«Aus taktischen Gründen leise treten, war noch immer ein Fehler»
Die Politikerin Johanna Dohnal gilt in Österreich als Vorreiterin des Feminismus.
Der eine oder die andere mag es nach 16 Jahren unter Bundeskanzlerin Merkel vergessen, doch Frauen in politischen Machtpositionen waren (und sind) die längste Zeit stets die Ausnahme, nicht die Regel. Dazu zählt Johanna Dohnal.
Der Dokumentarfilm «Die Dohnal» (ab 29. Juli in den deutschen Kinos sowie in Österreich und der Schweiz auf DVD erhältlich) erinnert an eine dieser Frauen, die als Politikerin echte Vorreiterin war und – zumindest in ihrer österreichischen Heimat – für so viel Aufsehen sorgte, das bis heute wenigstens für ältere Semester die Nennung ihres Nachnamens reicht, um zu wissen, von wem die Rede ist: Johanna Dohnal.
1979 wurde Johanna Dohnal, geboren 1939 als uneheliches Kind in Wien und aufgewachsen bei der Grossmutter, zur Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen ernannt, später war die SPÖ-Politikerin von 1990 bis zu ihrem erzwungenen Rücktritt 1995 Österreichs erste Frauenministerin, ausserdem stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei. Die Errungenschaften, die sie in jenen Jahren gegen viele Widerstände durchsetzte oder auf den Weg brachte, veränderten ihr Land für immer: Vergewaltigung in der Ehe wurde strafbar, sexuelle Belästigung verboten, Amtsvormundschaft für ledige Mütter abgeschafft, Frauenhäuser und Gleichstellungsquoten eingeführt.
Regisseurin Sabine Derflinger konzentriert sich in ihrem Film grösstenteils auf die politische Laufbahn Dohnals und setzt ihr ein filmisches Denkmal, das selbst dann beeindruckend anzusehen ist, wenn man von der leidenschaftlichen Feministin noch nie gehört hat. Die Auswahl der Gesprächspartner*innen reicht von Dohnals Tochter und ihrer langjährigen Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter (mit der sie 2010 noch eine Eingetragene Partnerschaft einging, direkt nach deren Einführung und nur wenige Wochen vor Dohnals Tod) bis zu zahlreichen Wegbegleiter*innen auch jenseits der Politik, wie Theaterlegende Emmy Werner, Fotografin Elfie Semotan oder Alice Schwarzer.
Derflinger schafft es dabei auf spannende Weise nicht nur daran zu erinnern, welche erbitterten Kämpfe Dohnal führen musste und welche Pionierleistungen ihr gelangen, sondern auch aufzuzeigen, welches Vermächtnis sie hinterliess, von dem nicht nur junge Frauen bis heute profitieren. Gerade die Kombination aus Archivaufnahmen der 1970er bis 1990er Jahre und Gesprächen mit heutigen Feministinnen verdeutlichen in «Die Dohnal» sehr eindrücklich, wie relevant viele von Dohnals Themen bis heute sind, wie viel es in Sachen Gleichberechtigung noch immer zu tun gibt und wie viel Gültigkeit einer ihrer Leitsätze nach wie vor hat: «Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen.»
Daran, dass Johanna Dohnal eine wahnsinnig kluge, wegweisend emanzipatorische und historische bedeutsame Frau gewesen ist, hat man nach diesem Film jedenfalls ebenso wenig Zweifel wie an der Erkenntnis, dass wir eine wie sie auch heute noch dringend gebrauchen könnten. Und zwar in jedem Land.
Passend dazu startet übrigens am 26. August auch noch der Dokumentarfilm «Die Unbeugsamen» in den deutschen Kinos, in dem Regisseur Torsten Körner an die Kämpfe von Frauen in der Politik der Bundesrepublik Deutschland von den 1950er Jahren bis zur Wiedervereinigung erinnert.
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