«Patient Zero 1» – Wenn der Tod vor der Tür steht
In Wien wird seit dieser Woche das Stück «Patient Zero 1» von Markus Peter Tesch aufgeführt. Es spielt in einer queeren WG zwischen HIV- und Corona-Pandemie.
Der in Niederbayern geborene Autor Marcus Peter Tesch möchte in seinen Projekten queere Geschichten sichtbar machen. Dabei beschäftigt er sich auch mit Klassismus: um Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres sozialen Status.
Sein Stück «Patient Zero 1», das bis zum 29. März im Wiener Theater Drachengasse aufgeführt wird, handelt von zwei Pandemien: von der HIV- und der Corona-Pandemie. In beiden Fällen wurden queere Menschen ausgegrenzt. Das streckenweise auch humorvolle Stück handelt von einer queeren Wohngemeinschaft in einer grossen Stadt zu einem Zeitpunkt zwischen der HIV- und Corona-Pandemie, zwischen den Jahren 1981 und 2021. Draussen herrscht Winterwetter mit eisigen Temperaturen. Drinnen in der queeren Wohngemeinschaft wird eine ausgelassene Party gefeiert.
Plötzlich klingelt es. An der Tür steht der Tod, der in dem Stück weiblich ist. In dem Stück wird viel gestorben, aber auch weitergefeiert, bis schliesslich der Tod selbst in eine Existenzkrise gerät.
Tesch hat mit der Arbeit an dem Theatertext zu Beginn der Corona-Pandemie begonnen. Denn er war wütend, weil im Zuge von Corona wieder einmal queerfeindliche und klassistische Verhaltensregeln beschlossen wurden, was zur Ausgrenzung von sozialen Gruppen führte. Wütend war Tesch auch über die Behauptung, dass Corona die erste pandemische Erfahrung dieser Gesellschaft gewesen sei. Doch das stimmt nicht. Denn mit einer solchen Behauptung werden die Erfahrungen von Menschen mit der HIV-Pandemie ignoriert.
Das Stück von Tesch ist eine Kampfansage gegen das Vergessen und Verdrängen. Er will allen Menschen eine Stimme geben, die von der sogenannten Mehrheitsgesellschaft nicht gehört werden. Tesch zeigt in dem Stück die Ausgrenzungsmechanismen von Pandemien auf. Zu Beginn der HIV-Pandemie wurden Minderheiten beschuldigt. Zunächst wurde den Schwulen die Schuld am Ausbruch der Pandemie gegeben, dann den Drogenabhängigen, den Sexarbeiter*innen, den Migrant*innen und trans Personen. Konservative Medien suchten damals intensiv nach dem «Patient Zero», dem Verursacher der Pandemie. Doch tatsächlich hat es einen solchen «Patient Zero» nie gegeben.
«Schuld lähmt, Schuld verschleiert. Die Suche nach der Schuld ist eine Ersatzhandlung.»
Autor Marcus Peter Tesch
«Schuld lähmt, Schuld verschleiert. Die Suche nach der Schuld ist eine Ersatzhandlung», betont Tesch. Das Theaterstück hat nichts an Aktualität verloren. Denn HIV ist heute immer noch ein Thema. Zwar müsste niemand mehr an den Folgen einer HIV-Infektion sterben, weil es eine gut verträgliche Therapie gibt. Doch leider dominieren hier wieder Ausgrenzung. So hat US-Präsident Donald Trump die Gelder für die US-Entwicklungshilfebehörde USAID gestrichen (MANNSCHAFT berichtete).
Damit verlieren in den Ländern des globalen Südens Tausende von Menschen den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten. Hinzu kommt, dass im globalen Süden viele Menschen an den Folgen einer HIV-Infektion gestorben sind, weil Pharmakonzerne die Patente für diese Länder nicht freigegeben haben.
Statt der Suche nach einem «Patient Zero» plädiert Tesch für «Zero Patience» – keine Geduld mehr. Es dürfe nicht mehr länger gewartet werden. Tesch fordert «queere Formen von Care, zivilgesellschaftliches Engagement und Solidarität, um die Lücken in der staatlichen Gesundheitsversorgung zu schliessen".
«Patient Zero» läuft immer dienstags bis samstags um 20 Uhr im Wiener Theater Drachengasse. Nach der Aufführung können Besucher*innen des Theaterstücks für die Aidshilfe spenden.
«Fass meinen schlaffen Penis nicht an!» Der Schauspieler Armie Hammer erzählt von einem «heissen und heftigen» Date mit einem Franzosen (MANNSCHAFT berichtete).
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