Neue Ära der LGBTIQ-Verfolgung in Bulgarien, Georgien und Ungarn
Der aktuelle Jahresbericht von ILGA-Europe zeichnet ein düsteres Bild
Der neue Jahresbericht von ILGA zur Lage von LGBTIQ in Europa und Asien, der am Dienstag veröffentlich wurde, kommt zur Erkenntnis, dass eine Zunahme von Anti-LGBTIQ-Gesetzen fundamentale Rechte gefährdet.
«Regierungen schüren eine Anti-LGBTIQ-Stimmung um Gesetze voranzubringen, die das Recht auf freie Meinungsäusserung, faire Wahlen und den Verweis auf Verbindungen (‹association›) einschränken wollen», heisst es in einer Pressemitteilung von ILGA-Europe.
Weiter wird beschrieben, dass Regierungen zunehmend Taktikten übernehmen würden, die vergleichbar mit denen Russlands seien, wo NGOs gezwungen werden, sich als «aus dem Ausland finanziert» zu registrieren, um ihre Legitimität zu untergraben, Förderungen einzuschränken und Menschenrechtsaktivismus zu erschweren. Solche «Auslandsagent*innen»-Gesetze würden so geframt, dass damit «Familien» und vermeintliche «traditionelle Werte» geschützt würden, während sie gleichzeitig NGOs mit LGBTIQ-Schwerpunkten ins Visier nehmen. Entsprechende Beispiele aus Bulgarien, Georgien, Ungarn, Kirgistan und Montenegro werden von ILGA als aktuelle Beispiele angeführt (MANNSCHAFT berichtete über das Beispiel Ungarn)
Sichtbarkeit von queeren Menschen kriminalisiert
Neue Gesetze in diesen Ländern würden dem Schema von russischen «Propaganda»-Gesetzen folgen, die die Sichtbarkeit von queeren Menschen kriminalisieren, entsprechende Inhalte aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannen und Aktivist*innen zum Schweigen bringen (MANNSCHAFT berichtete). Gleichzeitig wird damit das Versammlungsrecht eingeschränkt. Darüber wurde laut ILGA zuletzt in Aserbaidschan, Belarus, Bulgarien, Georgien, Kasachstan, Rumänien und der Slowakei diskutiert bzw. solche Gesetzte wurden dort als Vorschläge eingebracht, in einigen Fälle erhielten sie auch die Zustimmung der Parlamente. Sie beträfen zunehmend den Bildungsbereich, wo LGBTIQ-Themen aus den Lehrplänen gestrichen und Programme gestoppt würden, die mehr Aufklärung in Schulen bringen wollten.
Auch Sexualaufklärung in Schulen sei in Bezug auf LGBTIQ-Themen stark eingeschränkt worden in Ländern wie Bulgarien, Ungarn, Italien, den Niederlanden, Luxemburg, Norwegen, Rumänien, Russland und der Slowakei, so der ILGA-Bericht.
Parallel dazu werde homophobe Hassrede, Sexismus und Misogynie zunehmend «normalisiert», wobei viele dem Vorbild bekannter Personen des öffentlichen Lebens folgen würden, zu denen auch Politiker*innen und religiöse Anführer*innen zählten, aber auch Vertreter*innen von staatlichen Institutionen. Die Folge: Ein nie dagewesener Anstieg von Hassverbrechen in all den genannten Ländern.
Einfrieren von medizinischer Versorgung von trans Menschen
Die «Normalisierung des Hasses» liefert vielerorts auch die Begründung fürs Einfrieren von medizinischer Versorgung von trans Menschen. Hier zählt ILGA die Länder Andorra, Georgien, Ungarn, Irland, Moldawien, Rumänien, Russland und Grossbritannien auf, wo neue Beschränkungen im Gesundheitswesen in Bezug auf trans Menschen eingeführt wurden, besonders wenn es um Minderjährige geht. Dem Beispiel Grossbritanniens würden laut ILGA nun auch Österreich, Frankreich, Italien, Irland und Polen folgen: «Dadurch wird das Leben vieler trans Menschen in Gefahr gebracht», heisst es in der Pressemitteilung.
Als Folge vieler dieser Einschränkungen von Regierungsseite würde LGBTIQ vermehrt gezwungen zu fliehen – «aber Europa schliesst seine Grenzen», so ILGA. «Russland, Kirgistan und die Türkei intensivieren ihre Verfolgung, Turkenistan lockt LGBTIQ-Personen in Fallen und foltert sie. Aber europäische Länder wie Österreich, Belgien, Bulgarien, Irland und Grossbritannien lehnen Asylanträge ab, basierend auf überholten Bewertungen oder dem Verweis, Antragsteller*innen würden ‹nicht LGBTIQ genug wirken›.»
Krise der Menschenrechte und Demokratie
Der Direktor von ILGA-Europe, Chaber, sagt: «Der Bericht bestätigt, was viele von uns befürchtet haben – wir sind in eine neue Ära eingetreten, wo LGBTIQ zu Testpersonen für neue Gesetze geworden sind, mit denen die Demokratien ausgehöhlt werden soll.» Laut Chaber sei das nicht nur ein LGBTIQ-Thema, sondern allgemein eine Krise der Menschenrechte und der Demokratie.
«23 Jahre lang wurde ich weiblich sozialisiert. Den Respekt, den Männer bekommen, kannte ich nicht», sagt Schauspieler Brix Schaumburg im Interview mit MANNSCHAFT.
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