«Man tritt nicht nach Schwächeren, die schon fast am Boden liegen»
Ein Kommentar gegen LGBTIQ: Ist das noch Welt – oder schon Nius?
Jacques Schuster, Chefredakteur der Welt am Sonntag hat einen in vielerlei Hinsicht gestrigen Text gegen LGBTIQ verfasst. Unser Autor antwortet mit einem Gegenkommentar*.
Am Wochenende erschien ein beachtlicher Kommentar mit dem Titel «Liebe LGBTQ – geht es ein wenig leiser?», den wir hier nicht verlinken, um der Zeitung nicht noch mehr Klicks zu verschaffen. Denn beachtlich ist er nicht auf gute Weise.
Die queere Community und die CSD-Demos stehen unter Beschuss von Rechts. Die einen kämpfen mit ihren Fäusten oder lauern den Teilnehmenden bei mittlerweile fast allen Pride-Veranstaltungen auf (MANNSCHAFT berichtete), die anderen mit Worten.
Einer davon ist Jacques Schuster, Chefredakteur der Welt am Sonntag. Am Wochenende erschien ein Kommentar mit dem Titel «Liebe LGBTQ – geht es ein wenig leiser?», darin bewies er seine gestrige Gesinnung gleich mehrfach: Inhaltlich und mit einem Thema, das wirklich schon 1000-mal durchgekaut wurde. Aber der Welt offenbar immer noch Aufmerksamkeit beschafft.
Es sei «kaum noch auszuhalten», schreibt Schuster, «in welcher Wucht man täglich mit LGBTQ-Themen belämmert wird – vom grammatikalischen Firlefanz des Genderns bis zu queeren Lebensgemeinschaften in jeder zweiten Vorabendserie.» Dabei geht es aktuell mit der queeren Repräsentation eher zurück, offenbar auch bei Büchern (MANNSCHAFT berichtete).
Das nächste Unwort des Jahres, so Schuster, sollte «LGBTQ» werden. Dieses Jahr? 2025?? Mit der Abkürzung LGBT -I! - Q – denn wir wollen unsere inter Geschwister nicht vergessen – arbeiten wir hierzulande schon seit über einem Jahrzehnt. Liest der Herr Schuster denn keine Zeitung? Oder lag der Text schon ein paar Jahre unveröffentlicht in der Schublade und wurde jetzt einfach mal veröffentlicht, weil man ein paar Klicks brauchte?
Und dann versucht er sich noch kurz als Witzbold: «Nicht nur, weil es ein Zungenbrecher ist. ElDschiBiTiKiu steht für Lesbisch, Gay (schwul), Bisexuell, Transgender und Queer» – schreibt er und irrt, wie so oft. LGBTQ ist kein Zungenbrecher, sondern Englisch. Gut, kann man als rechtsdrehender Deutscher nicht wissen.
Weiterhin schreibt er noch: «Nichts gegen diese Menschen!» Da sind sie wieder, die spitzen Finger, mit denen man Queers («diese Menschen») lieber nicht anfassen möchte. «Sie sollen tun, was sie wollen, und leben, wie sie es für richtig halten.» Wie gütig!
«Aber vielleicht geht es ein wenig leiser?», fragt er. Im Klartext, gerade für Menschen wie Sie, Herr Schuster – und zum Mitschreiben: Nein, geht es nicht.
Die über Jahrzehnte erkämpften LGBTIQ-Menschenrechte, darunter die Ehe für alle und Selbstbestimmungsgesetz (MANNSCHAFT berichtete), sind in Gefahr. Nicht nur in Trumps Amerika, sondern auch bei uns in Deutschland, wo queere Bildungsprojekte weggespart werden, wo die queerfeindliche AfD immer stärker wird, und wo der Bundeskanzler, der doch der Kanzler aller Deutschen sein sollte, die Community mit einem Zirkus vergleicht (MANNSCHAFT berichtete). Queere Sichtbarkeit einschränken, etwa durch das Verbieten von Pride-Flaggen, ist keine Option. Leise werden erst recht nicht.
Ist das noch Welt – oder schon Nius?, frage ich mich beim Lesen dieses Textes und möchte Herrn Schuster an etwas erinnern, das für Menschen, auch für Rechte, selbstverständlich sein sollte: «Man tritt nicht nach Schwächeren, die schon fast am Boden liegen.»
*Die Meinung der Autor*innen von Kolumnen, Kommentaren oder Gastbeiträgen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
MANNSCHAFT stellt vor: Diese 10 queeren Shooting Stars machen von sich reden, etwa Miles Heizer, bekannt aus «Tote Mädchen lügen nicht – 13 Reasons Why».
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