Die vergessene queere Seite von «Beetlejuice»

Interview mit Laurence Senelick über den schwulen Originaldrehbuchautor Michael McDowell

Michael Keaton in «Beetlejuice Beetlejuice» (Foto: Warner Bros.)
Michael Keaton in «Beetlejuice Beetlejuice» (Foto: Warner Bros.)

Als 1988 der erste Teil des Oscar-prämierten Films «Beetlejuice» ins Kino kaum, fokussierte sich die ganze Aufmerksamkeit auf Regisseur Tim Burton sowie Michael Keaton als Titelheld. Dass der Stoff von einem schwulen Drehbuchautor erfunden wurde, hat kaum jemand kommentiert. Zeit, das zum Start der Fortsetzung zu ändern.

Das Originaldrehbuch schrieb der US-amerikanische Horrorautor Michael McDowell, der mit der schwarzhumorigen Komödie «Beetlejuice» den Durchbruch in der Filmbranche schaffte. Er wurde 1950 in Alabama in den Südstaaten der USA geboren. Mit nur 49 Jahren starb er an den Folgen einer Aids-Erkrankung. Sein Lebenspartner Laurence Senelick – mit dem McDowell 30 Jahre zusammen war – ist einer der bekanntesten Theaterwissenschaftler der USA, der bis zu seiner Emeritierung an der berühmten Tufts Universität nahe Boston unterrichtete und ein Pionier im Bereich von queerer Theaterforschung ist, mit vielen bahnbrechenden Publikationen wie z.B. «The Changing Room: Sex, Drag and Theatre», aber auch Übersetzungsanthologien wie «Lovesick: Modernist Plays of Same-Sex Love, 1894-1925».

Senelick lebt heute, 81-jährig, in der Nähe von Boston und ist der Erbe der Rechte an McDowells Oeuvre. MANNSCHAFT traf ihn kurz vor der Premiere von «Beetlejuice Beetlejuice» zum Gespräch.

In Teil 2 der Horrorkomödie führt übrigens wieder Tim Burton Regie, Michael Keaton kehrt als Dämon und «Bio-Exorzist» zurück, ebenso Winona Ryder als Lydia Deetz. Ihre Tochter wird von Nachwuchsstar Jenna Ortega gespielt.

Michael McDowell (l.) und Laurence Senelick in Medford, Massachusetts, Mitte der 1980er-Jahre (Foto: Privat / Archiv Laurence Senelick)
Michael McDowell (l.) und Laurence Senelick in Medford, Massachusetts, Mitte der 1980er-Jahre (Foto: Privat / Archiv Laurence Senelick)

Herr Senelick, Ihr verstorbener Lebenspartner Michael McDowell war ein sehr erfolgreicher Autor im Bereich Horror. Können Sie sich noch erinnern, wie er zuerst von der «Beetlejuice»-Idee erzählte? Als wir umzogen von einem Apartment im akademisch geprägten Cambridge in ein Haus im Vorort Medford (damit ich näher an der Tufts Universität sein konnte, wo ich angefangen hatte zu lehren), empfanden wir unsere Nachbar*innen als laut, aufdringlich und ziemlich un-sympatico. Bei einem Abendessen diskutierten Michael und ich über die Bandbreite von damals populären Gespensterfilmen – Ghost Busters, The Amityville Horror, Poltergeist usw.  In all diesen Filmen waren die Geister bösartig und terrorisierten die Lebenden, meist eine nette Kernfamilie.

Was wäre, fragten wir uns, wenn die von Geistern verfolgten Menschen die Schrecklichen wären und stattdessen die Geister die Sympathieträger*innen? Dann müssten sie «ihr» Haus von den Eindringlingen befreien und im Notfall einen «Bio-Exorzisten» rufen (ein Begriff, den Michael damals erfunden hatte), um sich von den Menschen zu befreien.

Das war der Keim, aus dem «Beetlejuice» hervorging. Wir dachten, damit könnten wir in Hollywood jemanden überzeugen, das als Filmidee zu akzeptieren. Aber wir hätten niemals geglaubt, dass daraus je ein solcher Kultfilm entstehen könnte.

Ich sollte allerdings erwähnen, dass es viele grosse Änderungen gab zwischen dem originalen Skript und dem fertigen Film, was völlig normal ist in Hollywood. Die ersten Entwürfe waren deutlich dunkler und weit weniger komisch.

Ist das Horrorgenre besonders geeignet für queere Autor*innen und Fans? Und gibt es in «Beetlejuice» queere Elemente, die Michael heimlich an den Produzenten «vorbeigeschmuggelt» hat? Es stimmt zwar, dass queere Autor*innen das Leben oft aus einer anderen Perspektive sehen und dadurch einen verdrehten Zugang zu Dingen haben, ansonsten glaube ich allerdings nicht, dass es für sie eine besondere Nische im Bereich Horror-Fiction gibt. Abgesehen von den queeren Elementen bei Ann Rice (MANNSCHAFT berichtete) und so was wie H. P. Lovecraft, kommen erfolgreiche Horrorautor*innen aus allen Bereichen des sexuellen Spektrums. Und man kann ja wohl kaum mehr «hetero» sein als Horrorlegenden wie Stephen King oder Peter Straub. Michael war zu sehr daran interessiert, dass «Beetlejuice» verfilmt wird, als dass er mit LGBTIQ-Elementen potenzielle Produzenten verschreckt hätte. Vielleicht ist die Figur des Kultur-Influencers Otho das queerste Detail, zusammen mit der allgemeinen Vorliebe im Film für Fünfziger-Jahre-Kitsch.

Die Idee vom Jenseits als Bürokratie ergab sich aus unserer Lektüre von Kafka

Einige Elemente basierten auf unserer Sammlung von frühen Fotografien und Todes-Memorabilia. Das Bordell im Miniaturmodell der Stadt geht zurück auf eine Stereoskopie aus dem 19. Jahrhundert mit Skelett-Figurinen, die zeigt, wie das Leben in der Hölle angeblich aussieht. Und die Idee vom Jenseits als Bürokratie ergab sich aus unserer Lektüre von Kafka.

Nachdem «Beetlejuice» im Kino angelaufen war und sich als riesiger Erfolg entpuppt hatte, wurde Michael vom irischen Filmemacher Neil Jordan kontaktiert, der ihm eine Zusammenarbeit anbot. Der Film sollte eine Geisterkomödie werden über eine Gruppe amerikanischer Touristen, die ein Spukschloss in Irland besuchen. Zu Michaels Besucher*innen gehörte ein schwules Paar. Schlussendlich bezahlte Neil Michael jedoch aus, schrieb alles um und machte daraus den Film «High Spirits» – ohne schwules Paar.

Wie hat der Erfolg von «Beetlejuice» das Leben von Michael verändert? Geografisch wurden wir dadurch auseinandergerissen − mit einem Kontinent, der plötzlich zwischen uns lag. Er fokussierte sich aufs Schreiben von Drehbüchern, wurde Teil einer Firma, die Pecos Productions hiess. Er hatte sowohl ein Apartment als auch ein Bürobungalow in Los Angeles. Er nahm seine Schwester mit nach Kalifornien, um seine Büroleiterin zu werden. Ich hingegen blieb in Boston. Natürlich sind wir beide ständig hin und her geflogen und haben uns besucht, und natürlich ist sein Einkommen substanziell in die Höhe geschossen. Aber der Fokus verlagerte sich.

Michael McDowell als erfolgreicher Autor in Hollywood (Foto: Privat / Archiv Laurence Senelick)
Michael McDowell als erfolgreicher Autor in Hollywood (Foto: Privat / Archiv Laurence Senelick)

Eine Folge davon war, dass er aufhörte Tagebuch zu schreiben, was er zuvor mit fast religiösem Eifer seit Collegetagen getan hatte und alles minutiös festhielt, was in seinem Leben passierte. Irgendwann führte der permanente Druck in Hollywood und seine zunehmenden Süchte dazu, dass er zusammenbrach und an die Ostküste zurückkehrte.

Sie selbst waren damals Professor für Theatergeschichte an einer sehr renommierten Universität in Boston, er lebte im glamourösen Hollywood. Waren das getrennte Universen oder war es möglich, zwischen den Welten hin und her zu wechseln? In Boston waren wir ursprünglich beide viel beschäftigte Autoren, und obwohl wir uns in unterschiedlichen sozialen Zirkeln bewegten, hatten wir viele gemeinsame Freunde. Unser soziales Leben war extrem aktiv, wir waren beide involviert mit Theater- und Theaterproduktionen. Wir gaben viele Partys und reisten oft zusammen. Dann kam der Kontinent, der sich zwischen uns schob und unsere Aktivitäten, aber auch unsere Interessen zerteilte. In Kalifornien war Michael vereinnahmt von der Filmindustrie und umgeben von «Ermöglichern», die seine Obsessionen ausnutzen. Kokain und Alkohol wurden zu Konstanten in seinem Leben und beeinflussten seine Arbeitsroutine (MANNSCHAFT berichtete über das Phänomen). Er hat es letztlich selbst geschafft, wieder «nüchtern» zu werden; danach kehrte er nach Boston zurück, um dort ein gesünderes Leben zu führen.

Er starb 1999 an den Folgen von Aids. Für viele junge Menschen ist der Horror von Aids heute weit weg, fast prähistorisch. Warum war es damals nicht möglich, Michaels HIV Status unter Kontrolle zu kriegen? Und gibt es in «Beetlejuice» Schatten, die auf Aids/HIV hindeuten? Michael war ein Workaholic, der in seinem kurzen Leben mehr als 30 Romane veröffentlicht hat (einige davon Gemeinschaftsarbeiten). Er stürzte sich radikal ins Leben und war zudem ein Sexaholic. Als zuerst über Aids berichtet wurde, in den frühen 1980ern, als es noch GRID hiess (Gay Related Immunity Deficiency), dachten wir, das sei eine homophobe Verschwörungstheorie. Als dann aber unsere Freunde und Kollegen starben und wir nonstop zu Beerdigungen mussten, fühlten wir uns immer noch nicht wirklich davon betroffen. Das änderte sich, als Michael nach Hollywood zog. Seine sexuelle Abenteuerlust endete und wurde ersetzt von anderen Suchtformen. Als er später nach Boston zurückkehrte, drogenfrei und ausgenüchtert, und als er anfing, Drehbuchschreiben an einer hiesigen Uni zu unterrichten, war eigentlich das Schlimmste der Aids-Epidemie vorbei. (Und da sind wir zeitlich schon weit nach «Beetlejuice».) Deshalb war’s ein Schock, als er die Diagnose bekam.

Seine Westküstensüchte hatten seinen Körper ausgehöhlt, die Krankheit breitete sich rasch aus und erwies sich als resistent gegen Medikamente (MANNSCHAFT berichtete). Er schrieb trotzdem weiter an Auftragsarbeiten für Drehbücher für verschiedene Studios. Zum Zeitpunkt seines Todes 1999 war er beschäftigt mit einer Filmversion von E.T.A. Hoffmanns «Nussknacker».

Sie haben das Copyright an Michaels (Dreh-)Büchern geerbt. Was haben Sie damit nach 1999 gemacht? Oder anders formuliert: Haben Sie aktiv etwas unternommen, um die Erinnerung an Michael wach zu halten? Eine Biografie angestossen? Michael hatte das Glück, zwei Agentinnen zu haben, die sich als sehr loyal und proaktiv erwiesen: seine literarische Agentin Jane Otte und seine Agentin für Aufführungen, Susan Weaving, von der William-Morris-Agentur. Jane hat dafür gesorgt, dass seine Bücher in Neuausgaben wieder erhältlich wurden, nachdem sich Fans jahrelang beschwert hatten, dass sie seine Werke nur in Second-Hand-Ausgaben lesen konnten. Heute gibt es nicht nur fast alle seine Romane gedruckte und einfach bestellbar, sie existieren sogar in Übersetzungen, von Spanisch bis Mandarin. Der «Blackwater»-Zyklus war jüngst ein Bestseller in Spanien.

Band 1 der «Blackwater»-Reihe in der deutschen Übersetzung, mit lobendem Zitat von Stephen King auf dem Cover (Foto: Festa Verlag)
Band 1 der «Blackwater»-Reihe in der deutschen Übersetzung, mit lobendem Zitat von Stephen King auf dem Cover (Foto: Festa Verlag)

Susan, auf der anderen Seite, hat sich jahrelang für ein «Beetlejuice»-Bühnenmusical eingesetzt, das dann tatsächlich rauskam, 2019 am Broadway lief und nach wie vor viel gespielt wird. Sie ist auch sehr damit beschäftigt, die vielen Anfragen zu bearbeiten, von Leuten, die Michaels Werke zu Filmen oder TV-Serien machen wollen. Danach fragen auch Fans oft, allerdings sind wir sehr vorsichtig, wenn es darum geht, Lizenzen zu vergeben. Wir sind nicht ganz so strikt wie die Nachlassverwalter von Beckett oder Joyce, aber wir prüfen jede Anfrage sehr genau.

Denn Michael wurde zu oft ausgenutzt oder hängen gelassen oder sogar verraten von der Filmbranche. Auch von Verlagen wurde er oft nachlässig behandelt. Wir wollen sicher gehen, dass ihm das nicht nochmal passiert.  Es gab einige Anfragen von Journalisten aus den Südstaaten der USA, wo Michael geboren wurde, bezüglich einer Biografie. Michaels Unterlagen befinden sich heute in der Popular Culture Library der Bowling Green University, aber ich habe sein Tagebuch und einige Briefe nicht freigegeben, weil sie zu viele intime Details enthalten. Das heisst, kein*e Forscher*in, der*die ihn nicht persönlich kannte, hat Material, um eine ernsthafte Biografie zu schreiben. Und ich bin zu beschäftigt mit anderen Projekten, um es selbst zu tun.

Aus irgendeinem Grund kursierte der Arbeitstitel «Beetlejuice Goes Hawaiian»

Wann kam erstmals die Idee zu einem «Beetlejuice»-Sequel auf? Fast unmittelbar nach der erfolgreichen Filmpremiere von Teil 1 wurde über ein Sequel nachgedacht. Aus irgendeinem Grund kursierte der Arbeitstitel «Beetlejuice Goes Hawaiian». Michael arbeitete eine Weile daran, gab dann aber auf. Danach schien es, als würde jede*r neue junge Drehbuchautor*in, der*die nach Hollywood kam, die Aufgabe zugeteilt, eine Fortsetzung zu schreiben. Bis die Idee irgendwann verworfen wurde. Der Erfolg des Musicals hat das Projekt dann aber wieder neu befeuert. Ein Anwalt namens Marc Toberoff hat mich als Partner ins Boot geholt, Produzenten überzeugt und es schliesslich geschafft, das Projekt Realität werden zu lassen.

Ich hatte – ehrlich gesagt – nie viel Interesse an einem Sequel. «Beetlejuice» ist, genau wie die «Rocky Horror Show», einmalig (MANNSCHAFT berichtete), und die meisten Fortsetzungen von Erfolgsfilmen, die bis zu einem Teil 3, 4 oder 5 fortgesponnen werden, haben kaum Erfolg an der Kinokasse. Entsprechend habe ich nie wirklich geglaubt, dass es passieren würde, und ich habe mich auch nicht darum bemüht, Teil des Kreativteams für Teil 2 zu werden. Denn ich sehe den zweiten Teil völlig losgelöst von der imaginären Welt, die Michael sich einst ausgedacht hatte. Es hätte ihn sicher amüsiert, dass man nun drei Autor*innen brauchte, um ein Drehbuch zu entwickeln. Dass die Handlung jetzt rund um Halloween spielt, würde Michael vermutlich als Mangel an Originalität abtun. Allerdings ist es super, dass so viele Darsteller*innen aus dem Originalfilm wieder dabei sind, denn Michael liebte sie alle sehr, sonders Winona Ryder. Er verstand sich gut mit ihren Eltern, die Ex-Hippies waren und einen Second-Hand-Buchladen betrieben.

Postermotiv zu «Beetlejuice Beetlejuice» mit Michael Keaton und Winona Ryder (l.) (Foto: Warner Bros.)
Postermotiv zu «Beetlejuice Beetlejuice» mit Michael Keaton und Winona Ryder (l.) (Foto: Warner Bros.)

1988 war Michael Keaton die grosse Attraktion. Warum glauben Sie, dass seine Figur bis heute so populär bei jungen Menschen ist? Ich denke, dass junge Menschen eher die Figur der Tochter in ihrem Goth-Outfit ansprechend finden. Sie hat die Gabe, Geister zu sehen, während die Erwachsenen das nicht können, was suggeriert, dass Teenager eine besondere Sensibilität haben. Am Ende des Films ist sie sowohl sozial integriert in der Schule und hat besondere Kräfte (sie kann schweben). Die Maitlands wiederum sind ansprechend als Ersatzeltern. Sie sind leicht verrückt und «anders» als die Mainstreamgesellschaft um sie herum, mit ihrer Vorliebe für Calypso-Musik und Modellbau. Dass ihre enge Beziehung sogar den Tod überlebt, ist ein weiterer Bonuspunkt. Beetlejuice selbst ist eine Art Antiheld, ein «böser» Junge, der sich nicht an Regeln hält, eine neurotische Version von Marlon Brando, wenn man so will.  Auf der anderen Seite sind die negativen Charaktere nicht die «Bösewichte», sondern unattraktive Repräsentant*innen einer Erwachsenengesellschaft: prätentiös, kontrollierend, nur an Geld interessiert und stumpf.

Für mich war Alec Baldwin als der frischverheiratete Adam in Teil 1 eine ziemlich sexy Erscheinung – die Kamera zoomt ständig auf seinen perfekt gerundeten Hintern. War das Michaels Idee? Damals war Baldwin noch kein grosser Star, aber die Rolle des Adam Maitland hat seiner Karriere einen echten Schub gegeben. Er und Geena Davis können allerdings nicht in der Fortsetzung erscheinen, weil Geister ja nicht altern – und es wäre zu erschütternd, wenn die Maitlands plötzlich von anderen Schauspieler*innen gespielt würden.

Und wenn Sie glauben, Michael hätte irgendwelche Kameraeinstellungen vorgeschlagen, wissen Sie nicht, wie Filme gemacht werden, zumindest in Hollywood. Der Drehbuchautor ist verdammt auf einen Platz in der untersten Etage der Hierarchie-Pyramide. Michael schaute nur vom Rand zu, wie der Film gedreht wurde. Die Improvisationen beim Dialog kamen von Michael Keaton, aber nur Tim Burton – der das aufwändige Storyboard vorbereitet hatte – konnte Kameraperspektiven vorgeben. (Tim hatte seine Lehrjahre bei den Disney Studios absolviert, und sein Gespür für Optik war oberstes Gebot.)

Der junge Alec Baldwin (r.) mit Geena Davis in «Beetlejuice», 1988 (Foto: Warner Bros.)
Der junge Alec Baldwin (r.) mit Geena Davis in «Beetlejuice», 1988 (Foto: Warner Bros.)

Haben Sie den neuen Film schon gesehen Und wie ist es, 25 Jahre nach Michaels Tod wieder mit Hollywoodstars zu tun zu haben? Obwohl ich als Exekutivproduzent gelistet werde, habe ich nicht mal das Drehbuch gelesen. Ich habe die gleichen Trailer gesehen und Vorabinterviews gelesen wie alle anderen. Ich werde mir den Film in einem Kino in Boston anschauen, wenn er hier rauskommt. Übrigens habe ich damals während der Dreharbeiten des ersten Teils ab und zu am Set vorbeigeschaut. Wir hatten auch ein Abendessen mit Tim Burton. Michael und ich waren bei den Location-Shoots in Vermont vor Ort. Ausser Winona war Glenn Shadix (der Otho spielt) der einzige Darsteller, mit dem wir ein engeres Verhältnis hatten. Michael hatte ihn für die Rolle vorgeschlagen, weil er – wie Michael – aus Alabama kam.

Als der erste Teil 1988 rauskam, war es sowohl in Hollywood als auch anderswo schwierig, LGBTIQ-Themen in Filmen anzusprechen. Es gab damals eine massive Homophobiewelle, in den USA, aber auch im deutschsprachigen Raum. Wie beurteilen Sie die Veränderungen seither? Heute scheint es ja geradezu obligatorisch, dass es queere Storylines in Filmen und Serien gibt (MANNSCHAFT berichtete). Hätte Michael das gefallen? Wir waren beide sehr engagiert in Bezug auf die Verbreitung von Queer Culture. Wir marschierten in den frühesten Pride-Paraden in Boston mit, nahmen an Lesungen und Rallyes teil, spendeten für LGBTIQ-Organisationen und -Veröffentlichungen. Wir wurden Freunde des schwulen Pornografen John Preston, Michael hat mit ihm an einer Vielzahl von (heterosexuellen) Actionromanen mit Militärsetting zusammengearbeitet. Zu unserem grösseren Bekanntenkreis gehörten viele «Movers and Shakers» als der schwulen Kulturszene, vom Romancier Felice Picano bis zur Dominatrix Miss Victoria.

Zu unserem Bekanntenkreis gehörten viele «Movers and Shakers» als der schwulen Kulturszene

Ich selbst schrieb die Boston-Kolumne fürs Magazin After Dark, habe einige der allerersten wissenschaftlichen Texte zu Cross-Dressing und schwuler Theatergeschichte geschrieben, ich unterrichtete auch die ersten Seminare zu schwule-lesbischer Theater- und Filmgeschichte an der Tufts Universität. Mit dem afro-amerikanischen Dramatiker Phil Blackwell habe ich am Theaterstück «City Men» zusammengearbeitet, das in New York auf die Bühne kam. Ausserdem waren Michael und ich sehr sichtbar als Paar, wir besuchten alle Events zusammen.

Michael McDowell und Laurence Senelick, Weihnachten 1981 (Foto: Privat / Archiv Laurence Senelick)
Michael McDowell und Laurence Senelick, Weihnachten 1981 (Foto: Privat / Archiv Laurence Senelick)

Aber nichts davon hatte etwas mit Hollywood und Filmemachen zu tun. In jenen Jahren waren die mächtigen LGBTIQ-Entscheider und Leute mit Einfluss zwangsläufig «in the closet». Natürlich wussten die, die sich auskannten, wer queer war und wer nicht und was sie so machten. Ein berühmter Studiochef hatte einen Autounfall, als er versuchte, einen Stricher auf dem Hollywood Boulevard aufzugabeln. Aber das wurde vertuscht und vor der Öffentlichkeit geheim gehalten.

Worauf freuen Sie sich am meisten in Teil 2 von «Beetlejuice»? Die Einnahmen. (lacht) Und darauf, dass Michaels Arbeit und Anteil an dem Stoff mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Haben Sie noch Originalmaterial von «Beetlejuice» zuhause? Wie schon gesagt, das ganze Material liegt in Bowling Green. Und Michael hat in Hollywood kein Tagebuch mehr geführt. Er hat auch nicht von den vielen «Beetlejuice» Spin-offs profitiert: die Samstagmorgencartoons, das Spielzeug usw. Aber ich habe noch einige der Spielzeugartikel in den Originalverpackungen. Das war’s. «Beetlejuice» und Michaels andere Kinofilme waren nur ein kleiner Teil seiner enormen Produktivität. Er schrieb Romane in vielen Genres: Horror, Detektivgeschichten (u.a. die schwule «Valentine & Clarisse»-Reihe), Militärgeschichten, Romance, historische Stoffe, aber auch Theaterstücke und viele Stücke fürs Fernsehen. Es ist befriedigend, dass «Beetlejuice» ein derartiges Popkultur-Phänomen geworden ist, aber das sollte nicht die vielen anderen Aspekte von Michaels Oeuvre überschatten.

Das unter dem Pseudonym Nathan Aldyne geschriebene Buch «Cobalt» aus der Valentine-&-Lovelace-Reihe (Foto: Felony & Mayhem Press)
Das unter dem Pseudonym Nathan Aldyne geschriebene Buch «Cobalt» aus der Valentine-&-Lovelace-Reihe (Foto: Felony & Mayhem Press)

Ein Freund aus Barcelona hat mir gerade einen langen Artikel aus El Pais geschickt, der Anfang August erschien. Darin geht es um Michaels Romaneihe «Blackwater». Der Autor vergleicht Michael darin mit Balzac und Hugo – und nennt verblüffende Verkaufszahlen. Hollywood hingegen hat nie wirklich gewürdigt, wie gut Michael war.

«Beetlejuice Beetlejuice» kommt offiziell am 12. September in Deutschland in die Kinos, in der Schweiz ebenfalls am 12. und in Österreich am 13. September.  

Als Schauspielerin, Sängerin und Broadway-Star kann Liza Minnelli auf eine seit Jahrzehnten andauernde Achterbahnkarriere zurückblicken. Mit 78 Jahren schreibt sie nun ihre Memoiren, mit einem schwulen Co-Autor (MANNSCHAFT berichtete).

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