Grindr plant Rückzug – und die Community schaut genau hin

Derzeit laufen Gespräche mit einem Fonds - aus Abu Dhabi!

Eine unendliche Auswahl: Profile auf Grindr (Bild: iStock/Mannschaft Magazin)
Symbolfoto

Der mögliche Abschied von der Börse könnte Grindr grundlegend verändern. Für Millionen queere Nutzer*innen steht damit weit mehr auf dem Spiel als nur neue Preise und Funktionen.

Bei Grindr stehen grosse Veränderungen an: Vorstandschef James Lu ist kürzlich zurückgetreten, allerdings nicht, um das Unternehmen aufzugeben. Stattdessen plant er zusammen mit dem Investor Ray Zage, Grindr zurückzukaufen und umfassend neu zu strukturieren. Das Unternehmen könnte so wieder in Privatbesitz überführt werden – ein Schritt, der die App strategisch, finanziell und strukturell stark verändern würde. In der Community sorgt das für Hoffnungen, aber auch für Skepsis.

James Lu von Grindr
James Lu von Grindr (Bild: Madnessjames/CC BY-SA 4.0)

Eine Plattform im Wandel – und unter Kritik Viele Nutzer*innen erleben Grindr heute als überladen, eingeschränkt oder schlicht zu teuer. Funktionen, die früher selbstverständlich kostenlos waren, wanderten schrittweise hinter eine Paywall. Wer nicht zahlt, wird mit Werbung konfrontiert und trifft auf Limitierungen. Die einst einfache, spontane Hook-up-Plattform wirkt zunehmend wie ein Produkt, das vor allem auf Umsatzoptimierung ausgerichtet ist. Dazu kommen technische Probleme, mehr Fake-Profile und zunehmend Scams. Grindr bleibt zwar die grösste LGBTIQ-Plattform zum Cruisen, doch viele Nutzer*innen haben das Gefühl, dass die App schlechter läuft als früher.

Was passiert gerade? James Lu möchte zusammen mit Ray Zage alle ausstehenden Aktien zurückkaufen und Grindr für rund 3,5 Milliarden US-Dollar wieder in ein privates Unternehmen überführen. Sie halten bereits etwa 60 Prozent der Anteile und wollen den übrigen Aktionär*innen 18 Dollar pro Aktie bieten, deutlich mehr als der aktuelle Marktwert. Ein unabhängiges Gremium prüft momentan das Angebot.

Offiziell soll Grindr «neu ausgerichtet» werden, wobei der Fokus stärker auf Wachstum liegen soll. Lu strebt damit eine umfassende Neustrukturierung des Unternehmens an, die strategische, finanzielle und funktionale Aspekte umfasst. Ob dies tatsächlich zu einem besseren Nutzer*innenerlebnis führt, bleibt abzuwarten.

Finanzielle Erfolge Trotz wachsender Unzufriedenheit in der Community erzielt Grindr weiterhin starke Geschäftszahlen. 2025 war laut Unternehmensangaben das profitabelste Jahr der Geschichte. Allein im dritten Quartal erzielte Grindr 116 Millionen Dollar Umsatz, was einem Plus von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Besonders rentabel sind die Premium-Abos: «Xtra» kostet in den USA 19,99 Dollar pro Monat, «Unlimited» sogar 39,99 Dollar.

Darüber hinaus erweitert die App ihr Angebot durch neue Funktionen wie einen KI-basierten «Wingman», der Nachrichten formulieren oder Chats zusammenfassen kann, sowie die Funktion «Right Now» für spontane Treffen (MANNSCHAFT berichtete). Grindr positioniert sich zunehmend als «globale Gayborhood», ein digitaler Treffpunkt mit Community-Charakter und nicht mehr nur als reine Hook-up-App.

Was würde sich für Nutzer*innen ändern? Ein Börsenrückzug könnte unterschiedliche Szenarien ermöglichen. Ohne den Druck der Börsenlogik hätte Grindr die Chance, schneller auf Nutzer*innenbedürfnisse zu reagieren und strategische Entscheidungen zu treffen, die nicht primär auf kurzfristige Gewinne ausgerichtet sind. Gleichzeitig muss auch eine private Firma profitabel bleiben. Berichte über Gespräche mit einem Fonds aus Abu Dhabi – einem Land, in dem LGBTIQ kaum Rechte haben – sorgen zusätzlich für Unsicherheit und Skepsis in der Community. Welche Auswirkungen die Privatisierung letztlich auf Preise, Werbung, Funktionen und Sicherheit hat, bleibt daher offen.

Wird alles wieder besser? Grindr zählt weltweit rund 15 Millionen aktive monatliche Nutzer*innen. Mangels gleichwertiger Alternativen bleibt die App trotz Kritik unverzichtbar für viele queere Menschen. Ob sich tatsächlich etwas verbessert, hängt davon ab, ob die Privatisierung zustande kommt und welche Entscheidungen James Lu danach trifft.

Bis dahin bleibt Grindr für viele das, was es seit Jahren ist: ein Mix aus Suchteffekt, Frust und der Hoffnung (MANNSCHAFT berichtete), dass die angekündigten Veränderungen zu einem besseren Nutzungserlebnis führen.

«Jede Erektion hat im Kontext des Films ihren Sinn» – Der Fernsehjournalist Tim Lienhard war viel für Arte unterwegs und lieferte Features über LGBTIQ-Ikonen wie u.a. Quentin Crisp. 2013 kam sein erster Kinofilm raus. Jetzt führte ihn seine Arbeit nach Gran Canaria (MANNSCHAFT berichtete).

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