Homofeindliche Hetze: Prediger wehrt sich erneut gegen Urteil
Das Oberlandesgericht Karlsruhe muss den Fall nun prüfen
Er predigte bei einer Baptistenkirche in Pforzheim, die laut Verfassungsschutz extremistisch ist. Zweimal wurde er wegen Hetze gegen Homosexuelle verurteilt. Doch klein beigeben will der Mann nicht.
Ein zweimal wegen Volksverhetzung verurteilter Prediger der «Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim» (BKZW) zieht in die nächste Runde: Gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe in zweiter Instanz sei Rechtsmittel eingelegt worden, teilte der Rechtsanwalt des Mannes mit. Damit muss das Oberlandesgericht Karlsruhe den Fall nun prüfen.
Folgt man der Argumentation des Verteidigers vor dem Landgericht und zuvor am Amtsgericht Pforzheim, könnte die Sache am Ende sogar irgendwann am Bundesverfassungsgericht landen. Denn während die Staatsanwaltschaften und Gerichte in einer Predigt Hetze gegen Homosexuelle und queere Menschen erkannten, forderte der Anwalt mit Verweis auf die Religionsfreiheit und die Meinungsfreiheit im Grundgesetz jeweils Freisprüche für seinen Mandanten.
Allerdings erfolglos: Nachdem das Amtsgericht den Prediger 2024 im ersten Prozess gegen die laut Verfassungsschutz extremistische BKZW zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt hatte, erhöhte das Landgericht im Berufungsprozess am Donnerstag die Höhe der Tagessätze auf 45 Euro; die Anzahl blieb unverändert. Der Vorsitzende Richter erklärte, der Angeklagte habe in der Predigt homosexuelle und queere Menschen beschimpft, ihre Menschenwürde angegriffen und ihr Lebensrecht verneint.
Er hatte sogar eine Bibel mitgebracht und zu seiner Verteidigung daraus vorgelesen - doch gebracht hatte es ihm nichts.
Die neue Strafe von 150 Tagessätzen à 45 Euro, gegen die jetzt Rechtsmittel eingelegt wurden, liegt etwas über jener des Amtsgerichts Pforzheim in der Vorinstanz. Der Angeklagte habe in einer Predigt homosexuelle und queere Menschen beschimpft, als minderwertig dargestellt, verächtlich gemacht, ihre Menschenwürde angegriffen und ihnen das Lebensrecht abgesprochen, erklärte der Vorsitzende Richter Marco Lacedonia in Karlsruhe. Das sei böswillig, aus niederträchtiger Gesinnung geschehen.
In der Begründung ging Lacedonia auch darauf ein, dass die Predigt vor zwei Jahren - wie vom Angeklagten eingeräumt - gezielt im Juni gehalten worden sei. Also im Pride Month, mit dem sich Queers für gleiche Rechte und Sichtbarkeit einsetzen. Die Predigt sei live gestreamt und später im Internet veröffentlicht worden.
Der Angeklagte hatte beim Auftakt vergangene Woche Unverständnis über die Einstufung einer seiner Predigten geäussert: «Ich wusste nicht, dass das Volksverhetzung ist.» Er könne nicht nachvollziehen, welche Aussagen genau volksverhetzend sein sollen. In seinem sogenannten letzten Wort sagte er, er wolle akzeptieren, dass es Volksverhetzung sei. Es sei aber nie seine Absicht gewesen, zu sagen, dass Homosexuelle umgebracht werden sollten.
Sein Rechtsanwalt hatte wie am Amtsgericht einen Freispruch gefordert. Aussagen seines Mandanten über Homosexuelle seien von der Meinungs- und Religionsfreiheit geschützt. Es sei darum gegangen, einen Bibeltext auszulegen. «Ein Angriff auf die Menschenwürde war die Predigt des Angeklagten nicht.»
Die Staatsanwaltschaft hingegen bezog sich unter anderem auf eine Aussage in der Predigt, nach der Menschen in der Müllverbrennung verbrennen. Sie habe selten klarere Aussagen gesehen, die den Straftatbestand erfüllten, sagte die Staatsanwältin. «Dass hier der Kern des Menschseins angegriffen wird, daran besteht für mich kein Zweifel.» Mit Blick auf die Auslegung eines Paulus-Briefs sagte sie: «Wir sind jetzt 2'000 Jahre später.» In ihrem Plädoyer forderte die Staatsanwältin eine Verurteilung des Mannes zu 180 Tagessätzen à 40 Euro.
Das Amtsgericht hatte den Prediger im ersten Prozess gegen die BKZW im Dezember 2024 zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt, nachdem dieser einen - milderen - Strafbefehl nicht akzeptiert hatte. Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten hiergegen Rechtsmittel eingelegt (MANNSCHAFT berichtete).
Extremistische Ansichten und neuer Name Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) führt die BKZW seit Mai 2023 als Beobachtungsobjekt und sieht sie als extremistische Bestrebung (MANNSCHAFT berichtete). «Viele Predigten enthalten gewaltbefürwortende Aussagen, die sich hauptsächlich gegen die Menschenwürde richten», heisst es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Gefordert werde immer wieder die Todesstrafe für Homosexuelle. Gegen die Hauptverantwortlichen der BKZW seien mehrere Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet worden.
Der Gruppierung rechnet das LfV derzeit eine niedrige zweistellige Zahl an Personen zu, wie eine Sprecherin erklärte. Über ihre Onlineauftritte erreiche sie aber eine weitaus grössere Zahl. Ungefähr seit dem Jahreswechsel 2024/2025 würden die Räume in Pforzheim nur noch sporadisch genutzt.
Ende 2024 habe die BKZW zudem mehrere Internetpräsenzen in «Deutschlands Seelen Gewinnen» umbenannt und ein neues Logo veröffentlicht. Das LfV geht davon aus, «dass diese Entwicklung auch in Zusammenhang mit der aktuellen Abwesenheit der drei hauptverantwortlichen Prediger steht». Statt einer organisierten Form arbeite die Gruppierung inzwischen loser als Evangelisationsgruppe und konzentriere sich auf das «Seelengewinnen».
«Beängstigende Veränderungen» – Stirbt die schwule Szene aus? (MANNSCHAFT berichtete).
Das könnte dich auch interessieren
Russland
Pussy-Riot-Aktivistin erschüttert mit Schilderungen von Straflager
Maria Aljochina Aljochina war 2012 nach einer gegen Putin gerichteten Protestaktion mit Pride-Flaggen in Moskau zu zwei Jahren Haft im Straflager verurteilt worden.
Von Newsdesk/©DPA 
Queerfeindlichkeit
News
Aktivismus
Kultur
News
Queerfeindliche Schmierereien in Berlin: Staatsschutz ermittelt
Der Staatsschutz ermittelt wegen antisemitischer und queerfeindlicher Schmierereien in Berlin-Neukölln.
Von Newsdesk/©DPA 
Deutschland
Queerfeindlichkeit
News
Bekommen die Niederlande einen offen schwulen Regierungschef?
Die Linksliberalen in den Niederlanden haben in der jüngsten Hochrechnung ihren Vorsprung vor der Rechtspartei von Geert Wilders eingebüsst. Regierungschef könnte der offen schwule Rob Jetten werden.
Von Newsdesk/©DPA 
Schwul
Politik
People
Ralf Schumacher mit Partner Etienne zu Gast in TV-Show
Ralf Schumacher hat erst kürzlich seine Beziehung mit Étienne gewürdigt. Der Ex-Rennfahrer bezeichnete seinen Partner bei Instagram als die «Liebe meines Lebens». Nun treten die beiden gemeinsam in einer deutschen TV-Show auf.
Von Newsdesk Staff 
News
Liebe
Deutschland