In Russland nach LGBTIQ-Themen googeln ist jetzt verboten

Wladimir Putin am 1. September 2025 beim SCO-Gipfel in Tianjin, China.
Wladimir Putin am 1. September 2025 beim SCO-Gipfel in Tianjin, China. (Bild: Vladimir Smirnov/TASS via ZUMA Press/dpa)

Weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit in Russland. Wer im Internet nach «extremistischen Inhalten» sucht, macht sich strafbar. Darunter fallen neben queeren Inhalten auch das Abspielen bestimmter Musik und Beiträge zur Opposition.

In Russland ist seit dem 1. September ein neues Gesetz in Kraft, das die Internetsuche nach sogenannten «extremistischen Inhalten» unter Strafe stellt. Wer gezielt nach solchen Materialien sucht, muss mit Geldbussen von bis zu 5000 Rubel (zurzeit etwa 54 Euro/50 Franken) rechnen.

Die Grundlage dafür ist das Gesetz Nr. 281-F3, das Ende Juli von Präsident Wladimir Putin unterzeichnet wurde. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hatte die Staatsduma, das Unterhaus des Parlaments, zuvor mit einer überwiegenden Mehrheit von 68 Prozent zugestimmt.

Breite Definition von «extremistisch» Das russische Justizministerium führt ein Register mit inzwischen rund 5500 Materialien. Dazu zählen neben Schriften und Musik auch Onlinebeiträge von Oppositionellen. Ebenfalls als «extremistisch» gilt die «internationale LGBTIQ-Bewegung». Damit können bereits Informationen zu queeren Themen oder zur politischen Opposition als verbotene Inhalte gelten. Bereits im Mai wurde Apple in Russland wegen «LGBT-Propaganda» zu einer Geldstrafe verdonnert (MANNSCHAFT berichtete).

Wie das Gesetz in der Praxis kontrolliert wird, ist bislang offen. Digitalminister Maksut Schadajew erklärte im Parlament, die Behörden müssten nachweisen, dass Nutzer*innen vorsätzlich nach verbotenen Inhalten gesucht hätten. «In diesem Sinne können normale Nutzer beruhigt sein», sagte er.

Doch die Anwendung bleibt unklar. Der Anwalt Kaloj Achilgow warnt, dass die Überwachung technisch kaum lückenlos umsetzbar sei. «Ich habe zum Beispiel ein VPN auf meinem Telefon. Das heisst aber nicht, dass ich es auch immer nutze und extremistische Materialien suche. Wie wollen sie das im Blick haben?», erklärte er auf dem Youtube-Kanal Zhivoy Gvozd.

Viele Menschen in Russland umgehen Sperren im Internet mit VPN-Verbindungen, unter anderem auch um soziale Medien zu nutzen. Laut offiziellen Angaben nutzen rund 40 Prozent der Bevölkerung solche Dienste. Der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Informationspolitik, Sergej Bojarskij, sagte dazu: «Wenn Sie jedoch VPN verwenden, um extremistische Infos abzurufen, ist dies ein Argument dafür, dass Sie es absichtlich getan haben.» Zwar sind VPN-Verbindungen selbst nicht verboten, doch deren Werbung steht inzwischen unter Strafe.

Kritik und Protest Die Reaktionen auf das Gesetz sind geteilt. Yekaterina Mizulina von der regierungsnahen «Liga für ein sicheres Internet» kritisierte die «vage Formulierung» des Gesetzes und warnte vor Missbrauch, Betrug und Erpressung. Der Gründer der Digitalrechtsgruppe Roskomsvoboda, Sarkis Darbinyan, erwartet eine Zunahme von Selbstzensur: «Ich denke, das ist eines der Hauptziele: Angst zu erzeugen, Unsicherheit zu schaffen und so die Selbstzensur im russischen Internet zu erhöhen.»

«Das ist eines der Hauptziele: Angst zu erzeugen, Unsicherheit zu schaffen und so die Selbstzensur im russischen Internet zu erhöhen.»

Sarkis Darbinyan, Roskomsvoboda

Auch in der Politik gibt es Widerstand. Der Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin protestierte vor der Staatsduma und kündigte weitere Aktionen an. «Diese Änderungen haben einen Widerstand in der russischen Gesellschaft ausgelöst, wie man ihn lange nicht gesehen hat», sagte er.

Die Regierung betont, dass das Gesetz notwendig sei, um «extremistische Aktivitäten» einzudämmen. Offiziell richtet es sich nicht gegen normale Internetnutzer. Kritiker sehen darin jedoch ein weiteres Instrument, um Meinungsfreiheit zu beschneiden und abweichende Stimmen zu unterdrücken.

Mehr: Der Olympiasieger Greg Louganis verkauft Medaillen und verlässt die USA (MANNSCHAFT berichtet)

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