HIV-Infektionen steigen: «Kein Zufall», sagt Deutsche Aids-Hilfe
Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist laut Schätzung des RKI gestiegen. Welche Gruppen besonders betroffen sind – und wie Therapien helfen.
Geschätzt rund 2.300 Menschen in Deutschland haben sich im vergangenen Jahr neu mit HIV infiziert. Der Wert liege um etwa 200 Neuinfektionen höher als 2023, erklärte das Robert Koch-Institut (RKI) in einer neuen Schätzung. Eine Ansteckung mit dem HI-Virus kann unbehandelt die Immunschwäche-Krankheit Aids hervorrufen.
Das RKI schätzt die Zahlen jedes Jahr. Betrachtet werden Neuinfektionen in Deutschland und von Menschen deutscher Herkunft, die sich im Ausland angesteckt haben.
Schätzungsweise 8.200 Menschen wissen laut RKI noch nichts von ihrer HIV-Infektion; nur 92 Prozent der Menschen mit HIV in Deutschland haben bereits eine Diagnose. das UNAIDS-Ziel für 2025 lag bei 95 Prozent. Zugleich wird ungefähr ein Drittel der HIV-Diagnosen erst gestellt, wenn das Immunsystem schon schwer geschädigt ist - oft wird gleichzeitig Aids diagnostiziert, teilt die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) mit.
«Die weiterhin hohe Zahl später Diagnosen und die wachsende Zahl von Menschen, die noch nichts von ihrer HIV-Infektion wissen, macht uns Sorge. HIV sollte so früh wie möglich erkannt und behandelt werden. So wird die Gesundheit geschützt, weitere Übertragungen werden verhindert. Darum gilt: Wer ungeschützten Sex hatte, sollte sich auf HIV und andere Infektionen testen lassen», so DAH-Vorstand Sylvia Urban.
Nach Schätzung des RKI infizierten sich im Jahr 2024 insgesamt 2.300 Menschen neu mit HIV - etwa 200 mehr als im Jahr zuvor. Schwule und bisexuelle Männer machen mit 1.300 Fällen (+100) etwas mehr als die Hälfte aus, heterosexuelle Übertragungen gab es in 590 Fällen (+45), 400 Übertragungen (+ 60) betrafen intravenös Drogen konsumierende Menschen.
Im letzten Jahr lagen die Zahlen bereits wieder auf dem Niveau der Zeit vor der Covid-Pandemie, während der es einen Rückgang gegeben hatte. Der vorherige Rückgang bei Schwulen setzte sich nun offenbar nicht fort. Bei den intravenös Drogen konsumierenden Menschen ist seit 2010 ein kontinuierlicher Anstieg zu beobachten. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf, so die DAH.
«Die Entwicklung der Neuinfektionen ist kein Zufall», fasst DAH-Vorstand Sylvia Urban zusammen. «Sie spiegelt direkt wider, ob die Angebote möglicher Schutzmaßnahmen ausreichen. Unser Ziel muss sein, den Trend wieder umzukehren.»
Die Anzahl der geschätzten HIV-Neuinfektionen bei Männern, die Sex mit Männern haben, lag im Jahr 2024 bei etwa 1.300 und damit um etwa 100 höher als 2023, meldet das RKI. Nach der Schätzung haben sich im Jahr 2024 etwa 400 Menschen durch das Spritzen von Drogen mit Nadeln neu mit HIV infiziert (60 mehr als 2023). In dieser Gruppe steigen die geschätzten Neuinfektionszahlen dem RKI zufolge seit 2010 langsam aber kontinuierlich an. Etwa 590 Menschen steckten sich laut der RKI-Schätzung im vergangenen Jahr ausserdem bei heterosexuellen Kontakten an (45 mehr als 2023).
Da HIV in der Regel nicht mehr zum Tod führt, stieg bis Ende 2024 die Zahl der Menschen, die mit einer HIV-Infektion in Deutschland leben, laut RKI auf 97'700. Davon seien etwa 8.200 HIV-Infektionen noch nicht diagnostiziert, so die Schätzung.
Fast alle Menschen mit bekannter HIV-Infektion erhalten mittlerweile eine sogenannte antiretrovirale Therapie: Für das Jahr 2024 wird der Anteil auf 98 Prozent geschätzt. Von diesen Therapien verliefen etwa 96 Prozent erfolgreich - HIV ist dann sexuell nicht mehr übertragbar.
Der Anstieg der HIV-Neuinfektionen zeige, dass es weiterer Anstrengungen bedarf, vor allem um die zielgruppenspezifischen Testangebote und den Zugang zu Therapie und Prophylaxe in der Fläche zu verbessern, so das RKI.
HIV-Diagnosen werden oft erst Jahre nach der Infektion gestellt. Datengrundlage der Routineübersicht sind Labormeldungen. Das RKI weist darauf hin, dass sie nur begrenzte Informationen zur aktuellen Ausbreitung von HIV in Deutschland liefern. Die Anzahl der HIV-Neuinfektionen und die Gesamtzahl der Menschen, die mit HIV in Deutschland leben, können demnach nur mit Hilfe von Modellrechnungen abgeschätzt werden.
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