Lagerfelds Geisterhaus verkauft: Er schlief wohl nur eine Nacht dort
In der Küche liess er fünf Spülbecken einbauen
Vier Jahre lang hat er seine Villa akribisch restauriert, um wohl nur eine einzige Nacht darin zu verbringen. Nun wurde sie verkauft. Ein Ort, so rätselhaft wie der Mann, der ihn hinterliess.
Keine pompöse Villa voller opulenter Verspieltheit, vielmehr ein Herrenhaus von kühler Eleganz, das mehr von bürgerlicher Repräsentation als von royaler Pracht erzählt: die «Villa Louveciennes» von Karl Lagerfeld. Jahrelang renovierte und gestaltete der 2019 verstorbene Modezar das Anwesen rund 20 Kilometer westlich von Paris – nur um es letztlich kaum zu bewohnen. Ein Ort, der so rätselhaft ist wie sein Schöpfer.
Am 1. Juli kam das Anwesen unter den Hammer und wurde für 4,685 Millionen Euro versteigert – nur 50'000 Euro über dem Schätzpreis, wie die Notarkammer mitteilte. Der Kauf ist noch nicht endgültig, denn eine Überbietung sei noch zehn Tage lang möglich. Der oder die glückliche Käufer*in kann sich über rund 600 Quadratmeter Wohnfläche freuen – ein ehemaliges Jagdschlösschen mit herrschaftlichem Entrée, eleganten Salons, einem Arbeitszimmer, mehreren Schlafzimmern, vier Bädern und einem Aufzug. Auch die Nachbarschaft ist ganz nett: In Louveciennes liessen einst Adelige des Versailler Hofs ihre Landsitze errichten.
Im Jahr 2024 war Lagerfelds Pariser Appartement unter den Hammer gekommen: In nur 19 Minuten wechselte die 260 Quadratmeter grosse Wohnung, die ursprünglich auf 5,3 Millionen Euro geschätzt war, für das Doppelte den Besitzer.
Der Park der Villa Louveciennes ist weitläufig, mit Pool, Poolhaus und Tennisplatz. Mehrere Nebengebäude gehören dazu – ebenso wie ein Hauch Biografie, der in jedem Raum spürbar bleibt. Nur die Möbel fehlen: Sie wurden längst versteigert.
Eine Nacht im Poolhaus 2014 erwarb Lagerfeld das Anwesen – und liess es in den folgenden vier Jahren mit jener Detailversessenheit umgestalten, die untrennbar mit seinem Namen verbunden ist. Wie so oft vermischen sich bei ihm Mythos und Realität. Es heisst, er habe sie einzig deshalb gekauft, um eine seiner grossen Leidenschaften auszuleben: die Inneneinrichtung.
Raum für Raum entstand ein Gesamtkunstwerk – vollendet bis zum verchromten Feuerlöscher, durchkomponiert wie eine Kollektion. Und doch: Am Ende soll er nur eine einzige Nacht dort verbracht haben.
Laut den Notaren soll der Maestro nicht im Hauptgebäude geschlafen haben, sondern im gläsernen Poolhaus – ein eleganter Kubus mit integrierter Küche, Schlafzimmer und Sauna. An das Poolhaus angrenzend: ein stilles, eigens umzäuntes Stück Rasen – einst Spielbereich von Choupette, Lagerfelds kleiner Birma-Katze.
Im Haus bestimmen Symmetrie und raffinierte Schlichtheit die Atmosphäre. Nichts lenkt ab, alles ist durchdacht – ganz im Sinne von Lagerfeld, der dem Überflüssigen nie traute. Nichts stört das Auge. Selbst die Haustechnik mit ihren Röhren, Leitungen und Anschlüssen wurde diskret in die Nebengebäude verlegt. Doch die Strenge bleibt nicht kalt: Mehrere lichtdurchflutete Salons öffnen sich zum Park und schaffen eine Balance zwischen kontrollierter Architektur und spielerischer Leichtigkeit – wie Lagerfeld selbst, der Disziplin und Esprit stets pragmatisch zu verbinden wusste. Sein künstlerischer Werdegang in den Siebzigerjahren ist Thema der fünfteiligen Miniserie «Becoming Lagerfeld» nachempfunden (MANNSCHAFT berichtete).
Kindheit in Leoparden-Tapete Karl Lagerfeld, der zwar nicht kochte und keine Kochgerüche ertrug, soll die Küche dreimal neu gestalten lassen haben, bevor das gewünschte Ergebnis erreicht war. Auffällig: Die Küche verfügt über fünf Spülbecken. Warum? Das bleibt ein weiteres Rätsel.
Ein besonders berührender – und kurioser – Ort ist ein Raum, der dem Zimmer seiner Kindheit auf dem Landgut der Familie in Bissenmoor bei Hamburg nachgebildet wurde: mit Leoparden-Tapete und einem originalen Louis-XVI-Bett. An der Wand hing demnach ein Gemälde, das seine lebenslange Faszination für das Zeitalter der Aufklärung und das Barock entfachte: Friedrich der Grosse empfängt Voltaire in Sanssouci.
Ein Selbstbildnis? Vielleicht. Auch Lagerfeld trug später einen weiss gepuderten Zopf. «Prinz oder nichts», wie er selbst formulierte.
Überbleibsel eines vergangenen Alltags Im ersten Stock beginnt eine andere Welt: Atelier, Büro, Nebenräume. Die Wände tragen noch Spuren seiner Lesewut – überall Dübel, Reste von Regalen. Zwischen 250'000 und 300'000 Bücher soll Lagerfeld besessen haben. Über 20'000 davon zählte die Bibliothek, die er in einem der Nebengebäude einrichten liess.
Zehn Bücher gleichzeitig, drei Sprachen parallel – Englisch, Französisch, Deutsch –, das sei für ihn ganz normal gewesen, sagte er einmal. Philosophen, Dichter, Historiker: Lagerfeld konnte sie abrufen wie andere Telefonnummern. Wie «Feenstaub» sei er gewesen, meinte Claudia Schiffer in einer Doku über ihn (MANNSCHAFT berichtete).
Zurückgezogen, durchkomponiert, detailversessen: In jedem Raum des Hauses liegt etwas von ihm – Strenge, Stille, Stil. Gefühle, Beziehungen, Vergangenheit – all das hielt er sich auf Abstand. «Privat ist bei mir nur mein Schlafzimmer», sagte er einmal. Und so bleibt Louveciennes ein weiteres Fragment jenes Rätsels namens Karl Lagerfeld. Ein Rundgang gefällig?
Mehr: «Der Teufel trägt Prada 2»: Drehstart und Kinotermin stehen fest (MANNSCHAFT berichtete)
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