrigen Abgeordneten.
Ein Missbilligungsantrag der Grünen-Fraktion gegen die Senatorin war am vergangenen Donnerstag im Abgeordnetenhaus gescheitert. Die Grünen hielten ihr vor, falsche Angaben dazu gemacht zu haben, wann sie einen an sie gerichteten Anwaltsbrief im Auftrag von Inácio-Stech bekommen hat.
Günther-Wünsch hatte im Abgeordnetenhaus zunächst gesagt, den Brief erst in diesem Mai gelesen zu haben, dann aber eingeräumt, dass ihr das Schreiben vom 4. Dezember 2024 persönlich vorgelegen habe (MANNSCHAFT berichtete). Für die falsche Aussage hatte sie sich im Parlament entschuldigt (MANNSCHAFT berichtete).
Keine Klassenfahrt – weil Dario schwul ist! Der Schüler aus NRW wurde gemobbt und wollte nicht auf ein Zimmer mit anderen Jungs (MANNSCHAFT berichtete)
Das könnte dich auch interessieren
Polizei
Kritik an Gewerkschafter Wendt: «Abstossende Diffamierung der queeren Szene»
Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, meint, dass LGBTIQ anderen ihre Identität anderen «aufdrängen» wollten und «aggressive Forderungen nach permanenter Sichtbarkeit» stellten. Die Vereinigung Better Police kritisiert die Äusserungen scharf.
Von Kriss Rudolph
News
Deutschland
Hamburg
«Leuchtendes Beispiel» – Pride Award für Susanne Baer
Sie war die erste offen lesbische Richterin am Bundesverfassungsgericht: Die Juristin Susanne Baer erhält nun den Hamburg Pride Ehren Award.
Von Newsdesk Staff
Pride
News
Lesbisch
Award
Film
«Knochen und Namen» nimmt sich viel Zeit für viel Gefühl
Sex zu Pachelbels Kanon, Diskussionen über Tod und Taylor Swift: Warum der Queer-Film «Knochen und Namen» mit langen Kamerapausen und stillen Momenten überrascht.
Von Newsdesk/©DPA
Queer
TV
Schwul
Unterhaltung
USA
10 Jahre Ehe für alle: Aktivist Obergefell fürchtet Ausradierung
2015 machte die Klage von Jim Obergefell machte die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in den USA möglich. Zehn Jahre später warnt er: Unter der Trump-Regierung könnte dieses Recht wieder verschwinden.
Von Newsdesk Staff
Liebe
News
Ehe für alle